Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Augenblicke der Freude

Augenblicke der Freude

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Das wundervolle Bonmot von Oscar Wilde, wonach „nur Oberflächliche nicht nach Äußerlichkeiten urteilen“, wird besonders inkorrekt, wenn man es auf das Aussehen von Menschen bezieht. Und dennoch drängt sich dies zuweilen auf. Jetzt etwa – anlässlich der iranischen Wahlen.

Man sehe sich nur die Fotos des bisherigen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad und jene seines Nachfolgers Hassan Rohani an und vergleiche. Da schaut einen Ahmadinejad mit seinen kleinen, tiefliegenden und eng beieinander stehenden Augen an. Verraten diese nicht Borniertheit und Fanatismus? Und dann jene Rohanis, des bärtigen Geistlichen, der nun mit absoluter Mehrheit ins Amt gehievt wurde: Man sieht, dass der Mann viel lacht und es sind – das ist der unmittelbare Eindruck – gute, offene Augen, ja sie scheinen geradezu gütig in die Welt zu blicken.

Natürlich ist es unseriös, aus solchen Äußerlichkeiten Schlüsse zu ziehen. Aber es gibt noch mehr Sympathisches an Rohani zu entdecken. Am Abend seines Wahlsiegs ließ er durch einen Satz aufhorchen: „Ich freue mich, dass im Iran endlich wieder die Sonne der Vernunft aufgegangen ist.“ Wow! Das signalisiert nicht nur einen Bruch mit den vergangenen Jahren, in denen seiner Meinung nach offenbar die Dunkelheit der Unvernunft herrschte. Gleichzeitig paraphrasiert er damit auffallend die Diktion der europäischen Aufklärung.

Ganz zufällig dürfte das nicht sein. Ein britischer Blogger bemerkte kürzlich, dass Glasgow, wo Rohani studierte und seinen Doktor machte, die Wiege dessen ist, was man die Schottische Aufklärung nennt. Deren bekanntesten Vertreter sind Adam Smith und David Hume. Diese Geistesströmung des 18. Jahrhunderts lehnte jede Autorität ab, die nicht durch Vernunft begründet und legitimiert ist und war voll der Zuversicht, dass die Menschen mit der Kraft der ratio allein Gesellschaft und Natur verbessern können. Hat der Glasgower genius loci also auf Rohani abgefärbt?

Klug ist Rohani jedenfalls. Der seinerzeitige Atom-Chef-unterhändler hat ein Buch geschrieben, das nach der Einschätzung des bekannten iranisch-deutschen Intellektuellen Bahman Nirumand – gewiss kein Freund der Mullah-Herrschaft – „zu den besten Quellen zählt, in denen der Nuklear-Konflikt und seine politischen und wirtschaftlichen Hintergründe detailliert beschrieben werden“.

Genug der Rohani-Elogen! Es muss auch gesagt werden: Rohani ist zwar ein Moderater und Pragmatiker, aber kein Reformer. Als vor vier Jahren die Iraner zu hunderttausenden gegen die eklatante Wahlfälschung auf die Straße gingen, stellte er sich nicht auf ihre Seite. Heute verspricht er die Freilassung der politischen Gefangenen, damals protestierte er jedoch nicht gegen die Repression. Er ist und war immer ein Mann des Regimes. Und schließlich könne man von ihm ohnehin nicht viel erwarten, wird analysiert: Der starke Mann, der die wesentlichen Dinge entscheidet, ist nicht der Präsident, sondern der geistliche Führer. Und der heißt Ali Khamenei, ein konservativer Hardliner.

Es ist auch weniger die Person des neuen Präsidenten, die optimistisch stimmt, als vielmehr die Art, wie sein Sieg zustande kam. Noch eine Woche vor der Wahl zweifelte niemand daran, dass die Beteiligung gering sein würde. Kein Wunder: Khamenei und seine Leute hatten die zur Auswahl stehenden Kandidaten handverlesen. Da war keiner darunter, der von sich aus unzufriedene Iraner begeistern hätte können.

Als die Iraner dann nur wenige Tage vor dem Urnengang über die sozialen Medien erfuhren, dass die beiden Ex-Präsidenten Mohammed Khatami und Haschemi Rafsandschani – die beiden großen Männer des Reformflügels und des Zentrums – dazu aufriefen, für den relativ unbekannten und in den Umfragen weit hinten liegenden Rohani zu stimmen, begriffen die Leute sofort: Das ist die Chance, gegen die Konservativen, gegen den obersten Führer Khamenei und gegen die Politik der Intransigenz vis-à-vis dem Westen in der Atom-Frage zu votieren. Und in der Tat: Mit diesem millionenfachen taktischen Wahlverhalten haben die Iraner den seit acht Jahren herrschenden Hardlinern eine spektakuläre Niederlage bereitet. Ein Grund zur Freude.

Die kollektive Intelligenz des iranischen Volkes kann man aber nur bewundern. Hut ab!

PS: Eine gewisse Lernfähigkeit kann man auch dem Regime nicht absprechen. Als es so aussah, als ob die Iraner den Machthabern mit Wahlabstinenz ihr Misstrauen ausdrücken würden, kam von Khamenei ein sensationelles Statement: „Auch wenn ihr gegen das System seid, so geht doch für euer Land wählen“, appellierte er. Bisher waren das System und das Land immer eins. Und als sich dann der Sieg Rohanis abzeichnete, widerstand man in Teheran – an die Ereignisse von vor vier Jahren denkend – der Versuchung, das Wahlergebnis zu fälschen. Wenn überhaupt manipuliert wurde, dann eher zu Gunsten von Rohani. Einen zweiten Durchgang wollten Khamenei und Co. auf alle Fälle vermeiden. Denn eine Stichwahl hätte die Dynamik, die zu Rohanis Sieg geführt hatte, nur noch verstärkt.

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