Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Aufklärschlamm

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Wenn man in Werner Amons Gesicht schaute, dann wusste man gleich, dass heute ein furchtbar trauriger Tag für den österreichischen Parlamentarismus war. Nun konnte man zwar zugegebenermaßen Werner Amons Gesicht im Prinzip eigentlich immer als Beweis dafür anführen, dass es um den österreichischen Parlamentarismus traurig stand. Aber heute hatte diese unendliche Trostlosigkeit, die den als Zukunftshoffnung der ÖVP Frühpensionierten umwaberte, einen zusätzlichen Grund.

Man musste sich das Geschehen einmal in all seiner Drastik vor Augen führen: Da hatte sich Werner mit jeder Faser seines reinen Herzens den Korruptions-Untersuchungsausschuss gewünscht; hatte sich dann, als dieser sein innigster politischer Traum endlich Wirklichkeit geworden war, mit vollster Verve in die Aufklärungsarbeit geworfen; hatte sich furchtlos in jeden noch so schmierigen Winkel der Politlandschaft durchgekämpft, um jedweden Verdacht am Krawattl zu packen und ins gleißende Licht der Öffentlichkeit zu zerren – und jetzt das!

Jetzt stellte sich ihm die grüne Vorsitzende des Ausschusses brüsk in den Weg und stoppte seinen Durchmarsch in die Geschichtsbücher! Ja, aufgrund der unglaublichen Verfehlung von Gabriela Moser stand der ganze Ausschuss auf auf des Messers Schneide! Weil … So halt. Also, wegen dieses ungeheuren Skandals mit der Geschäftsordnung. Weil sie zuerst über einen Antrag nicht hatte abstimmen lassen – und dann schon! Neben dieser ungeheuerlichen Ungeheuerlichkeit verblasste ja die ganze Korruption zu einem süßen Kindergeburtstag!

Das Einzige, was Werner an dieser ganzen Geschichte beruhigte, war, dass die Öffentlichkeit das sicher ganz genauso sehen würde. Dass keinesfalls der Eindruck entstehen würde, vier Parteien, die allesamt Dreck am Stecken hatten, könnten versuchen, einen nichtigen Anlass dazu zu benützen, diesen bei ihrer aufopferungsvollen täglichen Arbeit zum Wohle unserer schönen Heimat doch schrecklich hinderlichen Ausschuss einfach abzudrehen.

„Die Geschäftsordnung!“, murmelte Werner betroffen vor sich hin. „Wo kommen wir denn da hin! Unser höchstes Gut, praktisch!“

Dieses Mal, wirklich nur dieses eine Mal, verstand ihn Stefan Petzner nur allzu gut. Ihn suchte ob des unglaublichen Skandals mittlerweile ja nicht nur die Furcht heim, seine neuen, wirklich extrem coolen Schuhe könnten niemandem auffallen, sondern auch die, dass der Ausschuss aufgrund der miserablen grünen Vorsitzführung nicht mehr bis zum einzig denkbaren Endergebnis durchhalten könnte: der Expertise nämlich, dass Jörg Haider mit nichts von alledem auch nur das Geringste zu tun gehabt hatte.

Mitfühlend fächelte er dem bleichen Amon Luft zu. „Dos wird schon“, sagte er. „Mir wern nit zualossn, doss de Grea­nan unsare hohen moralischen Standards beschädigen.“

Amon hörte aber genau, dass bei dem verdienten Kollegen große Sorge die ansonsten so gewinnende Stimme belegte.

Ebenso zerrüttet war Walter Rosenkranz, von der FPÖ als Chefaufklärer in den Ausschuss entsandt. Nun war der zwar an Kummer gewöhnt, musste er sich doch als blauer Bildungssprecher mit einem Thema herumschlagen, mit dem seine Wähler keinesfalls in Berührung kommen durften, weil das ja den Fortbestand der Partei gefährdet hätte. Rosenkranz konnte sich aber wenigstens zugutehalten, dass er von Anfang an gesagt hatte, eine Grüne könne sowieso für keinerlei Vorsitz geeignet sein – ganz im Gegensatz zu einer honorigen Persönlichkeit wie etwa Martin Graf. Und er hatte ja wohl grausam Recht behalten. Denn hatte sich etwa nicht der Eindruck durchgesetzt, die schwarz-blaue Koali­tion sei ein Selbstbedienungsladen für ansonsten in jeder Hinsicht unfähige B-Movie-Politdarsteller gewesen? Eben.

Am härtesten traf aber das drohende Ausschuss-Aus ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt den fassungslosen Fraktionsführer der SPÖ. Otto Pendl, der immerhin darauf verweisen konnte, seine nun schon 14 Jahre andauernde Anwesenheit im Hohen Haus selbst vor der interessierten Öffentlichkeit gekonnt geheim gehalten zu haben, hatte es schließlich gar nicht erwarten können, dass im Ausschuss endlich die Inseratenaffäre von und mit Werner Faymann besprochen werden würde. Wobei: Mit Werner Faymann eh nicht, denn die SPÖ war sich ja zumindest mit der ÖVP einig, dass man einen Bundeskanzler, der ja schließlich wahnsinnig viel um die Ohren hatte, wegen so einer Lappalie nicht großartig bitten musste, vielleicht einmal für eine Aussage vorbeizuschauen. Aber dass die Grünen nunmehr böswillig verhinderten, dass sich Faymann nach dem ordnungsgemäßen Ende des Ausschusses eine Weste überstreifen konnte, in der selbst der Weiße Riese leicht verloren gewirkt hätte – das war schon ausgesprochen ärgerlich.

Amon war immer noch sehr blass. Rosenkranz wütend. Pendl bestürzt. Und Petzner Petzner. Aber wenigstens wussten sie: Österreich würde es ihnen danken.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort