Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Die Kampfmaschine

Die Kampfmaschine

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Norbert war heute so kriegerisch zumute. Natürlich wusste er, gerade er, dass Gewalt nie die Lösung sein konnte. Aber das konnte andererseits ja nun auch nicht bedeuten, dass er immer nur die andere Wange hinhielt.
Schließlich hatte er nur zwei.

Er würde also zuerst zu Michael Häupl gehen. Ohne Deckung die Vorzimmerdame frontal angreifen. Ihre scharfen Fragen mit der ihn in jeder noch so gefährlichen Situation auszeichnenden Kälte eines pannonischen Februarwinds ­ignorieren („Wer sind Sie? Was wollen Sie? Haben Sie einen Termin? Muss ich den Sicherheitsdienst rufen? Spritzen Ihnen beim Weinen eigentlich die Tränen immer gleich waagrecht aus den Augen?“). Diese bekannt gut gesicherte Stellung schließlich glorreich überrennen, zum SPÖ-Oberbefehlshaber vordringen und ihm ebenso elegant wie provokant den Fehdehandschuh ins Gesicht schleudern.

Und zwar ungefähr so: „Und wenn ich das nächste Mal über Nacht auf einmal gegen die Wehrpflicht sein soll, dann …, dann … – dann sagts ma’s wenigstens schon in der Früh!“

Das war der Diktator im Rathaus natürlich nicht gewöhnt, dass man sich ihm in einer offenen Feldschlacht dermaßen mutig, ja sogar todesverachtend entgegenstellte.

Aber wer, wenn nicht der im zähen Grabenkampf gestählte, von zahlreichen Schleudersitzungen im Eurofighter emotional verhärtete, wer, wenn nicht der generalstabsmäßig vorbereitete, von seinen Feinden nach dem wahrscheinlich bekanntesten Einzelkämpfer der Actionfilmgeschichte ehrfürchtig „Dumbo“ Darabos genannte Verteidigungsminister sollte denn eine derartige Tollkühnheit wagen?

Und Norbert hatte schließlich allen Grund zu diesem feurigen Furioso: Denn die amtliche Feststellung, er habe beim wohldurchdachten und exzellent ausgeführten Abschuss des Abweichlers Entacher tatsächlich nur sein eigenes Knie getroffen und damit seine weiteren Karrierechancen auf plus/minus null reduziert, war auch für einen Elite­parteisoldaten wie ihn Grund genug, wenn schon nicht gleich zu desertieren und zum Feind überzulaufen – weil ihn der ja schließlich auch nicht brauchen konnte –, so doch jedenfalls die sozialdemokratische Befehlskette lautstark zu hinterfragen.

Wenn er im Rathaus fertig war und dort Häupl als wimmerndes Häufchen Elend zurückgelassen hatte, würde er seinen donnernden Schritt unter Außerachtlassung der Kindersoldatin in der Parteizentrale – schließlich hatte auch Dumbo seinen Stolz, selbst wenn er in all den Jahren, seit er von der umwerfenden Menschenkenntnis Alfred Gusenbauers ins Verteidigungsministerium geschwemmt worden war, vergessen hatte, wo – gen Bundeskanzleramt richten.

Dort würde er dann einfach mit dem Kopf durch alle Wände rennen, bis er den feigen Faymann aufgespürt hätte und zwar ganz egal, ob sich der nun hinter einem hohen Paravent, einem hohlen Lächeln oder dem Ostermayer versteckte. Norbert würde ihn stellig machen und ihm anschließend verdeutlichen, dass man mit ihm sicherlich nicht weiter so umgehen könne.
Und zwar ungefähr so: „Wenn ich auch nur den Funken einer Ahnung hätte, was ich dann tun soll, würde ich ja glatt einmal nachdenken, ob ich nicht vielleicht diesen miesen Job … in Zukunft nicht mehr mit ganz so viel Begeisterung mache!“

Jaaa, da würde der Werner schön schauen! Weil, wo wär er denn ohne ein Frontschwein wie den Norbert, der, um irgendwann seinen Traumjob als burgenländischer Landeshauptmann zu erben, also die schwere politische Verantwortung für Bewag und Blaufränkischen zu übernehmen, immer auch dorthin ging, wo es wehtut – und jetzt überraschenderweise ziemlich zerrupft daherkam.

Aber, wie gesagt: Das hatte jetzt ein Ende. Weil nicht mit ihm. Zumindest nicht mehr.

Denn einen, der seine Überzeugungen auf Zuruf schneller änderte, als ein Stummelschwanzchamäleon von Rot auf Rosa umschalten konnte, mussten sie erst einmal finden!

Gut, okay. Möglicherweise war das in der SPÖ gar nicht so schwer. Außer vielleicht, wenn es um staatszersetzende Fragen wie die Abschaffung der Hacklerpension ging.

Aber dennoch: Jemanden, der sich dermaßen unbeirrbar und ohne Murren aus Gründen einer zwar überhaupt keinen belegbaren Nutzen bringenden, aber eben doch irgendwie unabdingbaren Parteiräson fortgesetzt freiwillig lächerlich machte, den mussten sie einmal finden!

Gut, okay. Da war auch noch Josef Cap. Aber der lief außer Konkurrenz.
Und wenn er dann mit Werner fertig war, wenn er ihm als demütigenden Abschluss seines denkwürdigen Auftritts auch noch mit den 44 Seiten der Berufungskommission einen neuen Scheitel gezogen hatte, dann würde er zum finalen Schlag ausholen.

Dann nämlich würde er in den Westen Wiens ziehen. Nichts und niemand würde ihn aufhalten können. Er würde die Grenzen Grinzings überschreiten, als wären sie Luft. Und schon von Weitem würde man in der Muthgasse seinen Atem wie einen scharfen Säbel rasseln hören.

Und dann würde er dort, und zwar ohne Umschweife gleich beim Portier, sein „Krone“-Abo kündigen.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort