Alleinverdiener

Wenn der Luxus ausblieb, hatte die Mama schlecht gewirtschaftet.

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Und immer wieder: Selig die Zeiten, als vom Gehalt eines Alleinverdieners eine ganze Familie bequem leben konnte! Na ja. Kommt darauf an, wie man bequem definiert. Stimmt, die Frauenerwerbsquote war von den 1950ern bis in die 1980er-Jahre niedriger als heute. Aber das war auch der Lebensstandard vieler Familien.

In den inzwischen romantisierten zwei Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lebte man, zumindest in der Großstadt, nicht selten auf Zimmer, Küche, Kabinett. Wenn es hochkam, ließ man Wasser einleiten, statt es von der Bassena zu holen, und stellte eine Blechbadewanne in die Küche, um sich den Gang ins Tröpferlbad zu ersparen. Fleisch gab es am Wochenende. Die Kleidung, die man hatte, passte in einen Kasten. Löchrige Bettwäsche wurde geflickt. Ferien machte man bei der Oma im Schrebergarten, später, oh Wirtschaftswunder, in Lignano. Zum Fernsehen versammelte man sich in der Wohnung von Nachbarn, die bereits ein TV-Gerät hatten, oder (auf dem Land) im Extrazimmer vom Wirtshaus.

Natürlich gab es auch Alleinverdiener, die geräumige Wohnungen, komfortable (nach damaligen Begriffen) Autos und Reisen nach Sizilien finanzieren konnten, aber das Gros der Bevölkerung lebte ziemlich bescheiden.

Dieser Lebensstil hatte seine positiven Seiten. Er war nachhaltig und ressourcenschonend. Im Rückblick auch zufriedenstellend, weil Basisbedürfnisse befriedigt waren und ein bisschen Luxus erreichbar schien. Aber der Rückblick verklärt. So lustig war die Bescheidenheit nicht. All das Knausern und Sparen, das meist an den Frauen hängenblieb! Wenn sich der Luxus nicht einstellte, dann hatte die Hausfrau schlecht gewirtschaftet. Frauen: abhängig von der beruflichen Tüchtigkeit des Mannes. Gezwungen auszuharren. Beschnittene Interessen, beschnittener Ehrgeiz.

Im Übrigen haben viele Hausfrauen auch dazuverdient. Sie haben zu Hause geschneidert, in fremden Wohnungen geputzt, Nachhilfestunden gegeben. Alles in Schwarzarbeit. Offiziell waren sie nicht erwerbstätig, sondern wurden vollständig vom Gatten ernährt.

Die heutigen Mittvierziger erinnern sich zu meinem Erstaunen an ihre Mütter als Vollzeit-Hausfrauen. Ich, ungefähr im selben Alter wie ihre Mütter, erinnere mich an mich, die ich keine hauptberufliche Hausfrau war, und an Freundinnen, die gerne ihren (qualifizierten) Berufen nachgingen. Die Erwerbsquote der Frauen in Österreich 1980: immerhin 55, 2 Prozent. Da sind alle Altersgruppen von 15 bis 64 einberechnet, bei den 30- bis 40-Jährigen war die Zahl der Berufstätigen wohl höher (genauere statistische Angaben fehlen), weil die Generation der nach 1945 Geborenen schon besser ausgebildet war als die Generationen davor. Ich denke an Journalistinnen, Anwältinnen, Ärztinnen, Gymnasiallehrerinnen, wenn ich an Frauen in meinem Umfeld anno 1985 denke.

Alles ist, wie so oft, eine Klassenfrage. Die hauptberufliche Hausfrau, die den ganzen Tag damit beschäftigt war, Mann und Kindern ein trautes Heim zu bereiten, ist eine Erfindung des Kleinbürgertums und im Grunde auf das Zeitfenster der 1950er- und 1960er-Jahre beschränkt. 

Die Arbeiterinnen, Bäuerinnen, Handwerkerinnen, Dienstbotinnen früherer Zeiten – alles keine Frauen, die sich im kuscheligen Eigenheim selbstverwirklichten, vom Alleinverdiener erhalten. Und die Frauen des Großbürgertums oder Aristokratinnen schon gar nicht. Wenn wir der Fin-de-Siècle-Literatur glauben dürfen, dann waren die Hausfrauen höherer Stände damals nicht mit Kinderkram beschäftigt, sondern damit, schneidige junge Offiziere zu verführen und in Duelle zu treiben, und das Geld, von dem sie lebten, kam nicht vom Gehalt eines braven Buchhalters, sondern war Familienkapital, angehäuft von den Vorfahren und eventuell vermehrt durch die Geschäfte des Ehemannes (der seinerseits ein entspannt promiskuitives Leben führte).

Ja, alles sehr vereinfacht dargestellt und sträflich generalisiert, aber um nichts mehr vereinfachend als die Legende vom Alleinverdiener, dessen Nine-to-five-Job der Familie ein Häuschen, ein Auto und gefüllte Vorratskammern eintrug, bis die neue Zeit und böse Emanzen die Frauen vom Herd vertrieben.