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Rainer Nikowitz: Barcelona gegen Stripfing

Wie so oft in den letzten Jahren liefert die EU auch jetzt bei der Corona-Impfung wieder eine brillante Performance ab. Ein schriftlicher Applaus.

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Das Match war natürlich von vornherein unfair, die anderen hatten nie auch nur den Funken einer Chance. Wie denn auch? Die Amerikaner unter dem Trottel Trump? Die Briten unter dem Scharlatan Johnson? Oder gar das noch dazu winzige Israel unter dem Korruptionisten Netanyahu? Lachhaft!

Darum grenzt es ja auch an ein Wunder, dass es all diese Quasi-Failed-States geschafft haben, jetzt schon Impfquoten zu haben, von denen die Europäische Union offenbar noch in ein paar Monaten träumen wird. Mehr Glück als Verstand, diese Dilettanten, echt jetzt.

Wir hingegen? Der alte Kontinent? Gereift in jeder nur erdenklichen Hinsicht? Vereint und stark, wie wir eben nun einmal sind? Wir haben natürlich in den Verhandlungen alles an Human Firepower, geballtem Know- how und auch ebenso cleverem wie toughem Verhandeln aufgeboten, was uns zur Verfügung steht: die EU-Gesundheitskommissarin! Aus Zypern! Nimm das, Big Pharma!

Die Dame, die dafür gesorgt hat, dass der Rest der Welt wie zum Beispiel auch Serbien (Impfquote derzeit mehr als doppelt so hoch wie in der EU) oder die Seychellen (zehn Mal so hoch!) neidisch nach Europa blicken kann, heißt Stella Kyriakides. Sie saß lange Jahre in einem Parlament, das folgenschwere Entscheidungen für ein Land, das um 1000 Quadratkilometer kleiner ist als Salzburg, zu treffen hatte. So musste sie sich sicherlich endlos den Kopf darüber zerbrechen, wie man denn die Olivenölexportquote steigern könnte. Oder aber auch darüber, wie viel Kohle man jetzt genau von russischen Oligarchen verlangt, wenn man ihnen einen EU-Pass verkauft, den sie für die Vermeidung unbotmäßiger Probleme bei der Schwarzgeldveranlagung nun einmal brauchen.

Aber dann, mit doch schon über 60 war es für Frau Kyriakides an der Zeit für einen letzten Tapetenwechsel, inklusive schöner Gehalts- und Pensionsaufbesserung, schließlich hat man sich um die entsendende zypriotische Regierungspartei ja verdient gemacht. Da ist es natürlich recht praktisch, dass die Mitgliedstaaten die EU-Institutionen gerne als Endlager für Politiker sehen, die man zu Hause nicht mehr so recht brauchen kann. Und nachdem es für einen Posten in der Kommission nur zwei Kriterien gibt, nämlich Nationalität und Geschlecht – gottlob nicht Qualifikation, diese düsteren Zeiten sind zum Glück langsam nicht nur dort endgültig überwunden; und reine Identitätspolitik bedeutet ja fraglos überall einen riesigen zivilisatorischen Fortschritt –, hieß es für die in geschäftlichen Dingen sicherlich recht simpel gestrickten Manager von AstraZeneca: Warm anziehen! Schließlich haben die bloß mickrige 70.000 Mitarbeiter – während Frau Kyriakides auf lange Erfahrung mit mehr als 800.000 Zyprioten verweisen kann! Sie sehen: Es war von Anfang an ein Match wie Barcelona gegen Stripfing.

Dass sich da jetzt trotzdem ein paar in der möglicherweise etwas zu flockigen Vertragsausgestaltung fußende, klitzekleine Problemchen auftun, die vielleicht für 450 Millionen Europäer ein bisschen ungesund sein könnten, den Lockdown noch eine kleine Weile ausdehnen und noch ein paar Billionen Fantastilliarden kosten werden – was für ein unglaubliches Pech aber auch!

Und leider muss man auch konstatieren, dass dieses Unglück nur der – vorläufige, man bemüht sich diesbezüglich sicher weiter – Endpunkt einer völlig unerklärlichen Pechsträhne ist. Dass ein ökonomischer Gigant wie Griechenland im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2008 beinahe die ganze EU in den Abgrund gerissen hätte, hatte ja auch nichts damit zu tun, dass man bei den Verträgen zur Einführung des Euro aus lauter Freude darüber, dass einem so etwas Tolles überhaupt eingefallen ist, auf nebensächliche Dinge wie wirtschaftliche Fundamentalgesetze nicht geachtet hätte. Nein! Auch da galt schon das Tiroler Landesmotto: Alles richtig gemacht! Nur Pech. Ebenso bei der Migrationskrise 2015. Von ein paar Kleinigkeiten abgesehen ein rauschender Erfolg. Dass dann auf diesen Kleinigkeiten herumgeritten wurde, na ja. Die Leute sind halt manchmal undankbar auch.

Weiters wird ja wohl auch niemand bestreiten, dass man den bigotten Kryptofaschisten in Polen oder Ungarn, also Figuren, die permanent glauben, die angeblich unverhandelbaren Werte der EU verhöhnen zu können, unmissverständlich klargemacht hat, dass das mit ihnen so nicht weitergeht. Man hat letztes Jahr bei der Überweisung der Fördermilliarden nämlich einfach nicht mehr „Mit freundlichen Grüßen“ dazugeschrieben. Daran kaut der Orbán bis heute.

Und jetzt kann es zwar sein, dass Sie Ihre Impfung gerne ein bisschen früher gehabt hätten. Unter Umständen sogar schon, bevor Sie an Corona sterben. Aber kleine Irritationen wie diese dürfen das Bild nicht trüben. Weil eines steht ja wohl hoffentlich außer Streit – außer bei schiachen Antieuropäern: Gemeinsam sind wir stärker!
Und da gibt es jetzt aber bitte sicher nichts zu lachen.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort