Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Bestechend

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profil: Herr Schüssel …
Schüssel: Nanana, Moment einmal! So fang ma gar net erst an! Von einem im Gegensatz zu mir bestenfalls halbgebildeten Journalisten dulde ich sicher keine plumpen Vertraulichkeiten. Also: Altbundeskanzler, wenn ich bitten darf!

profil: Wenn Sie darauf bestehen. Aber wäre es nicht langsam günstiger, Sie würden Ihre diesbezügliche Vergangenheit möglichst in Vergessenheit geraten lassen?
Schüssel: Ja, sind Sie denn vollkommen verrückt geworden? Ich soll mein Lebenswerk, dessen wahre Tragweite erst die Geschichte erfassen wird, verleugnen?

profil: Offenbar erfasst die Geschichte diese Tragweite ja gerade. Und Sie erscheinen dabei, salopp gesagt, zunehmend als Chef der korruptesten Regierung der Geschichte.
Schüssel: Also, das ist ja … Eine ganz üble Campaign ist das, jawohl!

profil: Jö! Schon wieder eine!
Schüssel: Ich werde zu einem nationalen Schulterschluss aufrufen, und dann werden Sie aber schön schauen!

profil: Ich hab schon damals beim ersten schön geschaut.
Schüssel: Seien Sie bloß vorsichtig mit Ihren Anschuldigungen, Freund der Blasmusik! Korrupteste Regierung der Geschichte … Frechheit! Was ist mit Mubarak? Oder den ganzen Caudillos in Südamerika? Nero? Ein Mindestmaß an Recherche wird man doch wohl verlangen dürfen!

profil: Sie verlangen mehr Recherche über Ihre Regierungszeit? Echt jetzt?
Schüssel: Äh … Nun ja. Gut. Da haben Sie vielleicht sogar Recht. Manchmal findet eben auch ein blindes Huhn ein Korn.

profil: Nach Buwog und Telekom sind wir jetzt also bei den Eurofightern gelandet. Offenbar haben auch da ganz viele sicher total honorige Persönlichkeiten kräftig mitverdient. Sie auch?
Schüssel: Ich muss doch sehr bitten!

profil: Aber gewusst werden Sie es doch wohl haben.
Schüssel: Nein! Das wäre ja auch kriminell.

profil: Und was ist es dann, als der brillante Regierungschef, der Sie zumindest in Ihrer Eigenwahrnehmung waren, nicht zu bemerken, dass man in Wirklichkeit der Filialleiter von einem Selbstbedienungsladen ist? Schlicht und ergreifend deppert?
Schüssel: Sie wollen mich beleidigen? Sie? Mich? Dazu kann ich nur sagen: Was kümmert es die Eiche, wenn sich die Säue an ihr reiben …

profil: Das ist zwar ein wirklich schönes Bild, aber eigentlich hätte ich es jetzt lieber doch nicht im Kopf.
Schüssel: Sie sehen das erwartungsgemäß völlig falsch. Dass an den Eurofightern viele Leute mitverdienen, war doch von Anfang an völlig klar.

profil: Eh. Nur beweisen konnte man es bisher nicht.
Schüssel: Das meine ich nicht! Die tollen Gegengeschäfte! Haben Sie die schon vergessen?

profil: Ach ja, natürlich. Durch die vielen Gegengeschäfte im Wert von Milliarden und Abermilliarden war es ja damals so, dass Österreich die Eurofighter praktisch geschenkt bekommen hat.
Schüssel: Genau! Und noch einen schönen Bonus obendrauf.

profil: Ein Triumph Ihrer gewieften Verhandlungsführung!
Schüssel: Und das Beste ist: Nicht wenige haben mir das damals tatsächlich abgekauft.

profil: Und dass dieser Bonus unter jenen, die ihn erwirtschaftet hatten, verteilt wurde, war nur recht und billig.
Schüssel: Leistung muss sich lohnen. Dazu stehe ich.

profil: Sie haben ja, wie aus der Telefonüberwachung von Karl-Heinz Grasser hervorgegangen ist, Ihren ehemaligen Liebling angerufen und ihm Mut zugesprochen. Haben Sie jetzt zum Beispiel Hubert Gorbach auch schon angerufen?
Schüssel: Und was sollte ich dem bitte sagen?

profil: Na ja … Was Nettes halt. „Don’t make you worries!“ Etwas in der Art.
Schüssel: Ich hatte mit dem Vizekanzler ein korrektes Arbeitsverhältnis, aber sicher keine Liebesbeziehung.

profil: Und mit dem Grasser schon?
Schüssel: Schauen Sie: Der Karl-Heinz war einfach immer schon ein aalglatter Unsympathler, der die Wähler nur als nützliche Idioten gesehen hat.

profil: Äh … Ja?
Schüssel: Ist es da ein Wunder, dass wir uns so gut verstanden haben?

profil: Nein. Es ist zutiefst … menschlich.
Schüssel: Sehen Sie. Und dabei ist mir immer vorgeworfen worden, ich sei zu wenig menschlich. Das kränkt mich bis heute.

profil: Das verstehe ich. Die Leute sind ja so undankbar. Und nicht nur das: Sie wollen dann sogar noch Ermittlungen und Untersuchungsausschüsse – wegen solcher Kleinigkeiten.
Schüssel: Ich wusste immer schon, dass dieses Land mich nicht verdient hat.

profil: Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu, Herr Altbundeskanzler.
Schüssel: Bemerkenswert … Und Sie sind sicher, dass Sie nur ein Journalist sind?

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