Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Fragen Sie Frau Erna!

Fragen Sie Frau Erna!

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Liebe Frau Erna,
noch nie in meinem Leben bin ich so gedemütigt worden. Ich habe Krümmungsverordnungen aus Brüssel überstanden, bösartige Vergleiche mit meiner Kollegin, der aus viel abgestandener Luft und einer roten Haut bestehenden Erdbeere, und auch den Vorwurf, dass ich ohnehin nur deshalb am Markt bin, weil das total nachhaltige Agrarförderkonzept der EU so teuer und die Illegalen, die auf meinen Plantagen arbeiten, so billig sind. All das habe ich mit Unterstützung der mündigen Konsumenten in ganz Europa ausgehalten. Aber dass ich jetzt auch noch zu Unrecht verdächtigt werde, von kontaminierten Kühen beschissen worden zu sein, ist einfach zu viel. Was soll ich jetzt bitte tun?
Verzweifelt
Die spanische Gurke

Geehrte Gurke,
Sie befinden sich fürwahr in einer ziemlich aussichtslosen Situation. Ich muss gestehen, dass mir ausnahmsweise auch keine elegante Lösung einfällt. Vielleicht wäre eine EU-Prämie für ein zumindest zeitweiliges Nichtwachsen eine Möglichkeit? Oder Sie übersiedeln gleich in ein griechisches Hilfspaket. Ach, was weiß ich!
Einigermaßen ratlos
Frau Erna

*

Sehr geehrte Frau Erna!
Für die von mir geplante und von der Agentur Hochegger betreute „Justiz-opfer“-Roadshow suche ich noch nach einem passenden Vergleich, der die Ungeheuerlichkeit des Vernichtungsfeldzugs gegen mich treffend illustriert. ­Finden Sie, dass mein Fall eher jenem Nelson Mandelas oder doch eher dem von Michail Chodorkowski gleicht? Oder entdecken Sie eher Parallelen zur Affäre Dreyfus? Oder zu den Guildford Four? Die kennt zwar nicht jeder, aber es wären dafür gleich vier, und sie ­kämen somit wenigstens miteinander annähernd an meine Bedeutung heran. Schicken Sie Ihre Antwort bitte ­direkt an mich und nicht an meine Stiftung, denn der Postweg über Liechtenstein, Zypern, die British Virgin Islands, Feuerland, Kiribati, Kamtschatka, Bhutan, Sansibar, St. Helena, Färöer und die Aleuten dauert mir diesfalls doch ein wenig zu lang.

Mit einem treuherzigen Augenaufschlag
Ihr Karl-Heinz Grasser

Sehr geehrter Herr Grasser!
Ich denke nicht, dass Sie es angesichts Ihrer für wirklich jeden auf der Hand liegenden Unschuld und der gnaden­losen Verfolgung, der Sie ausgesetzt sind, wirklich nötig haben, sich an irgendwelche Vorbilder anzulehnen. Falls Sie es aber tatsächlich für unumgänglich halten, würde ich am ehesten jenen großen Verkannten der Kriminalgeschichte empfehlen, der durch die empörende Falschaussage der sieben Geißlein in die Bredouille kam – vor allem, nachdem Kreide ja ohnehin schon zu Ihren Grundnahrungsmitteln zählt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Frau Erna

*

Cara Erna,
da sage ich noch laut und deutlich, dass, wer links wählt, kein Hirn hat – und was passiert? Meine vertrottelten Landsleute wählen links! Was müssen Intellektuelle wie ich in diesen dunklen Zeiten denn noch tun, damit ihnen entsprechend gehuldigt wird?
Echt voll böse
Silvio Berlusconi

Lieber Herr Berlusconi,
ich würde ein Lifting, eine weitere Haartransplantation und ein paar klug eingesetzte Herrenwitze empfehlen – für den Anfang. Und dann vielleicht noch ein Gesetz, das Wahlen als kommunistische Verschwörung verbietet. Dann wird sicher alles wieder gut.
Toi, toi, toi
Frau Erna

*

Liebe Frau Erna,
obwohl ich nunmehr mit einem ebenso deutlichen wie verdienten Votum von 92 Prozent in meinem Amt als ­FIFA-Präsident bestätigt worden bin und ich keine Krise beim transparentesten und saubersten Weltfußballverband aller Weltfußballverbände ent­decken kann, scheint mir die Zeit reif für eine Imagekampagne, für deren ­Leitung ich gerne Sie, geschätzte Frau Erna, verpflichten möchte. Könnten Sie sich vorstellen, diesem Angebot näherzutreten?
Herzlichst
Sepp Blatter, Fußballgott

Sehr geehrter Herr Blatter,
das könnte ich mir durchaus vorstellen. Allerdings müsste man vorher die Rahmenbedingungen abklären. Neben einem gut gefüllten Nummernkonto in Ihrer Schweizer Heimat hätte ich gerne, dass das Finalstadion der klimatisierten und sicherlich gänzlich ohne finanzielle Flügelzange vergebenen WM in Katar „Erna Arena“ heißt. Weiters verlange ich meine Aufnahme in die französische Ehrenlegion, die Verleihung des Hosenbandordens, Brad Pitt und Johnny Depp mit verbundenen Augen und dass die offizielle WM-Hymne ab nun immer von den Nine Inch Nails gespielt wird. Weiters wäre es noch schön, wenn sich der Papst meinen Namen zumindest in der Nähe der Bikinizone eintätowieren ließe. Nachdem ähnliche Forderungen in den Reihen der FIFA ja nicht weiter ungewöhnlich sind, blicke ich unserer zukünftigen Zusammen­arbeit mit Freuden entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Frau Erna

[email protected]

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort