Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Der Spion, der mich kippte

Der Spion, der mich kippte

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Was, bitte, was erwarten die alle denn überhaupt von mir? Bin ich ein Nobelpreisträger? Oder vielleicht Barack Obama? Habe ich Matura?
Nein, nein und noch einmal nein. Aber ich bin ein Abgeordneter mit einem gesunden Hausverstand und als solcher – noch dazu ausgestattet mit dem Vertrauensbeweis von 723 Vorzugsstimmen, die hauptsächlich aus meinem Heimatbezirk Grieskirchen-Umgebung gekommen sind, aber auch zu 6,4 Prozent aus Schärding-Land, wo man sehr wohl ein Gespür dafür hat, was mir der österreichische Parlamentarismus verdankt –, und als solcher sage ich Ihnen jedenfalls: Wenn der ein Spion war, bin ich der Brad Pitt. Und wenn Sie sich jetzt immer noch nicht sicher sind, fragen Sie meine Frau.

Ich weiß schon, dass das mit dem James Bond ein ausgemachter Blödsinn von denen in Hollywood drüben ist. Schau ich so aus, als würde ich an schießende Philodendren glauben? Oder Minikameras in Brustwarzenpiercings? Also bitte. Ich bin ja nicht blöd. Aber der Typ fuhr einen Dreier-Golf. Wo will er in der Karosserie die Schläuche für den Luftkissenboot-Modus unterbringen? Und wie soll dieses Pimperl-Fahrgestell den Abschuss einer Boden-Luft-Rakete aushalten, hä? Das erklärt mir natürlich keiner von den ganzen Klugscheißern, die mir jetzt damit kommen, dass mir an dem Ruslan was auffallen hätte müssen.
Ja, er ist Kasache – na und? Andere Leute gehen auch mit Kasachen abendessen. Fragen Sie nur einmal herum in ­Ihrem Bekanntenkreis, und Sie werden feststellen: überall Kasachen. Kein Wunder, dass das so dünn besiedelt ist – die sind alle hier!

Und das Nächste, was mich furchtbar aufregt an dieser Schmutzkübelkampagne, an der sich leider wieder einmal auch die gleichgeschalteten Medien beteiligen, auch Ihres, und ich sage Ihnen ganz offen – meine 723 Vorzugsstimmen-Wähler werden es sicher nicht für richtig finden, dass ihr sauer verdientes Steuergeld für eine Presseförderung rausgeschmissen wird, wo dann so was herauskommt, darüber sollte man vielleicht auch einmal nachdenken –, was mich also eminent aufregt, ist das: Seit wann bitte steht Kaviar in Österreich auf der Liste der verbotenen Substanzen? Ist er vom Aussterben bedroht, hab ich da irgendwas nicht mitbekommen? Nein? Warum also darf mir mein Freund, der halt zufällig Kasache ist und zufällig eine ganze Kiste von seinem Schwager, einem Bio-Kaviarbauern, bekommen hat, warum darf mir der nicht 20 Dosen schenken? Bitte, wenn er eine Gegenleistung gekriegt hätte … Also meinetwegen auch für das gute Wort, das er für mich bei der Jadranka und der Ludmilla eingelegt hat … Wie? Die Jadranka und die Lud …? Cousinen. Vom Ruslan, na sicher. Liebe Mädchen … Ja, also, wenn der Ruslan zum Beispiel was von mir wissen hätte wollen. Aber von mir will ja nicht einmal meine Frau was wissen!

Kleiner Scherz. Den mach ich dieses Jahr bei jedem Zeltfest. Ist immer ein Brüller, sag ich Ihnen. Nein, der wollte nichts wissen. Erzähl mir bloß nix von diesem ständigen Unterausschuss des Landesverteidigungsausschusses, hat er immer gesagt, wenn ich nach dem Pokern ein bissl ins Reden gekommen bin. Das hört sich schon jetzt so aufregend an wie das Telefonbuch von Almaty, hat er gesagt. Aber ich natürlich, schnickschnack, immer am Häkeln, gell, ich hab fest weitergemacht und hab ihm die uröden Gschichtln reingedrückt. Und der Ruslan hat immer zum Schnarchen angefangen, es war so eine Hetz …

Wie? Poker, ja. Seven Card Stud. Das ist mein Spiel, sag ich Ihnen. Letztens hab ich mich da im Internet auf so einer Plattform …, da bin ich dings geworden, Rookie of the Week. Wissen Sie, woran das liegt? Ich hab mir halt noch nie gern in die Karten schauen lassen, ha! Das ist halt so ein Talent, das hat man, oder man hat es nicht. Bitte, der Ruslan, der war aber beim Pokern auch nicht von schlechten Eltern. Was der immer für ein Glück mit den Karten hat! Wenn ich es nicht besser wüsste, tät ich fast glauben, er hätte mich irgendwie gelinkt oder was. Ha? Nein, nein, es ist eh nie um was gegangen. Ich hab kein Geld verloren.

Nur meinen Parlamentsausweis. Aber das war mir ja wurscht, weil ich hab einfach gesagt, er ist mir ins Klo gefallen, und hab einen Tag später einen neuen gehabt. Wozu der Ruslan den braucht? Fragen Sie mich was Leichteres. Er hat immer alles Mögliche gesammelt. Andenken an Österreich halt. Weil es ihm doch so gut gefallen hat bei uns und er ja gewusst hat, dass er irgendwann wieder zurückmuss …

Jetzt ist es halt ein bissl sehr schnell gegangen. Ich hätte mir eigentlich schon gedacht, dass er sich wenigstens noch verabschiedet. Aber so ist eben das Diplomatengeschäft. Da geht es manchmal ruck, zuck. Heute Hongkong, morgen Kinshasa. Und ich? Na ja. Grieskirchen-Umgebung. Aber ich sag Ihnen eins: Mein Rücktritt hat nichts mit einem Schuldeingeständnis zu tun. Sowie sich diese haltlosen Vorwürfe gegen mich in Wohlgefallen aufgelöst haben, bin ich wieder da. Denn eines ist klar: Der ständige Unterausschuss braucht Leute wie mich.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort