Satire

2023. Juchhu.

Medien gelten als mieselsüchtige Schwarzmaler. Das kann diese fröhliche Seite nicht auf sich sitzen lassen und begrüßt das neue Jahr darum: freudestrahlend!

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Ich bin ja ganz bei Alexander Van der Bellen. Wünsche zum Jahreswechsel haben einfach genauso fromm und optimistisch zu sein wie jene, die uns unser Tapetentürlsteher in seiner Neujahrsansprache freundlich brummend wie immer angedeihen hat lassen. Das steht Bundespräsidenten gut zu Gesicht – und uns Medien ja auch.  Man wirft uns ja gerne – und, wie ich fürchte, nicht zu Unrecht – vor, alles viel zu schwarz zu malen. Viel zu stark auf negative News und Vibes fokussiert zu sein. Da ist was dran. Das muss die Kollegenschaft eindeutig ändern! Für mich selbst gilt das natürlich nicht, ich muss gar nichts ändern, denn ich darf für mich in aller Bescheidenheit nun wirklich in Anspruch nehmen, auf dieser Seite negative Ereignisse keineswegs überzubetonen – und auf der anderen Seite positive Erscheinungen nicht unter den Teppich zu kehren. So habe ich 2022, um nur ein Beispiel zu nennen, deutlich weniger Witze über das nun wirklich sehr negative Thema der hohen Gaspreise gemacht als über Laura Sachslehner. (Das ist mir bei ihrem Nachfolger leider noch nicht gelungen, das räume ich ein. Aber Christian Stocker kann ja diesbezüglich zum Glück sehr gut für sich selbst sprechen).

Meine meist bedauerlich mieselsüchtige Kollegenschaft könnte nunmehr möglicherweise konstatieren, die zu Neujahr geäußerte Hoffnung, eine vermeintlich irgendwo hinter dem Horizont lauernde rosige Zukunft könnte mit einem Mal durch all den Smog und Gefechtsstaub hindurchbrechen, erinnere angesichts des Gesamtzustandes des Patienten eher an den nach kurzem Innehalten gefassten Beschluss eines Sanitäterteams, die Wiederbelebungsmaßnahmen entgegen des an sich vorgesehenen Notfallprotokolls doch noch einmal zu verlängern. Diesmal aber wirklich zum letzten Mal. Weil sonst wird’s ja eine Quälerei. 

Ich tue das wie schon erwähnt aber selbstverständlich nicht, ich begrüße 2023 vielmehr freudigst und halte ihm gleich einmal zugute, dass es trotz der mittlerweile vorherrschenden zweistelligen Inflationsraten keinerlei unerwartete Erhöhungen durchführen  und erfreulicherweise auch nicht mehr als 365 Tage haben wird. Man darf aufgrund gewisser jüngerer Erfahrungswerte jetzt schon annehmen, dass diese kalendarische Konstante für alle Beteiligten durchaus ein Gewinn sein wird. Also gleich zu Beginn des Jahres ein möglicherweise allzu leicht übersehener Grund zur Freude! Das ist nicht zu unterschätzen in Zeiten, in denen sogar schon das Neujahrskonzert sensiblen Seelen gedankenlos den Radetzkymarsch bläst. 

Solcherart aufmunitioniert (aufmunitioniert! höhö!) darf ich Sie auch mit einigen Prognosen beglücken, Ihr Eintreffen steht auf ebenso unerschütterlichen Beinen wie die Absolute von Johanna Mikl-Leitner. Es sei Ihnen also zum Beispiel verraten, dass Wladimir Putin gerade ein herausragendes orthodoxes Weihnachten feiert. Beseelt vom Chor der Soldatenmütter, die leise die Titelmelodie von „Doktor Schiwago“ in große Töpfe von Borschtsch hineinweinen, und gerührt von den Kindern, die mit großen Augen dankbar in raketenförmige Blinis beißen und glücklich Pakete aufreißen, in denen geplünderte iPhones aus Charkiw sind. Dementsprechend gut gelaunt wird der Zarewitsch in dieses neue Jahr starten. Etwas das, seien wir uns doch ehrlich, uns allen nur zugutekommen kann. Ich bin mir fast sicher, dass man ihn danach mit einigen Gesten des guten Willens – weniger unnötig aggressives Auftreten der ukrainischen Luftabwehr in der Nähe von Kraftwerken und Wasserleitungen; und ein Kärntner Reindling von Herbert Kickl – dazu bewegen könnte, seiner Offensive das Wort Charme- voranzusetzen. 

Dies wird allerdings auch schon wieder Kickls einziger Erfolg in diesem Jahr bleiben. Nicht, dass er sich nicht anstrengen wird. Und nicht, dass die Themenlage nicht für ihn sprechen wird. Aber er wird durch einen herausragenden Schachzug eines politischen Mitbewerbers in die Schranken gewiesen werden. Denn die SPÖ, diese mit allen Wassern gewaschene, weise Elefantenkuh der Innenpolitik, beschließt völlig unvermutet, dass es irgendwie wichtiger ist, die nächste Wahl zu gewinnen als den nächsten Parteitag. Damit konnte natürlich niemand rechnen. Aber es wird sich tatsächlich die Einsicht durchsetzen, dass man irgendwo sogar so etwas wie eine Verpflichtung hat, dem Land Herbert Kickls Triumphgeheul über Platz eins an einem Wahlabend zu ersparen, wenn man es denn irgendwie kann. (Und auch das ist so sicher wie Johanna Mikl-Leitners Absolute.)

Und die dritte Vorhersage dieses Orakels von Elfi (benannt nach der stets optimistischen Fußpflegerin meiner Großtante Pepi, die im zweiten Bildungsweg gerade auf Hand-Lesertechnologie umschult und mit der ich für meine Recherche alle Fakten aber so was von doubleregecheckt habe) lautet: 17.

Aber das haben Sie nicht von mir. 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort