Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Der Euro und sein Aus

Der Euro und sein Aus

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Seit ich ihn kenne, steht der Euro vor dem Aus. Erstmals schon kurz nach seiner Einführung vor zehn Jahren, als der Wert eines Euro unter einen Dollar gefallen ist, „weil Europa seine Hausaufgaben nicht gemacht hat“, wie Experten angeblich wussten.

Die USA hatten ihre Hausaufgaben bekanntlich so gut gemacht, dass sie ein paar Jahre später eine Weltwirtschaftskrise auslösten – aber das blieb den Experten verborgen.

Jetzt steht der Euro im Zuge der Irland-Krise angeblich wieder nur Zentimeter vor dem Abgrund und die ganze EU mit ihm. Angela Merkel sah ihn ganz öffentlich dort stehen und ist innerlich überzeugt, dass Deutschland den Karren wieder einmal für alle anderen aus dem Dreck ziehen muss. Tatsächlich ist der Euro, der schon einmal 1,59 Dollar wert war, nur mehr um die 1,33 Dollar wert. Wenn auch nicht so wenig wie nach der Griechenland-Krise, von der Merkel auch überzeugt war, dass Deutschland sie bezahlt.

Das hat dann nicht ganz gestimmt. Denn weil der Euro auf 1,2 Dollar gefallen ist, sind Exporte aus der Eurozone so viel leichter geworden, dass die Schrumpfung der europäischen Wirtschaft wieder in Wachstum übergegangen ist; und prompt hat Exportweltmeister Deutschland davon am meisten profitiert. Ich bin gespannt, ob das jetzt anders ist.

Experten bemängeln vor allem die Art und Weise, wie der Euro gerettet wird. Dadurch nämlich, dass die EU glaubhaft macht, dass sie für alle ihre Mitgliedsländer geradesteht. Zuvor haben Experten bemängelt, dass die EU das im Gegensatz zu den USA offenlässt, denn die sind immer für alle Bundesstaaten geradegestanden. Jetzt betreibt die EU nach einigem deutschen Zögern die gleiche Politik und hat ebenfalls einen Regenschirm über alle Mitgliedsländer gespannt – und wieder sind die Experten unzufrieden.

Sie meinen, dass dieser Regenschirm schwache Länder geradezu herausfordert, weiterhin schlecht zu wirtschaften. Ich meine, dass er nur die Banken zu sehr schützt: Die haben sich bekanntlich, weil schwache Länder hohe Risiko­aufschläge (= Zinsen) für ihre Kredite zahlen müssen, trotz schlechten Wetters mit großen Mengen solcher hoch verzinster Staatsanleihen eingedeckt und kommen jetzt wieder einmal davon, ohne einen Tropfen zu spüren.

Dem ließe sich in Zukunft begegnen, indem sich die fixe Verzinsung von Anleihen bei der Inanspruchnahme von EU-Geldern vertraglich reduziert.
Dass solche Gelder schwache Länder geradezu herausfordern, weiter schlecht zu wirtschaften, ist dagegen eine Unterstellung – so gern man es in Deutschland und Österreich auch hört. Denn diese Gelder sind an massive Spar­auflagen und Reformzusagen gebunden.

In Griechenland verdienen die Staatsbeamten etwa 15 Prozent weniger als bisher; in Spanien und Portugal gibt es Nulllohnrunden; Irland will schon im nächsten Jahr vier Milliarden Euro einsparen. Das Zähneknirschen der Bürger ist mehr als hörbar.

Da ich kein Experte bin, sehe ich diese Frage pragmatisch: Ein Land ist wirtschaftlich schwach, wenn Qualität und Produktivität seiner Unternehmen, wie etwa in Spanien, unter dem Durchschnitt und seine Verwaltungsausgaben über dem Durchschnitt liegen. Wenn eine allgemeine schlechte Wirtschaftslage oder gar eine Weltwirtschaftskrise hinzutritt, hat ein schwächeres Land ein größeres Problem, das sich meist in großen Schulden manifestiert. Steht ihm Geld daraufhin „marktgerecht“ – das heißt dank Spekulation zusätzlich verteuert – zur Verfügung, so läuft es ­Gefahr zu kollabieren. Bekommt es umgekehrt Kredite geschenkt, so reformiert es sich nicht und verzichtet aufs Sparen.

Daher kann ich den Weg der EU, einem solchen Land zwar verbilligtes Geld anzubieten, daran aber strenge Spar­auflagen zu knüpfen, nicht so falsch finden.

Experten sehen das anders. Der EU, so sagen sie, stehen ja nach der Griechenland- und der Irland-Krise die ­Portugal- und die Spanien-Krise bevor, weshalb Euro und EU, wenn sie nicht an der Irland-Krise umgekommen sind, spätestens an der Spanien-Krise umkommen werden.
Denn um den Euro immer wieder zu retten, wird die EU immer größere Schulden machen.

Die USA machen schon seit Jahren immer größere Schulden, unter anderem weil es dort meines Wissens überhaupt keinen Bundesstaat gibt, der nicht pleite wäre. Hinter dem Dollar steht also ein noch größerer Schuldenberg als hinter dem Euro.

Vielleicht führt das zum großen Knall – ich vermute ­optimistischer, dass es nur zu einem neuen, angemessenen Verhältnis der jeweiligen Währungen zueinander und zu mehr chinesischem Eigentum in den USA und der EU führen wird.

In meiner laienhaften Vorstellung ist eine Währung so stark wie die Volkswirtschaft, die dahintersteht. Die Volkswirtschaft der USA ist bei Computern stark, aber in traditionellen Bereichen erstaunlich schwach: Ihre Produktivität ist dort wegen veralteter Anlagen so gering, dass die Zahlen von Staats wegen geschönt wurden. Infrastruktur und Schulsystem liegen auch eher danieder. Dazu verpulvern sie immer noch Geld in einem ungewinnbaren Krieg.

Die EU führt keinen Krieg, hat geringere Schulden, eine insgesamt hohe Produktivität, und die Bevölkerung ist selbst in den armen neuen Mitgliedsländern erstklassig ausge­bildet. So gesehen scheint mir das Verhältnis von eins zu 1,33 eigentlich noch immer schmeichelhaft für den Dollar.

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