Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens: Vorsorgen gegen Blau-Schwarz

Auch Blau-Rot muss möglich sein. Der Weltuntergang droht umso weniger, je mehr man die Institutionen und die Zivilgesellschaft stärkt.

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Gewerkschaftspräsident Erich Foglar meint, dass die SPÖ aufhören soll, eine künftige Koalition mit der FPÖ auszuschließen. Ich meine das auch, obwohl ich die FPÖ für eine unerquickliche, unfähige Partei halte. Denn es ist davon auszugehen, dass sie spätestens im Herbst 2018 die Wahl zum Nationalrat gewinnt – dann soll sich die SPÖ zwischen Koalition und Opposition (was ich für besser hielte) entscheiden können.

Die Chance, dass SPÖ und ÖVP es in der verbleibenden Zeit „ganz anders“ machen und ohne Dauerstreit auskommen, sehe ich nicht: In der Bildungspolitik zum Beispiel wird die SPÖ weiterhin die Gesamtschule fordern, die ÖVP weiterhin auf Gymnasien bestehen – das ist unvereinbar. In der Finanzpolitik wird die SPÖ weiterhin für den Sozialstaat und Vermögenssteuern eintreten, die ÖVP weiterhin „Sozialschmarotzer“ geißeln und Vermögenssteuern ablehnen – auch kompromisslos. Insgesamt wird die ÖVP die etwas stärkere Partei bleiben, denn der Bundeskanzler besitzt im Gegensatz zu seinem deutschen Pendant keine „Richtlinienkompetenz“, sodass er weit schwächer als der Finanzminister ist. Im Übrigen wird Österreichs Wirtschaftspolitik von Wolfgang Schäuble in Deutschland gemacht, und der hält an Austerity und damit an fortgesetzter Stagnation fest.

Für Österreich selbst muss man endlich begreifen: Die Große Koalition einer „linken“ mit einer „rechten“ Volkspartei ist die prinzipiell schlechteste Regierungsform. Denn die linke Partei zieht, teils aus linker Überzeugung, teils um sich gegenüber ihrem Partner zu „profilieren“, in die Richtung, die sie für „links“ hält – ihr rechter Koalitionspartner zieht aus den gleichen Gründen in die Gegenrichtung. Das Ergebnis muss Stillstand sein.

Funktionsfähig war die Große Koalition nur in zwei Ausnahmesituationen: In den ersten 20 Nachkriegsjahren, als es galt, ein völlig kaputtes Land neu aufzubauen; und in der Ära Franz Vranitzky, als es galt, die Kriterien für den EU-Beitritt zu erfüllen.

Ansonsten haben nur Alleinregierungen etwas vorangebracht. Die VP-Alleinregierung Josef Klaus’ hat die dringend nötige Entstaatlichung der Großindustrie und des Rundfunks eingeleitet und hat ausnahmsweise sogar Korruption vermieden. Die folgende Alleinregierung Bruno Kreiskys hat Österreich (bei viel Korruption) wirtschaftlich auf die Überholspur gebracht und gesellschaftlich modernisiert. Fred Sinowatz’ rot-blaue Koalition war schon viel schwächer, obwohl die FPÖ vorerst ein nicht allzu großes Anhängsel war. Die schwarz-blaue Koalition unter Wolfgang Schüssel, in der ÖVP und FPÖ praktisch gleich stark waren, funktionierte entsprechend schlechter. Sie profitierte aber davon, dass beide Parteien „rechts“ der Mitte standen, dass Wolfgang Schüssel ein ausnehmend starker Kanzler war und dass ihm die FPÖ kein Programm entgegensetzte, weil sie nie wirklich eines hatte. Ihre entscheidenden Schwächen waren das unfähige blaue Personal und die bis heute justizanhängige Korruption.

Schwarz-Blau war nicht rasend erfolgreich, aber auch nicht die zur Linken behauptete nationale Katastrophe.

Die gängige Verteufelung von Schwarz-Blau halte ich für verfehlt: Die Entschädigung von Naziopfern wurde vorangetrieben. Freiheiten wurden nicht beschnitten. Karl-Heinz Grasser war ein passabler Finanzminister, auch wenn er das behauptete (sinnlose) Nulldefizit nie erreichte. Selbst die Privatisierung von Buwog oder Telekom war trotz der damit verbundenen Korruption im Prinzip richtig. Richtig war nicht zuletzt auch Wolfgang Schüssels Pensionsreform: Sie hat die Probleme des Pensionssystems sehr wohl verringert, wenn auch nicht gelöst.

Zusammenfassend: Schwarz-Blau war nicht rasend erfolgreich, aber auch nicht die zur Linken behauptete nationale Katastrophe. Auch wenn mir persönlich Schwarz-Grün oder Rot-Grün (das sich nicht ausging und weiterhin nicht ausgehen wird) weit lieber gewesen wäre.

Wenn die Große Koalition in der verbleibenden Zeit etwas Nützliches tun will, dann stärkt sie die „Institutionen“ und mit ihnen die „Zivilgesellschaft“, um zu verhindern, dass eine FP-geführte Regierung das Land blau durchfärbt.

- Sie sorgt zum Beispiel dafür, dass Höchstrichter von ihren Kollegen und nicht von der Regierung bestellt werden.

- Sie beschließt, dass sich Schuldirektoren alle fünf Jahre einer Wahl durch den Lehrkörper stellen müssen, damit nicht – wie unter Jörg Haider – elf von zwölf neu ernannten Kärntner Schuldirektoren der FPÖ angehören. (So wie sie davor der SPÖ angehören mussten.)

- Sie fördert kontrollierende Medien anstelle von Wegwerfzeitungen und sorgt dafür, dass der Generalintendant des ORF von seinen Mitarbeitern sowie Vertretern unabhängiger „Institutionen“ (Höchstgerichte, Presseclubs usw.) gewählt wird und dass sein Budget wertgesichert ist, sodass er seine Unabhängigkeit nicht alle paar Jahre einbüßt.

- Sie verfügt, dass die Länder ihre Budgets endlich auf eine vergleichbare Weise erstellen müssen, sodass Fehleistungen sichtbar werden.

Man soll wenigstens klar genug sehen können, warum man Heinz-Christian Strache sobald wie möglich wieder abwählt.