Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Abwehrkampf 2.0

Abwehrkampf 2.0

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Das hintere Gurktal hatte nicht nur den Vorteil, dass all diese Berge die Bildung eines erschreckend weiten Horizonts zuverlässig verhinderten, sondern auch den, dass es leicht zu verteidigen war. Den einzigen Zugang zur letzten Bastion spezifisch kärntnerischen Anstands – also zur nach ihrem Wappentier „Geierhorst“ getauften Alpenfestung der FPK – hatte Uwe Scheuch mit allen Leasing-BMWs, die ihm jemals unerklärlicherweise abhandengekommen waren, verbarrikadiert. Und, aufgrund des Ernstes der Lage, auch mit seinem bekannt umgänglichen Bruder Kurt.

Hier waren sie vor der unerträglichen Menschenhatz, der sie sich ausgesetzt sahen, vorerst einmal sicher. Aber wie lange noch? Josef Martinz, der zwar ein Schwarzer war, dem man aber wirklich nicht vorwerfen konnte, als Stellvertreter Gerhard Dörflers in der Landesregierung nicht stets der treue Wurmfortsatz eines politischen Blinddarms gewesen zu sein, hatte die sattsam bekannte Jagdgesellschaft schon erwischt. Wer würde der Nächste sein? Uwe stöhnte gequält. Etwa gar er selbst? Undenkbar!

Von außen war aber leider wenig Unterstützung zu erwarten. Die einzige wirkliche Solidaritätsadresse war von Peter Westenthaler gekommen, also immerhin einem Mann, den man nicht verdächtigen konnte, Jörg Haiders Erbe nur deshalb zu verteidigen, weil er ihm ein seit Jahrzehnten vom Steuerzahler finanziertes angenehmes Leben verdankte. Schließlich wusste ja ein jeder, dass der Pezi auch ohne den Jörg Karriere gemacht hätte. Zum Beispiel als unbesiegbarer, weil besonders fieser Simmeringer Wirtshausschläger.

Aber damit hatte es sich auch schon bald. Wo waren sie denn jetzt alle, die zu Jörgs Lebzeiten unter anderem den Kopf für ihn hingehalten hatten?

Selbst der große Bruder aus Wien, der sich gerade auf seinem traditionellen Sommer-Kulturtrip durch Ibizas Ballerfrauen befand, hatte nicht gerade überzeugend die Mauer gemacht. Dabei fühlte sich Uwe gerade mindestens ­genauso sehr wie ein neuer Jude wie die studierten Gesinnungsfreunde mit der schiachen Säbelakne. Und im Gegensatz zu den alten hatte die FPK diese Menschenhatz ja nun wirklich nicht verdient. Was war denn schon groß passiert? Eine Bande von rechtsradikalen Hinterwäldlern waren sie schließlich immer schon gewesen. Jetzt waren sie halt eine Bande von durch und durch korrupten rechtsradikalen Hinterwäldlern. Und das sollte ein Grund sein?

Harald Dobernig, als Finanzlandesrat derjenige von ihnen, der im langjährigen Durchschnitt in zumindest drei von fünf Fällen eins und eins zusammenzählen konnte, kam eben aus dem Keller herauf. Er nahm es an Blässe mittlerweile mit seinem Charisma auf, weil er in den vergangenen drei Wochen dort unten die Kriegskassa überprüft hatte.
„Und?“, fragte Uwe gespannt. „Leer“, antwortete Harald. Uwe fand, dass Harald das eigentlich auch in, sagen wir, einer Woche herauskriegen hätte können, sagte aber nichts.

Es war also wie immer. Sie brauchten entweder eine auf ganzer Linie gelungene Hypo-Privatisierung. Dazu fehlte es mittlerweile leider sowohl an einer Hypo als auch an einem Trottel, der sie kaufte. Also blieb nur mehr eine durch und durch freiwillige Parteispende. Aber wo bitte war der Russe, wenn man ihn einmal brauchte?

„Wos tamma denn jetzt?“, stieß Dörfler, der es trotz seines überragenden Intellekts immer verstanden hatte, den Kontakt zum sehr einfachen Volk niemals abreißen zu lassen, entsetzt hervor. Denn eines war klar: Wenn es ihnen nicht gelingen würde, ihre geliebten Kärntnerinnen und Kärntner vor der schrecklichen Bürde einer demokratischen Willensbekundung zu schützen, wenn man all die armen Villacher und Veldener nicht davor bewahren konnte, mittels eines Stimmzettels sagen zu müssen „Und jetzt schleicht euch gefälligst alle wieder in die Löcher, aus denen ihr gekrochen seid!“, wenn es also ihr schlimmster Feind, der Neuwahlantrag, durch die Barrikade da unten schaffte, dann sah es finster aus. Woher sollten sie denn wieder eine Mehrheit kriegen, wenn sie kein Geld hatten, um sie zu kaufen?

Natürlich war es Uwe, der Mutige, der als Erster eine Idee hatte: „Mir stölln uns afoch hin und sogn, dass a Wohl nix ändern tat, weul mir sowieso wieder gwinnan taten!“ Nun ja. Das war, wie gewohnt, äh …, mutig.
„Oba wern se uns dann nit frogn, für wia deppat mir de Leit eigentlich holtn?“, frug Harald keck. Dieser Einwand war nun trotz des hohen Levels, auf dem sich die FPK diesbezüglich immer schon bewegt hatte, nicht gänzlich vom ansonsten leeren Tisch zu wischen. Irgendwas musste man ja wohl sonst auch noch tun können …

„Ich hob’s“, sagte ausgerechnet der, von dem man es nicht unbedingt erwarten konnte. Gerhard strahlte in die Runde. „Ich sog, dass mir der Jörg erschienen is! Und dass er gsogt hat: ‚Entweder, es is jetzt a Ruah – oder i setz den Papst ab und mach den Petzner zu meinem Stöllvertreter auf Erden!‘“

Und an diesem schönen Tag nahm sich Uwe ganz fest vor, nie wieder über Gerhard zu lachen. ■

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort