Kaum Chancen für die Ukraine

Peter Michael Lingens: Kaum Chancen für die Ukraine

Kaum Chancen für die Ukraine

Drucken

Schriftgröße

Möglicher Weise – nichts wäre mir lieber- stellen sich diese Überlegungen in absehbarer Zeit als völlig falsch heraus. Aber im Moment sehe ich keine Gründe dafür, dass die jüngste Ukraine-Friedensinitiative von Angela Merkel und Francois Hollande nachhaltigen Erfolg haben könnte: Im besten Fall wird ein neuerlicher Waffenstillstand zwar beschlossen, aber nicht halten. Jedenfalls sehe ich nur Gründe, die gegen die Entwicklung in Richtung zu einem friedlichen Ende des Konfliktes sprechen:

O Die Separatisten - von Wladimir Putin bestens bewaffnet und von „Soldaten ohne Hoheitszeichen“ bestens unterstützt- haben in jüngster Zeit militärisch entschieden an Terrain gewonnen. Es gibt, so fürchte ich, weder für sie, noch gar für Putin, einen Grund, irgendeine ernsthafte Konzession zu machen. Vielmehr kann Putin zu Recht hoffen, auch diesen Teil der Ukraine, wie die Krim, letztlich von der Ukraine abzutrennen.

O Denn die „Sanktionen“, die die EU gegen ihn ergriffen hat, schaden zwar Russlands Bevölkerung - westliches Kapital fließt weiterhin ab – aber sie schaden nicht ihm persönlich. Und nur das schmerzte ihn.

Aber ich wiederhole: Nichts wäre mir lieber, als mit meinen Überlegungen völlig daneben zu liegen.

Seine Umfrage-Werte sind, in einem Land, in dem es kaum mehr freie Medien gibt, hervorragend, denn die vorhandenen Medien beschreiben den Krieg in der Ukraine als Abwehrkampf gegen einen faschistischen Putsch, und stellen die Sanktionen der EU als Vollzug eines Befehls der USA dar, der zum Ziel hat, Russland militärisch einzukreisen.

Schließlich ist diese These schon in Europa, voran Deutschland und Österreich durchaus erfolgreich – zur Linken spricht man von einem „Vorstoß der NATO“ statt zu sehen, wie sehr es der Wunsch der Ukraine selbst ist, der NATO anzugehören. (Nicht anders als das zu Zeiten der UdSSR der Wunsch der BRD war). Wie erfolgreich muss die gleiche Argumentation erst in Russland sein, wo es keine Medien gibt, die ihr widersprechen. Mit einer nahezu gleichgeschalteten Presse kann man den Russen problemlos einreden, dass Barack Obama sie bedroht.

Dass es Russlands Bevölkerung derzeit wirtschaftlich fühlbar schlechter geht -woran der gefallene Ölpreis weit mehr Anteil als die Sanktionen hat- wäre für Putin nur von Nachteil, wenn es Medien gäbe, die es ihm zum Vorwurf machten: indem sie argumentierten, dass Russland nur deshalb derart unter dem Ölpreis-Verfall leidet, weil seine Demokratur die Entwicklung einer erfolgreichen russischen Volkswirtschaft maximal behindert; und dass sein Vorgehen in der Ukraine Investoren abschrecken muss, weil sie daraus schließen, dass er ähnlich einfach auf jedes von ihnen in seiner Reichweite getätigte Investment zugreifen könnte.

Doch statt dass er sich einer solchen Kritik stellen muss, geben ihm die Sanktionen genau umgekehrt die Möglichkeit, alle Schuld an der wirtschaftlichen Misere von sich zu schieben: Der Westen, so argumentiert er, gehe in seiner Unterstützung der ukrainischen Faschisten und des amerikanischen Imperialismus so weit, Russland auch wirtschaftlich in die Zange zu nehmen – aber unser tapferes Volk wird das durchstehen.

Kriege, so fürchte ich zumindest, enden nur

o wenn eine Partei, egal ob zu Recht oder zu Unrecht, gesiegt hat o oder wenn zwei Parteien nach einer langen Phase eines verlustreichen Stellungskrieges keine Chance mehr sehen, durch weiteren Kampf doch noch einen entscheidenden militärischen Vorteil herauszuholen. Diese zweite Möglichkeit ist derzeit in der Ukraine meines Erachtens nicht gegeben: Putin und die Separatisten haben militärisch das bessere Blatt in der Hand.

Eine Patt-Situation träte allenfalls ein, wenn die USA der Ukraine massiv Waffen lieferte, was sie zwar erwägt, aber vermutlich nicht tun wird, weil sich auch in den USA jene durchsetzen werden, die vor einer „gefährlichen Eskalation“ warnen. Gefährlich zu eskalieren gesteht man nur Putin zu.

Nur wenn die Ukrainischen Truppen dank besserer Bewaffnung nach Monaten weiterer Kämpfe die militärische Möglichkeit hätten, die Separatisten zurückzudrängen, hätte eine Friedens-Initiative von Merkel& Hollande möglicherweise die Erfolgschance, die ich ihr derzeit abspreche.

Aber ich wiederhole: Nichts wäre mir lieber, als mit meinen Überlegungen völlig daneben zu liegen.