Rainer Nikowitz: Die richtigen Freunde

Die Flüchtlingskrise ist so gut wie gelöst – jetzt, wo die EU endlich den richtigen Partner dafür hat.

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Juncker: Also dann sind wir uns ja wohl einig. Du kriegst deine drei Milliarden – und wir sind aus dem Schnei… Erdogan: Moooment! Nur keine jüdische Hast, wie wir großen Völkerverständiger gern sagen. Juncker: Was ist denn noch? Erdogan: Mich beschleicht der Eindruck, dass diese Verhandlungen nicht auf Augenhöhe geführt werden. Merkel: Och, komm schon, Recep, ­altes Haus! Ich sehe jetzt wirklich nicht, wo wir dir das Gefühl gegeben haben, dass wir hier aus einer Position der Überlegenheit agieren. Erdogan: Ihr doch nicht. Ich! Faymann: Scheiße. Jetzt is er draufkumman. Erdogan: Und im Geiste dieser Erkenntnis will ich zusätzlich zu dem bisschen Geld … mindestens ein Gipfeltreffen pro Jahr. Juncker: Das sollte kein Problem sein. Ich meine, hey: Mit wem wir uns aller treffen, wenn das Jahr lang ist! Erdogan: In den Texten unter den Fotos wird stehen: Recep Tayyip Erdogan, Strahlendster unter den Strahlenden, gewährt allen zweitwichtigsten Führern der Welt seine jährliche Audienz. Merkel: Man kann es auch übertreiben. Erdogan: Erstens: Ich nicht. Zweitens: Schweig, Weib! Und drittens: Ich kann auch wieder gehen und mich zu Hause um die Ankurbelung der Schlauchboot-Wirtschaft kümmern. Faymann: Jetzt lass ihm halt die Freud, Angela. Ich hab nix dagegen, wenn ich als einer der zweitwichtigsten Führer der Welt hingestellt werd. Merkel: Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Erdogan: Weiters will ich für meine Bürger, die das Land, in dem Milch und Honig fließt, zwar nur kurz, aber unerklärlicherweise doch verlassen wollen, Visa-Erleichterungen. Juncker: Na ja, wenn’s weiter nichts ist. Faymann: Eh. Weil nach Luxemburg kommen sie ja nicht. Erdogan: Und ich will, dass die Beitrittsverhandlungen wieder aufgenommen werden. Merkel: Aber, seien wir uns doch ehrlich: Die Türkei will doch gar nicht mehr. Erdogan: Aber es macht innenpolitisch einen ziemlich schlanken Fuß, wenn ich der EU immer wieder in markigen Worten klarmachen kann, dass sie nie der Türkei beitreten darf, wenn sie sich nicht grundlegend ändert. Faymann: Da seh ich auch kein großes Problem: Schließlich red ich ja auch zu Haus anders als in Brüssel. Was sich da die EU schon alles anhören hätte können! Also …, wenn sie zugehört hätt. Merkel: Interessant. Faymann: Geh, komm! Jetzt sag bloß, du machst das nicht. Dass du dich daheim ein bissl an der EU abputzt. Merkel: Honey: Ich bin die EU. Juncker: Also, da muss ich jetzt aber wirklich … Erdogan: Und ich will einen Palast! Faymann: Jessas, der is ja a no da. Erdogan: Nichts Übertriebenes – aber doch meiner Bedeutung angemessen. Also mindestens 200.000 Quadratmeter und nicht unter 1000 Zimmer. Merkel: Aber so einer steht doch schon in Ankara. Erdogan: Hab ich was von Ankara gesagt? Ich will einen in Berlin. Merkel: Wozu das denn? Erdogan: Damit ich dort standesgemäß residieren kann, wenn ich wieder einmal vorbeikommen muss, um meine so schändlich unterdrückten Landsleute vor der teuflischen Gefahr der Integration zu warnen. Faymann: Oida! Erdogan: Wie bitte? Faymann: Ach nix. Erdogan: So. Jetzt will ich in Wien auch einen. Und ich will nie wieder so komische Berichte sehen, in denen mich die EU wegen der Einschränkung der Meinungsfreiheit und überhaupt wegen Menschenrechten nervt. Weil, was sind Menschenrechte? Na? Juncker: Innere Angelegenheit der Türkei. Erdogan: Sehr brav. Und die Kurden? Was sind die? Juncker: Terroristen. Alle. Erdogan: Ich muss sagen, ich hatte wirklich noch nie ein dermaßen konstruktives Gespräch mit der EU. Und weil das so gut funktioniert, sollten wir auch gleich über den letzten offenen Punkt reden: Wie soll ich die Flüchtlinge aufhalten? Merkel: Nun, die drei Milliarden sollen mithelfen, die Situation der Flüchtlinge in der Türkei grundlegend zu verbessern. Erdogan: Ja. Natürlich. Aber das war nicht meine Frage. Wie soll ich sie aufhalten? Juncker: Wollen wir das so genau wissen? Merkel: Also ich nicht. Aber ich bin mir sicher, Recep: Du schaffst das! Faymann: Ich tät jedenfalls einmal eine Tür mit Seitenteilen aufstellen. Erdogan: Wenn die Tür aber zubleiben soll – dann könnte das hässlich werden. Faymann: Dann nimm auf alle Fälle ein blickdichtes Türl. Juncker: Und wenn rund um die Tür viele Kameras sein sollten … Erdogan: Ja? Juncker: Dann muss ich dir rechtgeben: So ganz schrankenlose Pressefreiheit ist ja wirklich nicht immer das Gelbe vom Ei. Erdogan: Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass die Türkei den nächsten Song Contest gewinnen wird?

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort