Alles wird gut

Rainer Nikowitz: Alles wird gut

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Mark Twain wird der Satz zugeschrieben: "Prognosen sind schwierig - besonders, wenn sie die Zukunft betreffen." Aus heutiger Sicht muss allerdings konstatiert werden, dass dem an sich sehr weisen Amerikaner vor 150 Jahren einfach noch nicht die Mittel zur Verfügung standen, derer sich ein voll am Pulsschlag des digitalen Zeitalters befindliches Medium wie profil heute bedienen kann. Denn wir können nicht nur von uns behaupten, dass wir Prognosen haben, sondern: Sie stimmen auch noch! (Und falls dies nicht der Fall sein sollte, greift Plan B. Dieser besagt im Wesentlichen: Wurscht, weil in einem Jahr kann sich sowieso keine Sau mehr daran erinnern.)

Unsere uns mit großer Verve zuarbeitenden Zukunftskorrespondenten nähern sich ihrem Forschungsgebiet über vollkommen unterschiedliche wissenschaftliche Zugänge. Nehmen wir einmal René Vykoukal, der in einem großen Mastbetrieb im Nordburgenland arbeitet und dort heuer das bemerkenswerte Jubiläum begehen durfte, eigenhändig sein 50.000. Schwein in eine hoffentlich bessere Welt befördert zu haben. Herr Vykoukal hat schon vor vielen Jahren begonnen, sich dem Lesen in tierischen Eingeweiden zu widmen - nicht nur, weil ihm dies weniger blutig erschien als die "Krone", sondern auch, weil er damals in einem ansonsten nicht weiter bemerkenswerten Sandalenfilm die akkurate Arbeit eines römischen Haruspex bewundern durfte. Herrn Vykoukal verdanken wir die möglicherweise wichtigste Erkenntnis, das nächste Jahr betreffend. Sie ging übrigens aus einer - natürlich nur für Amateure - völlig unspektakulären Leber hervor.

Die Leber schwört Stein und Bein, dass der immer noch schwelende Konflikt zwischen Gabriele Heinisch-Hosek und Andreas Gabalier nicht nur gütlich gelöst wird, sondern: Die beiden finden sich zum Duo "Gabi & Gaba" zusammen. Dessen Arbeitsteilung schaut so aus: Er singt bei jedem sich bietenden Anlass die Bundeshymne -und sie hält die Tafeln mit den Untertiteln. In einem aufsehenerregenden Interview, das er "Österreich" nie geben wird, wird der Volksmusik-Star sagen: "Dos mit de Taferln is mir wurscht, weul i kann eh net lesen."

Einen mindestens ebenso überraschenden Ausflug ins Show-Biz unternimmt Erwin Pröll - wobei man bei seiner Art, Politik zu machen, eigentlich auch der Meinung sein könnte, dass er ohnehin schon immer mehr in der Unterhaltungsbranche tätig war. Laut den Erkenntnissen von Blanche La Belle - die aufgrund des auf der Hand liegenden Interesses, das sämtliche Nachrichtendienste der Welt an ihr haben, gezwungen ist, sich unter ihrem Künstlernamen Josefine Hautzenbichler und in ständig wechselnden Hinterzimmern von Nagelstudios mit dem Geist von "Stinkender Bison", einem früheren Sioux-Schamanen, zu treffen - wird Pröll nämlich beim Semifinale des Song Contests die Bühne entern. Dazu hat ihn zwar niemand eingeladen, aber hey: Wir sprechen schließlich von Erwin Pröll! Gut, sein Coup wird ein wenig dadurch erleichtert werden, dass ihm Richard Grasl von Herzen gern seinen Backstage-Pass borgen wird.

Mit seiner Version von "Es wird ein Wein sein - und i werd immer sein!" wird es Erwin selbstverständlich gelingen, sich in die Herzen der Zuhörer zu singen - aber leider wird er am Ende von den Anrufern aus ganz Europa, die irritierenderweise nicht wissen, mit wem sie es hier zu tun haben, dann doch nicht ins Finale gewählt werden. (Was noch schlimme Folgen haben wird. Und zwar 2016.)

Abgesehen von diesen wichtigen Ereignissen haben unsere Informanten aber natürlich auch Geschehnisse mit weniger Weltbewegungspotenzial auf dem Radar. So sagen etwa die Tarotkarten meiner Tante Traudl, dass Wladimir Putin als russischer Präsident zurücktreten wird. Dies aber nicht etwa, weil ihm die westlichen Sanktionen und die russische Wirtschaftskrise und alles zu viel werden, nein: Er zieht sich einfach so ins Privatleben zurück. Er brennt unter falschem Namen mit seinem Sekretär Alexej nach Amsterdam durch und macht im Rotlichtviertel einen kleinen, aber gut sortierten Laden für Latexbekleidung und High Heels ab Größe 44 auf. Das entspannt nicht nur ihn ungemein, sondern natürlich auch die Weltlage. Nur Heinz-Christian Strache erleidet einen Nervenzusammenbruch und nimmt dann im Zustand höchster emotionaler Verwundbarkeit einen Asylwerber bei sich auf, der ihn zum Islam bekehrt. Ab diesem Zeitpunkt tritt Strache nur mehr unter seinem neuen Namen in der Öffentlichkeit auf: Abu Semmel.

Recep Tayip Erdogan wiederum ernennt sich selbst zum Kalifen der Welt und entdeckt anschließend Australien. Oder vielleicht auch umgekehrt. Die Proteste der Australier, die kühn behaupten, sie seien eigentlich schon vorher dagewesen, schmettert er kühl ab: "Der Westen will der Türkei ihre Größe nehmen und die Herzen unserer Kinder essen. Das wird niemals aufhören. Nicht einmal, wenn ich dann in drei Jahren der erste Mensch auf dem Mars gewesen sein werde."

Alle Zukunftsindikatoren, die sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung befassen, zeigen indes steil nach oben. Wenn es nur eine Schweinsniere gewesen wäre, die ein EU-weites Wirtschaftswachstum von 6,4 Prozent kommen sieht und darüber hinaus auch noch eine gemeinsame Erklärung aller privaten Gläubiger der EU-Staaten, in der sie auf ihre gesamten Ansprüche verzichten -na gut. Aber es waren deren gleich vier! Also: Irrtum ausgeschlossen. Für Österreich bedeutet dieser erfreuliche Aufschwung, dass sich die Debatte um die Gegenfinanzierung der Steuerreform von selbst erledigt. Allerdings besteht die SPÖ weiter auf neuen Steuern. Weil, wie Werner Faymann überzeugend darlegt, bevor er sich seinen Jugendtraum erfüllt und sich auf den Posten des Liesinger Schriftführers zurückzieht, "man rechtzeitig drauf schauen muss, dass man's hat, wenn man's braucht. Und wir werden's bald wieder brauchen." Nachfolgerin von Werner Faymann wird übrigens Doris Bures. Weil's eh schon wurscht ist.

Kulturell zeichnen sich große Erfolge für Österreich ab, selbst wenn Christoph Waltz bei der Oscar-Verleihung ausnahmsweise einmal leer ausgeht. Allerdings springt für ihn Gerald Pichowetz in die Bresche, der mit seiner grell-wütenden Darstellung des mittelfrühen Chuck Norris für atemloses Erstaunen sorgt. Die Hymne bei der Super-Bowl singen "Gabi &Gaba", allerdings die österreichische, weil Gaba die nun einmal in der Schule gelernt hat. Und der Literatur-Nobelpreis geht an Wolfgang Fellner, den die Jury als wahrhaften, wenn auch vielleicht unfreiwilligen Erben von Ernst Jandl würdigt.

Sie sehen also, der Titel dieser messerscharfen Analyse hat keinesfalls zu viel versprochen. Und Sie können jetzt beruhigt in die Zukunft sehen, weil Sie sie ja schon kennen. Gut, ein kleines Restrisiko bleibt immer. Unsere Lebern haben sich natürlich nicht jedem Detail widmen können. Also könnten Sie zum Beispiel nächstes Jahr unter Umständen auch sterben. Das wäre auf den ersten Blick zugegebenermaßen ziemlich unerfreulich. Aber bedenken Sie doch, dass Sie diesfalls auch endlich "Stinkender Bison" kennenlernen würden. Und dann wird alles ja noch viel besser.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort