Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Bank Holiday

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Herbert Kickl brütete über den zwei Nachrichten, die ihn gleich am Morgen aus Kärnten erreicht hatten. Eine Jörg-Haider-Statue in einem privaten Schrein in Deutsch-Griffen hatte über Nacht blutige Tränen geweint, nachdem man ihr eine Kopie des Hypo-Notverstaat­lichungsvertrages hingelegt hatte. Die vom Vatikan hielten sich zwar noch bedeckt, aber was konnte man von denen schon erwarten. Aber auch ohne eine kirchliche Anerkennung passte so ein Wunder natürlich ganz hervorragend in Herberts Strategie.

Die ging so: „Jörg Haider hat den Bayern eine kerngesunde Bank verkauft. Ein paar Jahre später hat der Finanzminister ohne Not einen Haufen Schulden zurückgekauft. Und jetzt spucken alle auf dem Jörg sein Grab.“
Jeder in der Partei konnte das runterbeten. Beim Jochen, dem Neffen von der Buchhaltungschefin, der als Bote bei ihnen arbeitete, seit die Mädchengarderobe zu dem letzten Ort ­geworden war, den er in einer Schule jemals gesehen hatte, hatte es etwas gedauert. Aber als es dann Harald Vilimsky draufhatte, war auch der Jochen so weit.

Nach diesen drei Sätzen war auf jeden Fall alles gesagt. Denn praktischerweise waren in ihnen ja auch gleich sämtliche Beweise, die ihren Inhalt untermauerten, enthalten. War nach ihrer Ausstoßung noch eine weitere ­Reaktion vonnöten, so galt es, einfach stumm Handschellen zu schwenken und empört auf den nächstgelegenen Koalitionär zu zeigen. Schließlich waren FPÖ-Politiker, das war parteiintern durchaus genau untersucht, sowieso immer dann am überzeugendsten, wenn sie nicht sprachen. Die vielen Handschellen hatte Susanne Winter irgendwo günstig aufgetrieben. Wobei ja der HC zuerst einen ordentlichen Schreck gekriegt hatte, wie bei ihm welche auf dem Schreibtisch gelegen sind. Er hatte kurz gedacht, diese eine verrückte Nacht in Ibiza, in der Satin-Bettwäsche und ein Superman-Tanga tragende Rollen spielten, hole ihn irgendwie ein. Manchmal war es ja fast rührend mit ihm.

Mit diesem ausgeklügelten Rezept waren sie ohnehin schon ziemlich gut unterwegs gewesen, aber jetzt das auch noch: blutige Tränen! Der Tote, der sich nicht mehr wehren kann und an dem sich alle abputzen! Sein Schmerz über diesen Rufmord ist so gewaltig, dass er sogar aus dem Jenseits herüberweint! So ein Schuss Lourdes war Goldes Wert. Es war schließlich kein Butterbrot, eine Partei aus ­einer Bank verschwinden zu lassen, wenn die Bank eigentlich nur aus der Partei bestanden hatte. Darum war ja der Auftrag, die Hypo und die FPÖ von einem es im Stundenhotel schwitzend für Geld treibenden Paar zu entfernten Bekannten zu machen, die sich allenfalls im Salon ­einer gemeinsamen Freundin ab und zu zufällig bei einem Tässchen Tee getroffen hatten, auch Kickl zugefallen.
Bei der zweiten Nachricht aus Kärnten war er sich allerdings nicht wirklich sicher, was er von ihr halten sollte. Diese Lachnummer Gerald Grosz hatte es irgendwie geschafft, die Tochter Jörg Haiders auf seine EU-Liste zu bekommen. Sie hatte einen Namen wie eine mexikanische Großgrundbesitzerin in einem Film mit Antonio Banderas und wollte auch den Namen ihres Vaters reinwaschen. Im Parlament in Brüssel. Das war zwar sehr löblich für eine gute Tochter, aber beim Grosz? Und in Brüssel? Dort warteten sie sicher schon ganz besonders stark darauf.

Von dieser Fußnote der Geschichte konnte er sich aber ohnehin nicht weiter ablenken lassen. Es galt, keine Fehler zu machen. Nichts dem Zufall zu überlassen. Alle Spuren zu tilgen. Am Ende hatte in der Partei nicht nur niemals nicht niemand nichts mit der Hypo zu tun gehabt, sondern vielmehr hatte eigentlich immer schon alleine die Ansicht des Hypo-Logos bei ihnen allen Hautreizungen zur Folge gehabt, deren Ursprung man sich natürlich erst jetzt erklären könne. Es gab keine Kontoverbindung mehr, keine Aktennotiz, keinen Vorstandsbeschluss, gar nichts. Auf nichts hatte er vergessen. Selbst die Tier-Patenschaft, die Herbert Haupt einst in Schönbrunn übernommen hatte und über die unvorsichtigere Gemüter vielleicht hinweggesehen hätten, war rückwirkend aus den Akten getilgt worden. Zufrieden strich Kickl den Posten „Hippo Herbert“ von seiner Liste.
Wenn das nicht sein Meisterstück war, was dann? Eine Partei, die den größten Finanzskandal in der Geschichte des Landes verursacht hatte – und die genau wegen dieses Skandals jetzt in den Umfragen vorne lag. Das sollte ihm erst einmal jemand nachmachen. Wenn man so etwas geschafft hatte, dann würde man es auch hinbringen, einen HC Strache zum Bundeskanzler zu schminken.

Aber bis dahin dauerte es möglicherweise noch fünf Jahre. Was sollte Herbert bis dahin tun? Sollte er sich jetzt, mit dem Wissen, wie leicht man etwas verschwinden lassen konnte, etwas anderes vornehmen? Die Verbindungen der FPÖ ins rechtsextreme Lager, zum Beispiel. Oder sollte er die nächste Breitseite gegen die Regierung abfeuern? Oder sie einfach machen lassen?

Kickl überlegte nur kurz. Dann griff er zu einem Sudoku. Extra schwierig.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort