Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Insel der seligen Pensionisten

Insel der seligen Pensionisten

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Der Präsident des Rechnungshofs, Josef Moser, hat einmal mehr eine Reihe alarmierender Tatbestände aufgezeigt, ohne dass das irgendwen beeindruckt hätte:

• Die Schuldenlast der Republik ist 2010 ganz ohne „Finanzkrise“ noch rascher als 2009 gestiegen.

• Der Bund muss derzeit Schulden machen, um seine ganz normalen, täglichen Aufgaben zu finanzieren.

• Länder und Gemeinden, die das staatliche Defizit gemäß geltendem Stabilitätspakt vermindern sollten, haben es 2009 um fast ein Drittel erhöht.

• Insbesondere dank der SP-geschützten Hacklerregelung, die fast ausschließlich dazu dient, Beamten den vorzeitigen Ruhestand zu bescheren, ist allein der Beitrag des Bunds zur gesetzlichen Sozialversicherung um eine Milliarde hochgeschnellt (gleichfalls SP-geschützte ÖBB-Pensionen belasten die Staatskasse seit jeher mit unvertretbaren Summen).

Zusammenfassend: Wir bauen unsere Schulden nicht ab, sondern vermehren sie. Und selbst bei gutem Wirtschaftswachstum ist in keiner Weise wahr, dass die Pensionen durch den Produktivitätsfortschritt gesichert sind, wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer behauptet. Dazu müsste der aktuelle Produktivitätsfortschritt um 50 Prozent steigen und die Bevölkerung aufhören, älter zu werden.

Es gibt unter Experten wenig Zweifel, dass diese Probleme nicht punktueller oder gradueller, sondern struktureller Art sind: Die regierenden Politiker sind nicht gewillt, historische Pensionsprivilegien wie jene der Beamten im Allgemeinen und der Eisenbahner oder Nationalbanker im Besonderen zu beseitigen, obwohl sie in der Welt ihresgleichen suchen. Ich habe seinerzeit in der entschlafenen „Wochenpresse“/„Wirtschaftswoche“ das Lebenseinkommen von Beamten Profession für Profession mit dem von Angestellten der Privatwirtschaft verglichen: Beamte verdienen – gleich ob als Schlosser, Sekretärinnen oder Juristen – über den gesamten Lebenszeitraum betrachtet dank ihrer Pensionen mehr als Private.

Die steigende Lebenserwartung hat dieses Problem weiter verschärft – der aktuelle Übergang zu ASVG-Pensionen lindert es nur langsam. Und selbst das ASVG-System alleine funktioniert nur zulasten der Jungen. Experten wie Bernd Marin können sich die Finger wund schreiben – das System wird nicht verändert: weil das Parlament mehrheitlich aus Beamten besteht; weil Beamte eine Kernklientel der ÖVP und Eisenbahner eine Kernklientel der SPÖ sind; und weil Pensionisten und Demnächst-Pensionisten bereits die Wählermehrheit bilden. Ähnlich unverbesserlich ist das Verhältnis von Bund zu Ländern. Wir bauen und erhalten Krankenhäuser und Straßen unverändert nicht dort, wo der größte Bedarf am effizientesten befriedigt werden kann, sondern dort, wo sie der jeweilige Landeshauptmann eröffnen will. Wir haben unverändert neun verschiedene Wohnbauförderungen, Jugendschutzgesetze oder Fürsorge-Organisationen, selbst wenn dadurch Kinder nach einem Wohnortwechsel totgeprügelt werden, weil ihre Vorgeschichte nicht mehr aufscheint. Und wir bleiben bei neun verschiedenen Bauordnungen, auch wenn dadurch Firmen eines Bundeslands ernsthafte Probleme haben, in einem anderen Bundesland Aufträge zu übernehmen. Die Reibungsverluste dieser Strukturen sind ebenso sagenhaft, wie sie kostspielig sind.

Aber der Föderalismus ist sakrosankt. Eine ernsthafte Verantwortlichkeit der Länder für ihre Ausgaben ist trotz Stabilitätspakts weiterhin nicht gegeben. Dementsprechend sind ihre Schulden zuletzt noch schneller als die des Bunds gestiegen – voran in Kärnten, der Steiermark, Ober- und Niederösterreich. Kärnten ist ein Sonderfall: Dort hat Jörg Haider sich mittels drastischer Verschuldung des Lands die Heiligsprechung seitens einer unzurechnungsfähigen Bevölkerung erkauft. Die Steiermark hingegen hat den nach Michael Häupl mächtigsten roten, Niederösterreich den vor Josef Pühringer mächtigsten schwarzen Landeshauptmann. Derart starke Landesfürsten setzen erstens ständig einen Finanzausgleich zu ihren Gunsten durch und verhindern zweitens, dass seine Nichteinhaltung geahndet wird.

In Wirklichkeit sind Michael Häupl und Erwin Pröll weit vor Werner Faymann und Michael Spindelegger die mächtigsten Politiker des Landes: Sie bestellen jeweils die Regierungen. Beide sind zweifellos der Ansicht, dass ihnen das aufgrund ihrer außerordentlichen Leistungen zusteht. Diese Leistungen lassen sich aus dem Zahlenwerk zwar nicht ablesen – im Zug des allgemeinen Aufstiegs Österreichs sind auch diese beiden Bundesländer aufgestiegen, ohne dass sie Überflieger gewesen wären –, aber das wissen weder Niederösterreicher noch Wiener und wählen daher, wie sie seit hundert Jahren wählen: mit großer Mehrheit schwarz die einen und rot die anderen. Nur dramatisches Versagen kann in diesen beiden Bundesländern (oder in Tirol oder Vorarlberg) zur Abwahl des Landesfürsten führen: Michael Häupl und Erwin Pröll haben nirgends dramatisch versagt – deshalb halten sich beide für Fürsten von Gottes Gnaden. Eines der großen strukturellen Probleme Österreichs besteht darin, dass es neun ähnlich empfindenden Landesfürsten ausgeliefert ist.

Ich habe schon einmal geschrieben, dass nur eine völlig neue Partei, die sich auf eine lange Durststrecke gefasst macht, diese Strukturen aufbrechen kann, und schreibe es aus gegebenem Anlass von Neuem.

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