Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens: Das Trump-Paradoxon

Investitionen des Staates in die Infrastruktur der USA und die Anhebung der Mindestlöhne sind richtige Initiativen – mit fraglicher Durchführung.

Drucken

Schriftgröße

Donald Trumps Wirtschaftspläne werden deutlicher (soweit das bei seiner Ausdrucksweise möglich ist): Er will den Freihandel massiv einschränken. Er will „verbrennen, was brennt“, aber eher doch nicht aus dem Pariser Klima-Abkommen austreten. Er will Steuern senken, obwohl sie niedriger denn je sind. Und er will gewaltige Investitionen des Staates in die Infrastruktur tätigen.

Sie sind es, die den Kurs des Dollar seit Tagen steigen und den US-Aktienmarkt boomen statt verfallen lassen.

Wenn er diese Investitionen wirklich tätigen sollte, wird er damit Erfolg haben. Und zwar den Erfolg, den die Länder der EU dank des Sparpaktes mit aller Macht vermeiden: Es ist unverändert (und nicht nur nach Keynes) so, dass Investitionen Arbeit und Güter schaffen – auch wenn es ungleich besser wäre, wenn diese Investitionen nicht im Wege höherer staatlicher Schulden, sondern im Wege adäquater Steuern auf Megareichtum finanziert würden.

Aber selbst wenn Trump den schlechteren Weg der Verschuldung wählt, werden Europas (voran Deutschlands) Ökonomen staunen, wie wenig die höhere Staatsschuld die Kreditfähigkeit der USA beeinträchtigen wird – nämlich genauso wenig wie die 250 Prozent japanischer Staatsschulden Japans Kreditfähigkeit vermindern. Man borgt Japan weiter Geld, weil seine Technologie hoch entwickelt ist und weil seine Wirtschaft läuft – genauso wird man den USA weiter Geld borgen.

Natürlich hat Hillary Clinton die gleichen hohen Investitionen in die desolate Infrastruktur der USA angekündigt und hätte sie wahrscheinlich mit größerer Effizienz als Trump getätigt. Nur dass ihr die Republikaner in Senat und Kongress unüberwindbare Prügel in den Weg gelegt hätten, wie sie das bei allen vergleichbaren Initiativen Obamas taten. Zu den aktuellen Absurditäten zählt, dass sich die republikanische Partei in den Händen evangelikaler Fundamentalisten befindet, die nur Totalopposition kennen. Trumps große Chance besteht darin, dass er dieser Opposition entkommt.

Niemand weiß, ob Trump auch tun wird, was er sagt.

Leider befindet sich die Wirtschaft der EU in der Hand neoliberaler Fundamentalisten: Aus dem Umstand, dass der Staat gelegentlich falsch investiert, leiten sie ab, dass die meisten seiner Investitionen verfehlt, wenn nicht kontraproduktiv wären. In Wirklichkeit sind sie das nur, wenn sie privaten Unternehmen Ressourcen oder Kredite streitig machen. Aber genau das ist bei der aktuellen Nachfragekrise weit und breit nicht der Fall. Vor allem aber kommt es natürlich entscheidend darauf an, wofür der Staat Investitionen tätigt: Auf einem dichteren US-Eisenbahn-Netz werden neben Menschen auch Waren kostengünstiger transportiert; eine ausgebaute US-Daten-Autobahn erleichtert nicht nur Videospiele, sondern auch die raschere Digitalisierung der Industrie; bessere Schulen und Universitäten sind entscheidend für den technologischen Vorsprung.

Investitionen des Staates können sowohl unmittelbar wie mittelbar von Nutzen für eine Volkswirtschaft sein: Sie können sowohl Arbeitsplätze wie rundum bessere Voraussetzungen für erfolgreiches Wirtschaften schaffen.

Trump hat vor allem Großinvestitionen ins desolate Schulwesen der USA angekündigt, und wenn er sie vornimmt, handelt er rationaler als Deutschland, das trotz übervoller Kassen keine Bildungsoffensive gestartet hat. (Österreichs Bundesregierung konnte sich wenigstens im letzten Augenblick dazu entscheiden, 750 Millionen in Ganztagsschulen zu stecken. Die Idee, angesichts extrem billiger Kredite höhere Staatsschulden in Kauf zu nehmen, um an allen Ganztagsschulen verschränkten Unterricht zu ermöglichen, käme aber auch für sie nicht infrage.)

Noch eine Überlegung hat Donald Trump den Regierungen Österreichs wie Deutschlands voraus: Er will (wie übrigens auch Großbritanniens Konservative) die bestehenden Mindestlöhne deutlich anheben. In Deutschland hat die Regierung lange gezögert, den Mindestlohn auch nur von 8,50 Euro je Stunde auf 8,84 Euro anzuheben. Und in Österreich gibt es den Mindestlohn außerhalb jederzeit kündbarer Kollektivverträge überhaupt nicht.

Niemand weiß, ob Trump auch tun wird, was er sagt. Niemand weiß, wie weit Trumps Gegnerschaft zum Freihandel der Wirtschaft der USA schadet. Seine geplante Steuersenkung trägt den Keim zum Staatsbankrott in sich (den ein republikanisch dominiertes Parlament freilich jederzeit durch Höherverschuldung abfangen kann). Es besteht eine erhebliche Gefahr, dass sein unberechenbarer Irrwitz alles vielleicht richtig Gedachte konterkariert und ins Gegenteil verkehrt – auch eine desaströse wirtschaftliche Zukunft der USA ist jederzeit denkbar. Aber es schmerzt mich, dass ausgerechnet jemand wie er auch wirtschaftlich recht behalten könnte, indem er – im Gegensatz zur EU – auf Investitionen des Staates setzt.