Leitartikel: Herbert Lackner

Herbert Lackner Die Unschuldsvermuter

Die Unschuldsvermuter

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Viele Leser mögen sich fragen, warum Journalisten nach der Darstellung übler Gaunereien bestimmter Politiker sowie deren Freunden und Freunderln stets diesen merkwürdigen Satz schreiben: „Es gilt die Unschuldsvermutung.“ Verantwortlich dafür ist der §7b des Mediengesetzes („Schutz der Unschuldsvermutung“), der an sich die Berichterstattung über noch nicht verurteilte Tatverdächtige unter Strafe stellt – besagter Satz ist sozusagen das Hintertürl der Medien.

Er ist nicht zu verwechseln mit den professionellen Unschuldsvermutern, die – geht es um Leute wie Karl-Heinz Grasser oder Jörg Haider – ungestüm auf den Plan treten, um „links-linke Jagdgesellschaften“ und „notorische Haider-Hasser“ zu entlarven und die Verdächtigen einem argumentativen Waschgang zu unterziehen.

In der gegenwärtigen Debatte über Haider-Millionen aus vieler Herren Länder ist es nicht anders. „Die Jäger, die den Haider schinden / total im Blutrausch sich befinden“, reimt der Hausdichter der „Kronen Zeitung“. FPK-Chef Uwe Scheuch – selbst Objekt vieler Unschuldsvermutungen – wittert eine „Schmutzkübelkampagne“, und der steirische BZÖ-Obmann Gerald Grosz gibt dem Begriff Kleinhirn eine neue Bedeutung, indem er Nazi-Alarm schlägt: So wie „NS-Propagandamacher“ früher „Juden und Andersdenkende gehetzt“ hätten, hetze man nun einen Verstorbenen. Peter Westenthaler, bekanntlich ein Mann mit den Sitten eines englischen Landadeligen, erwartete sich indigniert eine „Entschuldigung gegenüber Haiders Familie“.

Bevor wir schuldschwer und demütig in Richtung Bärental pilgern, wollen wir noch rasch festhalten, was bisher zweifelsfrei Sache ist:
• Belegt ist, dass sich Jörg Haider der klandestinen Praktiken des liechtensteinischen Treuhandwesens bediente. Das erste Konto eröffneten seine engsten Mitarbeiter bereits 1996. Losungswort: „Jörg“.
• Tatsache ist, dass Haider 1995 fünf Millionen Schilling vom Industriellen Herbert Turnauer geschenkt bekam, ohne diese Spende vor der Finanz oder im Sinne des Parteiengesetzes zu deklarieren.
• Bewiesen ist, dass er den nach einem schweren Steuerdelikt untragbar gewordenen Abgeordneten Walter Meischberger 1999 mit 2,5 Millionen Schilling Schwarzgeld aus der Politik auskaufte.
• Amtsbekannt ist die Aussage des früheren Kabinettschefs in dem von FPÖ-Ministern geführten Infrastrukturministerium Willibald Berner, dem Grasser-Freund Peter Hochegger angeboten hätte, bei anstehenden Privatisierungen mitzuprofitieren. Als „Profit-Centers“ nannte Hochegger die Namen Grasser und Haider.
• Erwiesen ist, dass Jörg Haider mehreren zwielichtigen Russen zur österreichischen Staatsbürgerschaft verhalf – pro Stück verlangte er eine Million Euro. Die entsprechenden Beschlüsse fasste die schwarz-orange Regierung 2007 in ihrer letzten Ministerratssitzung.
• Durch die Aussage seines ehemaligen Sekretärs Franz Koloini vor der Staatsanwaltschaft ist belegt, dass Haider rund 200.000 Euro an nicht verwendeten Sponsorgeldern für den Formel-1-Piloten Patrick Friesacher in die eigene Tasche steckte.
• Der Staatsanwaltschaft ist seit Februar ein bei einer Hausdurchsuchung gefundenes Tagebuch Walter Meischbergers bekannt, in dem dieser Informationen festhält, die er von Haiders damals engstem Mitarbeiter Koloini bekommen hatte: Demnach habe Libyens Staatschef Gaddafi 45 Millionen überwiesen, weitere Millionen seien von Saddam Hussein gekommen. Dass Meischberger inzwischen seine eigene Niederschrift als „Spekulationen“ abtut, kann nur die professionellen Unschuldsvermuter beeindrucken: Warum hätte Meischberger das alles völlig unkommentiert in sein Tagebuch geschrieben, wenn er es für aufgelegten Unsinn gehalten hätte? Warum sollte ihm sein Vertrauter Koloini frei erfundene Unwahrheiten aufgetischt haben?
• Mit dieser Ausgabe von profil wird bekannt, dass auch die neue irakische Regierung vom Geldfluss an Haider weiß: Bei der Aufarbeitung der Ära Saddam Husseins stieß man auf ein „Geschenk“ von fünf Millionen Dollar, das der irakische Diktator den Besuchern aus Kärnten im Mai 2002 mitgegeben hatte. Die genauen Beträge sind in einem Aktenvermerk des irakischen Generaldirektors für die Innere Sicherheit – Vermerk „Top Secret“ – enthalten, den profil in der dieswöchigen Titelgeschichte veröffentlicht. Übrigens: Haider war viermal in Libyen und dreimal im Irak.

Den professionellen Unschuldsvermutern wird das noch immer nicht genügen. Sie verlangen weitere Beweise – eine Forderung, der man sich uneingeschränkt anschließen kann. Sie kann sich aber nicht allein an die Medien richten. Denn die Saumseligkeit, mit der die Staatsanwaltschaft in den Causen Haider und Grasser vorgeht, ruft inzwischen Kritiker auf den Plan, die sich nur schwer der Kategorie „linke Jagdgesellschaft“ zuordnen lassen. Der frühere Verfassungsgerichtshofpräsident Karl Korinek („Die Staatsanwälte arbeiten im Ergebnis zu wenig effizient“) und der ehemalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler („Bei Fällen, in die Ex-Politiker und Millionen an Steuergeldern involviert sind, geht nicht genug weiter“) sind Kritiker, die auch die Unschuldsvermuter beeindrucken sollten. Wir bleiben dran. Versprochen.

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