Nach dem Auffliegen der Steueroase Luxemburg gilt es nun vor allem, das Vertrauen in jenes Europa zu stärken, in dem jeder seinen Beitrag leisten muss

Rainer Nikowitz: Die Rechnung, bitte!

Die Rechnung, bitte!

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Juncker: … und darum, liebe Mitstreiter, möchte ich mit einem leidenschaftlichen Appell für ein Europa des Miteinanders und des sozialen Zusammenhalts schließen! Ich stehe für einen Kontinent, in dem wir uns aufeinander verlassen können – und in dem aber auch jeder seinen Beitrag leistet. Gemäß seinen Möglichkeiten.
Merkel: Hey, Brite! Du stehst auf dem Beitrag von Amazon.
Cameron: Wie …? Das hier? Der Beitrag von Amazon ist … ein Euro?

Merkel: Jeder gemäß seinen Möglichkeiten.
Cameron: Aber woher bist du so sicher, dass der von Amazon ist? Könnte auch der Beitrag von Großbritannien sein.
Juncker: Nein. Ich habe mir den Euro genau angesehen, nachdem ihn die Drohne abgeworfen hat. Es war ein finnischer. Sieh doch nach!
Cameron: Tatsächlich ein finnischer … Aber … Aber das beweist doch gar nichts. Ich war sicher auch schon einmal in Finnland. Glaube ich. Ist das das, wo es aussieht wie in Russland – nur weniger lustig?
Merkel: Nein. Das ist Sheffield.

Cameron: Ich sage das jetzt nur ein Mal: I want my money back!
Merkel: Es ist aber nicht deines. Ich hab gesehen, wie dieser Euro aus Junckers Tasche gefallen ist. Jean-Claude! Etwas mehr Budgetdisziplin, bitte!
Hollande: Madame! Es gibt keinen Grund, unflätig zu werden und solche hässlichen Worte zu verwenden.
Juncker: Ich bitte vielmals um Verzeihung! Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Und ich werde auch auf jeden Fall eine Untersuchung dieser Vorfälle anordnen! Ich weiß noch, dass ich mir gedacht hatte, ich stecke den Beitrag von Amazon in dieselbe
Tasche wie den von Ikea. Aber offenbar hat diese Tasche ein … Oh Gott! Ein Budgetloch!

Faymann: Nur ka Panik! Des hab i scho zig Mal ghabt! I weiß genau, was jetzt zu tun ist.
Juncker: Was denn?
Faymann: Wir brauchen zuerst einmal umgehend die Ankündigung eines Kassasturzes – und anschließend ­einen heißen Sommer, damit die Leute genug Zeit haben, alles wieder zu vergessen.
Merkel: Bedeutet das also, der Beitrag von Ikea liegt da auch noch irgendwo rum?
Juncker: Ich fürchte, ja. Aber er kann ja nicht weit sein. Besser, jemand sucht nachher, wenn wir beim Mittagessen sind. Aber bis dahin hätte ich gern noch besprochen, wie wir die ungeheuren Kosten stemmen wollen, die die Krise verursacht. Arbeitslosigkeit, kein Wachstum, unfassbare Schuldenberge …
Faymann: Wann mi wer fragert, glaubert i ja, der Beitrag von Ikea liegt im Lurch.

Juncker: Im … Lurch?
Faymann: No, im Dreck da unt. Im Kehricht! Was glaubst, wie es da ­unter dem Sofa ausschaut, ha? Des willst gar net so genau wissen. Und durt wird der Beitrag von Ikea hin­grollt sein.­
Merkel: Das klingt plausibel. Ich glaube, wir brauchen die Steuerfahndung.
Juncker: Ist das wirklich nötig? Dieser ganze Aufwand … Und die Steuerfahndung ist mit Arbeit ohnehin schon bis über beide Ohren eingedeckt. Außerdem hab ich in der anderen Tasche ohnehin noch die Bei
träge von Starbucks, Apple und Pepsi.
Faymann: Drei Euro?
Juncker: 2,20. Starbucks hatte ein eher unerfreuliches Jahr mit Kaffee­pflückeraufstand in Kolumbien und allem.
Faymann: Oje. Wie’s da unten immer zugeht, was?

Merkel: Wir sind es den Bürgern Europas schuldig, dass wir jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Immer fordern alle völlig zu Recht ein, dass die Großkonzerne ihren Beitrag leisten. Und dann lassen wir ihn einfach unter den Tisch fallen?
Faymann: Unters Sofa. Wenn er unterm Tisch liegert, wär’s einfach. Dann ­machert i die Steuerfahndung.
Cameron: Ich wär billiger.
Faymann: Britenrabatt?
Cameron: Das auch. Aber vor allem Verzweiflung.

Juncker: Also gut, von mir aus. Die Steuerfahndung soll sofort eine Taskforce bilden und den Beitrag von Ikea eintreiben. Dieser wird danach sofort direkt in die gesamteuropäische Krisenbekämpfung einfließen. Und das ist noch nicht alles …
Merkel: Und ich bleibe dabei: Er ist kein Obama, nein. Aber er kann schon Spannung erzeugen.
Juncker: Denn heute – und nur heute – lege ich den Inhalt meiner anderen Tasche noch drauf!

Faymann: Perfekt! 2,20 plus einer macht 3,20. Fehlen uns noch 299 Milliarden 999 Millionen 999 Tausend 996 komma 80 für a zünftige Investitionsoffensive. Wo nehma die her?
Hollande: No, wo schon? Wo wir sie immer hernehmen.
Merkel: Ich sag ja immer, die Stärke des europäischen Projekts zeigt sich in seinem entschlossenen Vorgehen. Gegen die Krise. Und für die Ärmsten.
Juncker: Ihr ahnt nicht, was ich gerade in meinem Aktenkoffer gefunden habe! Hatte ich völlig vergessen: den Beitrag von McDonald’s!
Faymann: Auch ein Euro?
Juncker: Sechser-Nuggets.
Faymann: Österreich kriegt die ­Pommes!

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort