Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Bobo-Balgen

Neues Jahr, neues Glück für die SPÖ. Oder zumindest: neues Glücksgefühl. Aber … warum noch einmal genau?

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Sogar der sonst eher nicht für gröbere öffentliche Enthusiasmierungstendenzen bekannte Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser war nachgerade aus dem Häuschen. Er habe sich bei der Neujahrsklausur des roten Präsidiums, bei der der nächste unwiderstehliche Fünfjahresplan zur Wiedererringung der Kanzlerschaft ausgearbeitet wurde, „von Stunde zu Stunde besser gefühlt“. Und dies nicht etwa nur, weil er „bei minus drei Grad in Klagenfurt gestartet und bei plus zwölf Grad in Krems gelandet“ sei, nein. Sondern weil er gemerkt habe, „dass die inhaltliche Ausgestaltung mehr zu greifen beginnt“. 

Das ist Grund zur Freude, fürwahr. Man könnte daraus zwar schließen, dass es mit der inhaltlichen Ausgestaltung bisher noch nicht so weit her war, wenn sie jetzt auf einmal offenbar eher unvermutet zu greifen beginnt – aber wer würde sich mit so einem Gedanken lang aufhalten, auch und vor allem im Lichte hervorragender, ja geradezu himmelsstürmender roter Umfragewerte. Die SPÖ liegt nach der Implosion der türkisen Luftburg bei horrenden 26 bis 27 Prozent, gleichauf mit oder in manchen Umfragen sogar knapp vor der ÖVP. Und in der Kanzlerfrage steht Pamela Rendi-Wagner schon bei 14 Prozent Zustimmung – und damit um sensationelle drei Prozentpunkte vor Wurmloch Herbert Kickl. Das bedeutet einen beeindruckenden zweiten Platz, während es für den schwarzen Konkursmasseverwalter Karl Nehammer mit mickrigen 19 Prozent nur zum fünftletzten reicht. 

Ein weiterer Grund für das Jänner-Hoch, in dem sich die SPÖ selbst sieht, ist der Blick über die Grenze nach Deutschland. Eine rot-grün-pinke Ampel ginge sich zwar im Moment in Österreich nicht aus, aber was die Kanzlerschaft betrifft, geht die Hoffnung wohl in diese Richtung: Wenn es ein charisma-abholdes Neutrum wie Olaf Scholz schafft, dann schafft es möglicherweise sogar ein Authentizitätswunder wie Pamela Rendi-Wagner. Schade nur, dass es nach menschlichem Ermessen nicht gelingen wird, die 
beiden besten Argumente, die bei der Wahl für Scholz sprachen, nach Österreich zu importieren. Annalena Baerbock und Armin Laschet wurden zwar angefragt, wollen aber beide nicht. 

Leider fehlte beim roten Hochamt in Krems aber wieder einer. Schilfbürger Hans Peter Doskozil entschied sich diesmal zwischen seinen Paraderollen als nach Wien hinaufkeifender Terrier oder gekränkter Unverstandener wieder einmal für Letztere und ließ aus der Ferne nur die erstaunlich sinnbefreite Forderung vom Stapel, die SPÖ müsse auch gegen Amtsinhaber Alexander Van der Bellen einen Bundespräsidentschaftskandidaten ins Rennen schicken. Ihn selbst aber nicht, die vorprogrammierte krachende Niederlage samt anschließender Beendigung der politischen Karriere soll natürlich lieber jemand anderer einstecken.  

Selbstverständlich war der Abwesende aber Thema. Rendi-Wagner richtete ihm später im „ZIB 2“-Interview aus, er sei unsolidarisch. Na ja, eh. Es ist allerdings auch nicht ganz leicht, demonstrative Solidarität mit jener Frau an den Tag zu legen, deren Job man dringend haben möchte. Und von dem man mittlerweile mit einiger Sicherheit weiß, dass man ihn nicht kriegen wird. Und zwar natürlich nicht, weil Pamela Rendi-Wagner es so will. Sondern weil Doskozil längst auch Michael Ludwig auf den Geist geht. Dem ist es eben nicht wurscht, wer unter ihm Parteichef ist. Das ist alles verständlich, Doskozil hat sich innerparteilich mit seinem gar forschen Zug zum Tor selbst ins Out gestellt. Das Blöde für die SPÖ ist nur: In Wirklichkeit hat er recht. 

Wenn die Roten gewinnen wollen, müssen sie ihn aufstellen. Besser noch gleich Michael Ludwig, aber der will ja nicht. Aber jedenfalls: nicht Rendi-Wagner. Doskozil würde versuchen, jene Wähler, die einst rot wählten, dann zur FPÖ abwanderten, von der sie  wiederum Sebastian Kurz klaute, zumindest zum Teil zurückzuholen. Für die ist Rendi-Wagner kein Angebot, like it or not. Obwohl die Chancen im Moment alles andere als schlecht stünden, mit einer am Boden liegenden ÖVP und einer unter Kickl endgültig in hirnverbrannten Obskurantismus abgeglittenen FPÖ. Doskozil würde sich am Vorbild der erfolgreichen dänischen Sozialdemokraten orientieren, mit eindeutig linker Sozialpolitik und eher nicht so linker Sicherheits- und vor allem Migrationspolitik. Mittlerweile antwortet zwar auch Rendi-Wagner auf die Frage, wie sie Letztere denn sehe, mit dem Stehsatz: „2015 darf sich nicht wiederholen!“ Das heißt im Kern eigentlich … äh, nichts, aber schon danach wirkt sie immer, als wolle sie sich dringend selbst den Mund mit Seife auswaschen. 

Selbst Michael Ludwig, heute völlig unumstritten, hat damals die Kampfabstimmung um den Wiener Chefsessel gegen Andreas Schieder als Kandidat der „Flächenbezirke“ gewonnen. Über die man innerhalb des Gürtels, also in jener Fraktion, aus der Rendi-Wagner kommt, gerne wegen rechten Abweichlertums die Nase rümpft. Es gibt aber kaum Zweifel, wer mehrheitsfähiger ist. Sich wieder einmal nur mit den Grünen um die Bobos zu balgen, wird ebenso wieder einmal nicht reichen. 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort