Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens: Orlando für Trump

Peter Michael Lingens: Orlando für Trump

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Das Massaker von Orlando erhöht nach menschlichem Ermessen die schon zuvor nicht so geringe Chance Donald Trumps, zum Präsidenten der USA gewählt zu werden erheblich. Das von ihm geforderte Einreiseverbot für Moslems hätte den Anschlag des in New York geborenen Omar Mateen zwar in keiner Weise verhindert (sowenig wie die Abschottung gegenüber moslemischen Flüchtlingen eines der Attentate in Europa verhindert hätte, denn auch sie wurden durchwegs von EU-Bürgern begangen), aber Amerikas dumpfe Wähler billigen Trump die in ihren Augen notwendige größere Härte im Kampf gegen den Terror zu.

Er, so glauben sie, könne sie besser als Barack Obama oder Hillary Clinton beschützen.

Die Angst vor islamischem Terror, so ermittelten Meinungsforscher, spielt bei seinen Wählern eine größere Rolle als selbst die Wut über illegale mexikanische Zuwanderer, die Trump mit einer Mauer an der Grenze aufzuhalten verspricht.

Dass die reale Gefahr, Opfer eines islamistischen Terroranschlags zu werden, statistisch nach wie vor geringer ist als die Gefahr, Opfer eines der zahllosen amerikanischen Amok-Schützen zu werden, ändert nicht an dieser Gefühlslage.

Während Hillary Clinton und Brack Obama im Angesicht von Orlando einmal mehr auf die unzureichenden Waffengesetze zu sprechen kommen, polemisiert Trump viel erfolgreicher gegen die unzureichende Abwehr des Islam.

Derzeit läge er in einer Wahl-Umfrage meines Erachtens nicht nur gleichauf mit Hillary Clinton, sondern vor ihr. Man kann sich nur damit trösten, dass bis zu den Wahlen noch gute drei Monate vergehen.

Ich glaube, dass wir dieses Muster bei weiteren Attentaten öfter sehen werden.

Die Frage, ob der Attentäter vor allem aus Hass auf Schwule oder aus Sympathie für den "Islamischen Staat gehandelt hat, wird man angesichts seines Todes kaum klären können. Er hat sich telefonisch zum IS bekannt, und Medien des IS rühmen sich seiner Tat, aber ein organisatorischer Zusammenhang wurde bisher nicht entdeckt und wird meines Erachtens auch nicht entdeckt werden. Weit eher dürfte der Zusammenhang ein psychologischer sein: Am ehesten, so vermute ich aus meiner langjährigen Erfahrung als Gerichtsaalberichterstatter von Straftaten, bei denen Homosexualität eine Rolle spielte, dass Omar Mateen in sich selbst eine starke unterbewusste homoerotische Neigung unterdrückte, indem er Homosexualität mit besonderer Vehemenz und lautstark ablehnte. Bekanntlich berichtet sein Vater, er habe sich darüber empört, dass zwei Schwule einander in seiner Gegenwart küssten.

Es war sicher kein Zufall, dass Mateen , dessen heterosexuelle Ehe nur von kurzer Dauer war, sich Schwule als Opfer seiner Tat aussuchte, und es hing meines Erachtens nur sekundär damit zusammen, dass auch der IS Homosexualität verdammt.

Vielmehr würde ich in dem Bekenntnis zum islamischen Staat, das er, soweit wir wissen nach den ersten Schüssen ablegte, eine klassische "Rationalisierung" dieser unterbewussten Emotion sehen: Plötzlich vermochte er seiner krankhaften Wut gegen homosexuelle Versuchungen vor sich selbst einen scheinbar politischen Sinn zu geben.

Ich glaube, dass wir dieses Muster bei weiteren Attentaten öfter sehen werden: Psychisch gestörte Personen, die auf Grund dieser Störung zu Selbstmord und/oder Mord neigen, flüchten vor dem Eingeständnis des eigenen psychischen Defektes, indem sie ihrer Tat ein politisches Mäntelchen umhängen, das gleichzeitig ihre Geltungssucht befriedigt.

Für den IS sind diese Taten kostenlose Propaganda: Der "Kalif" kann sich auf jeden Fall rühmen, dass der Täter sein Mitkämpfer gewesen sei, auch wenn der völlig unabhängig von ihm gehandelt hat.

Politisch sind die psychisch Kranken unserer Gesellschaft auf diese Weise von enormem Nutzen für den Islamischen Staat: Selbst dort, wo er nicht die organisatorische Kraft aufbringt, Anschläge zu organisieren, kann er zuversichtlich sein, dass sie stattfinden und seinem politischen Zweck dienen, Angst und Schrecken in der Bevölkerung zu verbreiten.

Wenn das Attentat von Orlando tatsächlich dazu beitrüge, dass Donald Trump Präsident der USA wird, wäre sogar das höchste politische Ziel des IS erreicht: Die stärkste westliche Macht maximal zu spalten und zu schwächen.