Rainer Nikowitz: Beim Barte des Despoten

Der Retter Europas und Merkels Menschenrechtsanwalt lässt sich zu einem nie geführten Interview in die Niederungen der verkommenen Westpresse herab.

Drucken

Schriftgröße

profil: Vielen Dank, dass Sie zu diesem Interview bereit waren. Ich könnte mir vorstellen, dass Ihre Zeit im Moment ziemlich knapp ist, wo Sie doch vollauf damit beschäftigt sind, die EU zu retten. Erdogan: Ich habe immer ein offenes Ohr für die Presse. Vor allem, wenn es sich um Qualitätsmedien handelt – die also unter meiner weitblickenden Kontrolle stehen.

profil: Ich fürchte aber, das ist bei profil nicht der Fall. Erdogan: Noch nicht!

profil: Bei allem Respekt: Das können Sie zwar leider offensichtlich in der Türkei ungestraft machen – aber doch nicht in der EU! Erdogan: Ich bin zuversichtlich, dass sich die EU auch meinen Wünschen bezüglich einer objektiven europaweiten Berichterstattung über meine unbestreitbare Großartigkeit nicht verschließen wird. Die Verhandlungen zwischen Angöllah und mir sind ja noch im Laufen.

profil: Angöllah? Erdogan: Ja. Angöllah Merkel. Das ist so ein Steckenpferd von mir. Ich gebe allen Frauen, die von mir abhängig sind, schönere Namen. Allah hat uns unseren Harem ja schließlich geschenkt, damit wir ihn nach unseren Vorstellungen formen können.

profil: Und das lässt sich Frau Merkel von Ihnen gefallen? Erdogan: Die lässt sich noch ganz andere Sachen gefallen. Ich brauche nur mit einem offenen Grenzbalken zu winken.

profil: Haben Sie ihr auch schon verboten, sich die Augenbrauen zu zupfen und zu laut zu lachen? Erdogan: Über die Augenbrauen verhandeln wir auch noch. Und zu lachen hat sie in letzter Zeit sowieso nichts.

profil: Jetzt ist die deutsche Bundeskanzlerin zwar unbestritten die mächtigste Politikerin in der EU, aber sie hat im Moment ziemlich viel Gegenwind. Das Abkommen mit Ihnen, das sie offenbar weitgehend im Alleingang ausgehandelt hat, stößt bei vielen anderen Staaten auf Widerstand. Erdogan: Aber warum denn eigentlich?

profil: Ganz ehrlich? Erdogan: Ja. Aber nur dieses eine Mal!

Die Entscheidungsfindung in der EU wäre mit mir wesentlich leichter: Es passiert, was ich will. Oder nichts.

profil: Also gut: Ich fürchte, die Mehrheitsmeinung in Europa ist so ungefähr, dass man die Grenzsicherung der EU nicht unbedingt in die Hände eines vollkommen unberechenbaren islamistischen Halbdiktators mit mittelschwerem Caesaren-Wahn legen sollte, der seinen aus wahltaktischen Gründen losgetretenen Krieg gegen einen Teil der eigenen Bevölkerung als Bekämpfung von Terror verkauft und im Syrien-Konflikt viel eher Teil des Problems als Teil der Lösung ist. Und dass man diesen zum Himmel stinkenden Deal dann auch noch als moralisch einwandfreie gesamteuropäische Antwort auf die Flüchtlingskrise verkaufen will. Erdogan: In der Türkei wäre das jetzt deine letzte Ehrlichkeit für die nächsten zehn Jahre gewesen, du Wurm! Oder nein, in Kenntnis unserer fortschrittlichen Gefängnisverwaltungen: für immer.

profil: Außerdem will in Wirklichkeit kein Land ernsthaft den Visumzwang für Türken aufheben. Und schon gar nicht, dass die Türkei tatsächlich EU-Mitglied wird. Erdogan: Das ist sehr bedauerlich. Dabei wäre zum Beispiel die Entscheidungsfindung auf den Gipfeln dann wesentlich einfacher.

profil: Aber die Verhandlungen sind doch schon mit 28 Mitgliedern meistens enorm mühsam. Wie sollen sie leichter werden, wenn die Türkei auch noch dabei ist? Erdogan: Das ist doch wohl klar. Es passiert dann, was ich will. Oder – nichts.

profil: Das klingt nach einer goldenen europäischen Zukunft. Erdogan: Ihr werdet euch schon daran gewöhnen. Irgendwer muss schließlich die Führung übernehmen. Und wer, wenn nicht ich?

profil: Ein weiteres Problem beim Merkel-Erdogan-Plan ist, dass die EU-weite Verteilung von Flüchtlingen schon jetzt nicht funktioniert. Wieso sollte sie auf einmal klappen, wenn es den Deal dann gibt? Erdogan: Angöllah wird das schon lösen. Dann soll sie eben die sechs Milliarden für die erste, kleine Rate meiner Gutwilligkeitsgebühr bei den Unwilligen einsparen. Und wenn nicht, na, dann verteile eben weiterhin ich alleine. Nach Griechenland, Bulgarien, übers Schwarze Meer nach Rumänien … Da werden mir die Ideen schon nicht ausgehen.

profil: Ich denke, bezüglich Ihres Ideenreichtums bestehen in der EU keine allzu großen Zweifel. Erdogan: Na also. Das ist ja schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Man sollte den strahlenden Führer einer Nation, die immerhin Amerika und die Kernfusion entdeckt hat, niemals unterschätzen.

profil: Das mit Amerika hab ich schon gehört – aber die Kernfusion? Erdogan: Ja. Ich persönlich. Wird morgen in allen Zeitungen stehen.

profil: Aber nur in den türkischen. Erdogan: Wie gesagt: Noch!

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort