Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Bewegte Zeiten

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An sich sollte ja langsam die turnusmäßige Saure-Gurken-Zeit anbrechen, allein: Heuer scheint sie auszufallen. Vielmehr verhält es sich sogar so, dass dieses Jahr die Grundsatzdebatten, bei denen es wirklich ans Eingemachte geht, nur darauf gewartet haben, dass es endlich 30 Grad hat, damit sie losbrechen können.

So ist etwa der Hymnen-Krimi um Andreas Gabalier noch keineswegs ausgestanden – und erfährt schon eine Fortsetzung auf internationaler Ebene. Stein des Anstoßes diesmal: die Europa-Hymne. In der ersten Sitzung des neu gewählten EU-Parlaments in Straßburg blieben die Abgeordneten der diversen rechten Parteien demonstrativ ­sitzen, als die „Ode an die Freude“ intoniert wurde. Manche drehten sich überhaupt um, bis dieses sattsam bekannte linkslinke Machwerk endlich wieder verklungen war. Wenn die Rechten schon keine Fraktion zusammengebracht haben, weil es halt schwierig ist, wenn Nationalisten feststellen müssen, dass der jeweils andere Nationalist leider ein besonders ausländischer Ausländer ist, so konnten sie doch ­wenigstens diesmal beweisen, wozu sie gut sind, wenn sie an einem Strang ziehen.

Auch Harald Vilimsky, unser neuer strahlender Stern auf der Europafahne, blieb sitzen. Als Grund hiefür gab ­Vilimsky in seiner unverwechselbaren Art zu Protokoll, dass er nur für österreichische Hymnen aufstehe. Weiters führte er aus, dass er zwar persönlich nichts gegen Richard Wagner habe, denn immerhin sei der Komponist der Ode ein vollkommen untadeliger Deutscher gewesen, der sich von einem leicht entrückten Märchenkönig aushalten habe lassen – und das erinnere ihn doch sehr stark an seinen Einstieg in die Politik unter Jörg Haider. Angesichts des empörenden Textes von Johann Wolfgang von Schilder würde dem armen Wagner aber in Walhalla sicherlich das Met aus dem Gesicht fallen, würde doch schon in der zweiten Zeile eine Tochter aus einem gewissen Elysium besungen. Somit sei gleich ein doppelter Tatbestand erfüllt, welcher der außer in Internetforen viel zu oft schweigenden Mehrheit der Anständigen die Zornesbläue ins Gesicht ­treiben müsse: Genderwahn und migrantische Zwangsbeglückung! Vilimsky, abschließend: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“

Ein Abgeordneter der Lega Nord erschien zu dieser konstituierenden Sitzung übrigens in einer Burka, was diesfalls zwar durchaus als Akt der Rücksichtnahme gegenüber dem Rest der Welt verstanden werden muss, andererseits aber die Frage aufwirft, ob seine nahezu grenzenlose Höflichkeit das alleinige Motiv für seinen Auftritt war. Ein Zusammenhang mit dem jüngsten Erkenntnis des ebenfalls in Straßburg ansässigen Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in dem dieser das französische Burka-Verbot für rechtens erklärte, ist durchaus möglich. Mit diesem Erkenntnis wagte sich das Gericht ­übrigens noch weiter vor als der oberste islamische Gelehrte in Nord-Waziristan, der jüngst in einer Fatwa ein temporäres Abgehen von dem an sich dort herrschenden Burka-Zwang für zulässig erklärt hatte: Man solle vor Steinigungen zumindest kurz hineinschauen, denn diese dauernden Verwechslungen seien doch ziemlich ärgerlich – kosteten sie den zerstreuten Ehrenmörder doch unter Umständen strafweise seine beste Ziege.

Im Falle des Lega-Nord-Abgeordneten erscheint denkbar, dass gerade ein von freiheitlichem Gedankengut beseelter Politiker mit dieser Aktion zum Ausdruck bringen wollte, dass er sich seine bevorzugte Kleidung von nichts und niemandem verbieten lasse, schon gar nicht von einem Gericht, das kein Volksgerichtshof ist und sohin von ­gesundem Empfinden so weit weg wie die ÖVP von der 30-Prozent-Marke. Der grüne Bundesrat Efghani Dönmez forderte jedenfalls empört, man möge dem vermummtem Mann das Kindergeld streichen – eine Wortmeldung, die Eva Glawischnig umgehend als verzichtbare Einzelmeinung bezeichnete. Sie sei prinzipiell gegen ein Burkaverbot, wiewohl sie einräume, dass man bei Männern, die sich weigern, die Töchterzeile in welcher Hymne auch immer zu singen, schon einmal über eine Ausnahme nachdenken könne. Ob sich der Lega-Nord-Abgeordnete angesichts der Tochter aus Elysium umdrehte, ist allerdings nicht gesichert, da die Frage, wo bei einer Burka vorne und hinten ist, ohne Untersuchungsausschuss kaum zu beantworten ist.

Die bereits bei der geplatzten Fraktionsbildung zutage getretenen Auffassungsunterschiede zwischen den Rechtsparteien zeigten sich leider auch in dieser Frage nur allzu deutlich, da die FPÖ ankündigte, sie werde im österreichischen Parlament ebenfalls ein Burkaverbot beantragen. Diese wichtige Initiative kommt auch keine Sekunde zu spät, man muss hier tatsächlich rechtzeitig eingreifen, bevor die Zahl der Burkaträgerinnen hierzulande durch schrankenlosen Zuzug um 50 Prozent steigt und dann schon drei das Land unsicher machen. Und Gnade uns Gott, der Lega-Nord-Abgeordnete möchte vielleicht auch noch Urlaub in Österreich machen! Dagegen hilft dann wohl nur mehr eine wohlplatzierte Hymne.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort