Die Experten sind sich einig: Die neue EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker ist ziemlich gut aufgestellt

Rainer Nikowitz: Der neue Kontinent

Der neue Kontinent

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Jean-Claude Juncker: Also, Freunde, am besten fangen wir gleich mit der Arbeit an. Es ist dringend geboten, dass wir bei der Bekämpfung der Finanzkrise neue Wege gehen.
Jonathan Hill: Als neuer Kommissar für den Kapitalmarkt und vor allem als Brite darf ich dazu sagen: Dream on!
Günther Oettinger: Typisch. Könnte ja sein, dass ihr dann vielleicht einmal irgendwo mitmachen müsstet – statt einfach immer nur uns Deutsche zahlen zu lassen!
Federica Mogherini: Ah, gutes Stichwort! Wollen wir nicht als starkes Zeichen der Neuerung gleich Eurobonds beschließen? Italien hat leider mittlerweile, völlig ohne eigenes Zutun, exakt 2186 Milliarden Euro Schulden. Da wäre es doch langsam Zeit, dass sich die Deutschen ihrer Verantwortung für Europa bewusst werden.
Andrus Ansip: Also, wir machen da sicher nicht mit.

Juncker: Das ist zwar Ihr gutes Recht, aber ich hätte dazu eine Frage: Wer zum Teufel sind Sie?
Dimitris Avramopoulos: Das ist der Lette.
Valdis Dombrovskis: Das würde mich ziemlich erstaunen.
Avramopoulos: Warum?
Dombrovskis: Weil ich der Lette bin. Er ist der Este.
Avramopoulos: Esten, Letten – ist das nicht alles irgendwo dasselbe?
Ansip: Sie meinen in etwa so wie Griechen und Türken?
Avramopoulos: Das ist eine unerhörte Provokation! Das lässt sich Griechenland nicht bieten! Ich lege mein Veto ein.

Juncker: Gegen Eurobonds? Was wird Athen dazu sagen?
Hill: Holy shit.
Jyrki Kattainen: Darauf würde ich auch tippen. Was heißt das auf Griechisch?
Hill: Ich bezog mich gerade weniger auf Griechenland, als auf den Zustand der Union generell, der hier zutage tritt. Hier kann nur eines abhelfen: mehr Britannien!
Oettinger: Wenn euch demnächst die Schotten wegrennen, dann wird es aber eher weniger Britannien.
Hill: Die Schotten sind eben leider ein eigenartiges Volk. Das erkennt man schon daran, dass ihre Aussprache ein bisschen so klingt wie ein Kraut, der versucht, Englisch zu reden.
Juncker: Ich muss doch sehr bitten! Wir werden hier doch nicht alte, längst überwundene Ressentiments …
Oettinger: Wir können wenigstens Englisch. Ihr hingegen seid die einzige Nation in Europa, die ausschließlich ihre Muttersprache beherrscht.
Pierre Moscovici: Mooooment!
Oettinger: Ach so, ja. Die Franzosen hab ich jetzt vergessen.
Tibor Navracsics: Wobei François Hollande da noch ein ganz eigener Fall ist: Den versteht ja nicht einmal in Frankreich jemand.
Moscovici: Mon Dieu, der Ungar! Jean-Claude, war das wirklich nötig? Einen Orban-Klon ausgerechnet zum Kommissar für Bildung und Kultur zu machen? Man stellt doch auch keinen Fleischhauer in einen veganen Feinkostladen.
Navracsics: Wofür sind Sie noch einmal zuständig?
Moscovici: Wirtschaft.
Navracsics: Wirtschaft. Als Franzose!
Kattainen: Somit halten wir dann also schon bei zwei Fleischhauern.
Avramopoulos: Sind Sie der Litauer?
Kattainen: Der Finne.
Avramopoulos: Litauer, Finnen – ist das nicht alles irgendwo dassel… Ach, wissen Sie was? Vergessen Sie das wieder.
Mogherini: Darf ich fragen, wer von den Herrschaften das Ressort „Digitaler Binnenmarkt“ innehat?
Ansip: Ich. Wieso?
Mogherini: Weil ich gern gewusst hätte, was das genau bedeutet. Was ist da Ihre Aufgabe?
Ansip: Nun, so wie ich mein Amt verstehe, werde ich mich vorrangig um … den … digitalen Binnenmarkt kümmern.
Mogherini: Aha. Jetzt versteh ich es gleich viel besser.
Dombrovskis: Verstehen Sie wenigstens, was ich in meinem Ressort „Sozialdialog“ mache?
Mogherini: Da muss ich leider auch passen.
Dombrovskis: Verdammt! Wer erklärt es mir denn dann?

Juncker: Freunde, ich verstehe ja, dass die Abläufe und Routinen bei unserem ersten Zusammentreffen noch nicht so glatt sind und dass alles ein wenig chaotisch verläuft. Aber sollten wir jetzt nicht langsam in medias res gehen?
Navracsics: Medias was? Wo ist der Dolmetscher, wenn man ihn einmal braucht?
Moscovici: Ich sag’s ja. Ein Fleischhauer. Wo soll das alles bloß noch hinführen?
Oettinger: Jedenfalls auf gar keinen Fall zu Eurobonds.
Hill: Oder zu mehr Integration. Und zu noch mehr polnischen Installateuren in Großbritannien.
Elzbieta Bienkowska: Unsere Installateure sind also euer Problem? Nun ja. Vielleicht ziehen die dann ohnehin von Kleinbritannien nach Schottland.
Hill: Wenn das die Schotten hören, haben wir schon gewonnen.
Johannes Hahn: Also wirklich, Leute! Jetzt habe ich mir das alles lange genug angehört. Darf ich bitte auch einmal was sagen?
Juncker: Nein!

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort