Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Der Demokrator

Der Demokrator

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profil: Herr Dichand …
Dichand: Moment einmal: Wer sind Sie, und was machen Sie hier?
profil: Nun, ich dachte eigentlich an ein Interview.
Dichand: Ah. Sie wollen ein Journalist sein?
profil: Und Sie?
Dichand: Journalisten fangen bei mir eigentlich immer zuerst mit dem Leserbriefschreiben an.
profil: Kanzlerkandidaten ja an sich auch. Hat Josef Pröll schon geschrieben?
Dichand: Jetzt, wo Sie’s sagen: nein! Jetzt ist es schon zwei Tag her, dass ich ihm meine Gunst in Aussicht gestellt hab, und der rührt keinen Finger! Das ist ja ein Skandal! Ich werd besser doch diesen Stacherl zum Bundeskanzler ernennen.
profil: Sie meinen nicht vielleicht den Strache?
Dichand: Ist das der mit Augen wie ein Bergsee im Odenwald, der sagt, die EU ist dings und die Ausländer bums?
profil: Manchmal auch umgekehrt.
Dichand: Gut, den nehm ich. Setzen S’ gleich die Ernennungsurkunde auf.
profil: Es tut mir leid, aber ich arbeite nicht für Sie.
Dichand: Ah! Sie sind das also!

profil: Lassen Sie uns noch einmal kurz an den Anfang zurückkehren.
Dichand: Gut. Also, es war 1938, da
hat …
profil: Vielleicht doch nicht ganz so weit. Wieso haben Sie Werner Faymann plötzlich Ihre Gunst entzogen?
Dichand: Ist das der, der ausschaut wie Wolfgang Fellner vor zehn Jahren?
profil: Na ja …
Dichand: Eben. Und da fragen Sie noch?
profil: Kann es auch damit zu tun haben, dass Faymann Fellners Zeitung „Österreich“ so viele Inserate zukommen lässt?
Dichand: Glauben Sie wirklich, ich bin so machtbesessen, geldgierig und kleinkariert, einen Bundeskanzler nach so einem Kriterium auszuwählen?
profil: Ist der Papst katholisch?
Dichand: Keine Ahnung. Den hab ich nicht ernannt. Aber jetzt, wo Sie das ansprechen: Warum hab ich das eigentlich nicht?
profil: Ist mir auch unerklärlich. Kaum dreht man sich einmal um, schon glauben diese Kardinäle, Sie können tun und lassen, was Sie wollen.
Dichand: Ich spüre, wie in meiner Leserschaft ein gewaltiger Wunsch nach einem Kirchenbeitragsboykott heranreift.

profil: Bleiben wir noch kurz bei Faymann …
Dichand: Bei wem?
profil: Dem Bundeskanzler.
Dichand: Das ist doch jetzt der Stacherl.
profil: Noch nicht. Und eigentlich wollten Sie ja gestern noch den Pröll.
Dichand: Sehen Sie, deshalb wenden sich immer mehr meiner Leser von der Politik ab. Es ist alles so undurchschaubar geworden.
profil: Dass innerhalb der SPÖ die Forderung nach einer Vermögensteuer laut wurde, hat Faymann bei Ihnen wohl auch nicht genützt, oder?
Dichand: Pfui! So ein vulgäres Wort. Man sollte Ihnen den Mund mit Seife auswaschen!
profil: Diesbezüglich ist die ÖVP ja auf Ihrer Linie. Aber was macht Sie glauben, dass die ÖVP auf Ihren Anti-EU-Kurs einschwenken wird?
Dichand: Was ist denn das wieder für eine komische Frage? Weil ich’s sag halt.
profil: Ach so. Natürlich.

Dichand: Was machen Sie noch mal hier?
profil: Ein Interview.
Dichand: Ah. Mit wem?
profil: Was hat eigentlich Heinz Fischer angestellt, dass er Ihrer Ansicht nach durch Erwin Pröll ersetzt werden sollte?
Dichand: Sind wir aus der EU ausgetreten?
profil: Nein.
Dichand: Haben wir irgendwem den Krieg erklärt?
profil: Auch nicht.
Dichand: Was muss sich ein Präsident Ihrer Meinung nach noch alles zuschulden kommen lassen, um abgesetzt zu werden?
profil: Abgewählt.
Dichand: Gut beobachtet – noch so ein schwerer politischer Fehler! Sie scheinen ja gar nicht so untalentiert zu sein. Wollen Sie nicht doch für mich arbeiten?
profil: Nein.
Dichand: Wunderbar! Ich wusste, wir werden uns einig! Also, Ihre erste Aufgabe ist: Schreiben Sie mir eine Geschichte zum Thema: „Auch Tiere würden Stacherl wählen“.
profil: Das könnte zwar tatsächlich stimmen. Aber meinen Sie nicht eher Pröll?
Dichand: Wer ist jetzt das wieder?

profil: Wenn Sie 20 oder 30 Jahre jünger wären – würden Sie dann eine Partei gründen? Wie Kollege Medien­magnat Silvio Berlusconi?
Dichand: Wie Berlusconi? Sie meinen also, wie ein durchgedrehter Pfau, der Partys mit halbnackten Frauen schmeißt, die seine Enkelinnen sein könnten, der Gesetze in erster Linie für sich selber macht und überhaupt den Staat als sein Eigentum betrachtet?
profil: Also nein.
Dichand: Sind Sie verrückt? Selbstverständlich!
profil: Wo sehen Sie sich eigentlich an Ihrem 100. Geburtstag?
Dichand: Das wird ein ganz normaler Arbeitstag. Ich gehe ins Büro, schreibe mir vier, fünf Leserbriefe, in denen ich mir zum Geburtstag und meinem unverzichtbaren Beitrag zur politischen Kultur dieses Landes gratuliere, und dann gehe ich vielleicht mit dem Stacherl essen.
profil: Pröll!!!
Dichand: Na gut. Von mir aus kann der auch mitgehen.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort