Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz

Mister Zehn Prozent

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Langsam war Uwe Scheuch wirklich mit seiner Geduld am Ende. Genervt trommelte er mit den Fingern seiner ausgestreckten rechten Hand den Rhythmus von „Und über Rhodos küss ich dich“ auf die Platte des Stammtisches des Frantschacher Kirchenwirtes.

Vor ihm stand eine zitternde Watschnigg Aloisia und nestelte mit ihren Gichtfingern nervös in ihrem abgewetzten Geldbörsel herum. „Muatterl“, sagte Scheuch schließlich, „wann du dos Wechselgeld nit klaan hast, dann stell di hinten no amol an. Du haltest da die ganze Partie auf!“ Die Watschniggin sah sich unsicher um. Da standen locker noch 50 Leute, die sich den Hunderter von der großherzigen Kärntner Landesregierung abholen wollten.

„So lang kann i oba nit stehen“, protestierte sie schwach. „De Fiaß, Sie wissen eh.“ Obwohl der Uwe natürlich wusste, wie die kleinen Leute so waren, seit die Magd damals am Hof nicht und nicht unter dem Tisch essen hatte wollen, ging ihm jetzt das Geimpfte auf.

„Huach zua“, bellte er, „dass ma dos Wechselgeld einstecken hat, is no na net part of the game. Mir hamma schließlich nit den ganzen Tag Zeit. Oder willst statt an Zehner glei den ganzen Hunderter als freiwillige Parteispende zruckgeben?“

Aloisia schlurfte seufzend ans Ende der Schlange. Uwe schüttelte angewidert den Kopf. Die Alte konnte echt von Glück reden, dass sie die Staatsbürgerschaft schon hatte. Gott sei Dank hatte er dem Dörfler die Idee ausreden können, auch den Führerschein-Tausender in bar zu verteilen. Welcher von den jungen Hungerleidern hatte denn schon ­einen Hunderter einstecken? Nein, da war es gescheiter, das Ganze sauber über eine Agentur abzuwickeln, die halt nur 900 überwies und den Rest als „Verfahrenskosten“ einbehielt.

Sein Handy läutete. Schon wieder dieser Wjatscheslaw! Dabei hatte er ihm doch ganz klar gesagt, dass er nichts für ihn tun konnte. Der dämliche Russe hatte die Kohle, die Uwe für die selbstlose Hilfe bei der Erlangung eines Gewerbescheins für Import-Export zustand (soweit Uwe wusste, wollte Wja­tscheslaw Kunsttänzerinnen aus St. Petersburg importieren und ein paar Regimekritiker nach Sibirien exportieren), ans BZÖ überwiesen – und nicht an die FPK. „Wjatscheslaw“, sagte Uwe tadelnd, „was genau verstehst du nit an dem Satz: ‚FPK – weil the winner takes allerweil no all‘?“
Wjatscheslaw stotterte. Aber das tat er ja immer, seit sein Unterkiefer in einer Galerie in Omsk mit dem Schlagring ­eines anderen Impresarios Bekanntschaft gemacht hatte.

„Nun ja“, sagte der Russe, „ehrlichch gesaggt – alles!“ Uwe griff sich an den Kopf. „Du hast ans BZÖ überwiesen! De liberalen Loser! Mir samma oba de Freiheitlichen in Kärnten, the one and onlys. De wo mit de Freiheitlichen im Bund a Wahlgemein…, ding, wo halt dann am Stimmzettel steht … Na, wurscht jetzt! Mach endlich an Deitschkurs!“

Vor ihm stand in der Zwischenzeit ein weißhaariger Mann, der einen 5-Euro-Schein schwenkte. „Zwischen fünf und zehn Prozent hat’s ghaaßen“, sagte er hilflos. Uwe verdrehte die Augen und steckte den Fünfer ein. „Dos nächste Mal sollt Ihna de positive Entwicklung Kärntens schon a bissl mehr wert sein“, fauchte er.

„Nochch mehr?“, fragte Wjatscheslaw. „Chab ichch schon gegeben hunderttausend. Und dann nochch gekauft finftausend Karten fir Chaider-Ausstellung in die Bergwerk.“

Wenn der Tag so weiterging, musste sich Uwe am Abend die Aufzeichnung seines Auftritts beim runden Tisch über die Hypo im ORF gleich zweimal anschauen, um wieder ins Lot zu kommen. „I hob doch nit di gmaant“, schrie er, „how on earth habts ihr Koffer damals in Stalingrad gwonnen?“ Er hörte einen zweiten Anrufer anklopfen. „Was soll ichch jetzt machen?“, fragte Wjatscheslaw.

„Geh aus der Leitung“, beschied ihm Kärntens größte Hoffnung und nahm den anderen Anruf entgegen. Es war H. C. Auch das noch. „Eine Schmutzkübelkampagne von vurn bis hint. I kann mi nit daran erinnern und wenn, dann nur aus dem Zusammenhang gerissen. Und sölbst wenn i mi erinner, is daran überhaupt nix Ehrenrühriges. Wegen de Eishockeyspieler nämlich“, sprudelte es aus Uwe heraus.

Von links wuchs ihm plötzlich ein Poster von Udo Jürgens unter die Nase. „Können Sie mir dos unterschreiben?“, süßelte ihn die Frau an, die es in der Hand hielt. „Se san doch a so a großer Fan wie i.“ Jetzt verlor Uwe endgültig die Contenance: „Vazupf di, du Vettel! Schleich di ins Solarium zum Petzner!“

Aus seinem Handy drang verächtliches Schnauben: „Zum Petzner? Aha. So kummst mir also jetzt auf amoi?“ Jetzt begann Scheuchs linkes Auge im Rhythmus von „Und über Rhodos küss ich dich“ zu zucken. „H. C.“, sagte er tonlos, „dos is a Missverständnis. Sei mir nit bös.“ Zum Glück war Strache sofort besänftigt. „Na guat, passt scho. Und? Gibt’s sonst was Neues?“ Die Frau mit dem Poster sah Uwe erschrocken an und sagte dann: „Ham Se vielleicht a Nummer vom Petzner?“

„534 72 342“, erwiderte Uwe mechanisch. „An einem Tag?“, rief Strache erstaunt aus. „Tolle Summe! Oba denk dran: Die Hälfte ghört uns!“


Freitag, 22.1., 20 Uhr, Rabenhof-Theater Wien:
Florian Scheuba & Rainer Nikowitz – „Land in Sicht“. Karten unter www.rabenhof.at

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort