Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Die geohrfeigte Regierung

Die geohrfeigte Regierung

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„Macht die Regierung aus SPÖ und ÖVP ihre Arbeit alles in allem gesehen eher gut oder eher schlecht?“, fragte das Market-Institut dieser Tage die Österreicher. Nur 25 Prozent votierten für „eher gut“ – 59 Prozent für „eher schlecht“.

In Deutschland fiel das Votum genau umgekehrt aus, obwohl sich die Wirtschaftsdaten der beiden Länder kaum unterscheiden: Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Wirtschaft wächst, die Krise hat kaum Spuren hinterlassen.

„Österreich bleibt eine Region relativer Stabilität in der europäischen Landschaft“, lobt selbst der IWF.

Kritische Wähler, die man auf diese gute Performance anspricht, wenden ein, dass sie „trotz der Regierung“ zustande komme. Aber das ist erstens allgemein ungerecht, weil die Koalition hauptverantwortlich für die bestehenden Rahmenbedingungen ist, und zweitens hat sie in zwei konkreten Fällen eindeutig positiv ins Geschehen eingegriffen und Probleme abgewehrt:

Das wohl gravierendste Problem bestand darin, dass ­Österreichs Banken bei ihrem (sinnvollen) Engagement im ehemaligen Ostblock ein zu hohes Risiko eingegangen waren, das schlagend zu werden drohte, als die Wirtschaft dieser Länder im Zuge der Finanzkrise einzubrechen drohte. Damals hat Finanzminister Josef Pröll durch seine Vorsprache in Brüssel, bei der er die gebündelten Interessen dieser Länder vertrat, erreicht, dass EU und IWF diesen Einbruch durch Geldspritzen abwehrten.

In diesem Zusammenhang ist apart, dass die FPÖ „jeden Cent für Pleite-Länder“ so wütend anprangert: Nicht nur wäre FPK-Kärnten ein „Pleite-Bundesland“, wenn „unschuldige“ Bundesländer nicht Milliarden dorthin überwiesen, sondern ganz Österreich war ohne das Ost-Geld von IWF und EU pleitegefährdet, denn unser Bankenrisiko im Osten war zig Milliarden schwer.

Auch die Rettung der Hypo Alpe-Adria ist unter diesem Blickwinkel zu sehen: Pröll konnte diese für die Wirtschaft der Ost-Länder wichtige Bank nicht pleitegehen lassen, während er von der EU gleichzeitig Ost-Wirtschaftshilfe ­erflehte.

Die zweite positive Leistung erbrachte – so schwer es mir fällt, ihr das zuzugestehen – Maria Fekter: Ihr aktuelles Sparpaket dämmt das Schuldenwachstum ein, ohne – und das war die erhebliche Gefahr – das Wirtschaftswachstum zu gefährden. Man mag darin vor allem eine Leistung ihrer guten Beamten sowie der Sozialpartner sehen – letztlich ändert es nichts an ihrer Ministerverantwortung.

Wirklich katastrophal versagt hat die Große Koalition nur in der Bildungspolitik, und dort voran in der Schule: Seit einem Jahrzehnt kombinieren wir weit höhere Ausgaben pro Schüler als der EU-Durchschnitt – mit weit schlechteren Lernerfolgen. Das wird unsere Wirtschaft früher oder später jene Leistungsfähigkeit kosten, der wir die guten Wirtschaftsdaten in erster Linie verdanken.

Wenn man den Übergang zur „Gesamtschule“ für die einzig sinnvolle Reform hält, wird man das Schulversagen vor allem der ÖVP anlasten. Aber die Schweiz oder Bayern führen vor, dass man auch mit unserem bisherigen Schulsystem (Hauptschulen und Mittelschulen) exzellente Lern­erfolge erzielen kann. Ich präferiere daher das offene Schulmodell der NEOS: Autonomie der Schulen sowohl beim Engagement von Lehrkräften wie bei der Gestaltung der Lehrpläne oder der Schulzeiten; Finanzierung durch Normbeträge pro Schüler, die für Kinder mit erhöhtem Betreuungsbedarf entsprechend größer sind.

Damit wäre ein fairer Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Schulen zum Wohle der Schüler – wenn auch zum Nachteil des Parteieneinflusses – möglich. Claudia Schmied hat jeden Schritt in diese Richtung konsequent verweigert. Ihre eigenen Erfolge erschöpften sich bisher in einer stetigen Verschlechterung unserer ­PISA-Ränge.

Der Wahlausgang ist ausnahmsweise weitgehend vorhersagbar: Die SPÖ bleibt Nummer eins, die ÖVP Nummer zwei, H. C. Strache bleibt dank Frank Stronach hinter meinen Befürchtungen zurück. (Ich sehe auch keinerlei Gefahr, dass die ÖVP eine Koalition mit ihm und Stronach riskiert – dazu ist ihrem Wirtschaftsflügel das Risiko in derart turbulenten Zeiten zu groß.)
Spannend ist ausschließlich, ob SPÖ und ÖVP am Ende doch eine dritte Partei zur Regierungsmehrheit brauchen. Wenn ja, dann wären mir die NEOS in dieser Rolle am liebsten. Aber ohne lila Wahlsensation kommen praktisch wohl nur die erstarkenden Grünen in Frage – und hätten sich das dank „Sauberkeit“ auch redlich verdient.

Die meisten Wähler sehen einer solchen Dreier-Koalition mit Sorge entgegen: Noch mehr Streitigkeiten würden sie völlig lähmen. Ich sehe darin genau umgekehrt eine ­Chance, sofern sich die beiden „Großen“ zu einer sinnvollen Vereinbarung bereitfänden: dass nämlich, wenn sie streiten, die Entscheidung getroffen wird, der der Dritte im Bunde zustimmt. Während eine Abstimmung unter zwei Partnern die Paralyse fördert, ist sie unter drei Partnern ein funktionstüchtiges Instrument zur Förderung entschiedenen Handelns: Eine Dreier-Koalition könnte weit mehr als eine Zweier-Koalition bewegen.

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