Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Auslacher? Einlochen!

Auslacher? Einlochen!

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Nahezu jedes Problem, das wir auf der Welt haben, fußt ja schlicht darauf, dass die Leute generell viel zu viel dürfen. Praktisch jeder verantwortungsvolle Politiker, ob es nun Wladimir Putin, Robert Mugabe oder Sarah Palin sein mag, wird das bestätigen. Die Leute dürfen zum Beispiel fast überall denken – und das bringt eine Gesellschaft nicht immer weiter. Mancherorts dürfen sie sogar reden. Oder noch Schlimmeres!
Aber zum Glück gibt es Menschen, die sich diesen Fehlentwicklungen mutig entgegenstellen. Der türkische Vizepremier Bülent Arinç von Recep Erdogans Fortschrittspartei AKP etwa. Der hat nun mit seiner Forderung, Frauen in der Öffentlichkeit das Lachen zu verbieten – weil es nämlich unkeusch sei –, den Finger dankenswerterweise in eine schwärende Wunde der türkischen Gesellschaft gelegt. Es ist ja wahr: In der Zeit, die diese gottlosen Schlampen mit sündhaftem durch die Gegend Wiehern verplempern, könnten sie schließlich auch etwas Sinnvolles tun – also Beten, Kochen oder Gebären. Oder zumindest einmal das, das eine Zeitlang vor dem Gebären kommt.

Leider ging der Fingerzeig in Richtung einer besseren Welt, den der fromme Herr Arinç aufgrund der unumstößlichen Richtigkeit seiner Überzeugungen einfach zu machen gezwungen war, vorderhand nach hinten los. Nicht nur in der Türkei, überall posteten Frauen Fotos von sich selbst, auf denen sie ihn auslachten.
Frauen! Ihn!!

Darüber wird noch zu reden sein, wenn Erdogan endlich Präsident ist und nicht mehr durch solche Anachronismen wie eine Verfassung ungebührlich beim Regieren jenes Landes, das durch seine Tätigkeit schon fast unter einer Milch- und Honigschwemme leidet, behindert wird.

In Österreich muss die Frage nach einem Lachverbot ebenfalls vorurteilsfrei diskutiert werden. Spätestens, seit es nach dem beeindruckenden Auftritt von Erdogans heimischem Obergroupie in der „ZiB 24“ zu einem spürbaren Rückgang in der kollektiven Arbeitsleistung gekommen ist, weil sich das ganze Land seither den Bauch hält. Dem Vernehmen nach plant der solcherart schon wieder schwer beleidigte Präsident der „Union europäisch-türkischer Demokraten“ als Protest gegen diesen neuerlichen Affront nunmehr einen total demokratischen Shitstorm gegen überhaupt alle. Außerdem will er so lange die Luft anhalten, bis endlich alle zugeben, dass er eigentlich immer Recht hat.

Aber auch anderweitig steht man der Einführung eines Lachverbotes durchaus wohlwollend gegenüber. Und da muss man nicht einmal unbedingt bis nach Nordkorea schauen, wo der freundliche Machthaber Kim Jong-un gerade versucht, das in seinem Land selbstverständlich herrschende Lachverbot weltweit auszudehnen. Er fordert nämlich, die Hollywood-Satire „The Interview“, in der er als schwer bewachter, an Zigarren kauender Fettberg dargestellt wird, zu verbieten. Widrigenfalls hätten die USA mit einer „erbarmungslosen Reaktion“ zu rechnen. Also vermutlich mit einem öffentlichen Auftritt von ihm im Leopardentanga. Ob das die von Irak-Krieg, Subprime-Krise und dem Twitter-Account von Kims Namensvetterin Kardashian ohnehin schon schwer gebeutelte Supermacht wirklich riskieren will?

Nein, auch in Österreich gibt es Beifall für den Vorstoß von Bülent Arinç – und zwar aus einer Ecke, aus der er nicht unbedingt zu erwarten war. Ausgerechnet HC Strache wurde nämlich jüngst im von ihm so geliebten Facebook heftig verlacht, weil er eine Meldung der deutschen Satireseite „Der Postillon“, derzufolge die USA der EU mit Sanktionen gedroht hätten, falls diese nicht die amerikanische Position zu Russland übernehme, für bare Münze genommen hatte. „Wer gießt hier Öl ins Feuer?“, fragte er mit zwar rotem, aber weitgehend leerem Köpfchen auf seiner Facebook-Seite, offenbar tief befriedigt darüber, dass der Amerikaner ja eben doch viel böser ist als FPÖ-Towaritschtsch Putin.

Da wäre ein Lachverbot also schon ziemlich hilfreich gewesen, um die Kanzlerhoffnung des geballten gesunden Hausverstandes nicht dermaßen arm aussehen zu lassen. Wie man ja überhaupt konstatieren muss, dass die AKP und die FPÖ programmatisch gar nicht einmal so viel trennt, wie vor allem die Blauen immer tun. Beide haben erkannt, dass nur ein starker Mann wirklich etwas weiterbringt und dass diese galoppierende Überdemokratisierung und der ganze liberale Scheiß doch eindeutig mehr schaden als nützen. Wenn nur dieser religiöse Fimmel von denen dort nicht wäre! Würde dieser Erdogan endlich einmal vernünftig werden und bei seinen Wahlkampfreden ein Kruzifix schwenken – dann könnte man ihm durchaus auch einmal den Viktor-Adler-Markt und die John-Otti-Band borgen. Und dann im Europa der Zukunft gemeinsam mit Wladimir Putin, Marine Le Pen, Viktor Orban und anderen wackeren Mitstreitern darauf aufpassen, dass die Leute maximal noch in den Keller lachen gehen.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort