Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Kapitalkapitel

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Manchmal fahre ich mein Geld besuchen. Das ist ja auch gar nicht weiter ungewöhnlich, das machen andere Leute auch. Sie zum Beispiel sind doch sicher auch schon einmal Ihr Eckzinssparbuch fest umklammernd in Ihre Bank gegangen, vielleicht sogar am Weltspartag, damit Sie einen Kugelschreiber auch noch geschenkt bekommen, und haben sich die Zinsen nachtragen lassen.

Nun ja. Jeder wie er kann, sag ich immer.

Wenn Frank Stronach sein Geld besuchen fährt, schaut das wieder anders aus. Er fliegt dann kurz einmal aus Kanada ein und trifft sich mit seinen Abgeordneten. Aber auch das kann man jetzt nicht mit mir vergleichen. Weil mein Geld wohnt zum Glück um einiges schöner.

Besonders gern besuche ich es, wenn es wieder einmal übersiedelt ist. Ja, es übersiedelt ­öfter einmal, weil ehrlich gesagt leidet es ein wenig unter Verfolgungswahn. Es kann es nämlich überhaupt nicht leiden, wenn jemand außer mir weiß, wo es ist. Und darum zieht es oft einmal mit Sack und Pack aus seinem Briefkasten aus und macht dann Inselhüpfen. Also quasi so wie wir früher als Studenten in Griechenland. Nur ohne die Dreckwäsche im Rucksack. Weil mein Geld ist immer sauber gewaschen.

Jedenfalls, wenn es wieder einmal seinen Wohnsitz gewechselt hat, da habe ich dann oft das Gefühl, es braucht mich jetzt. Und schließlich bin ich ja nicht der Feind meines eigenen Geldes. Wenn es im neuen Briefkasten noch nicht so kuschelig und heimelig ist, wenn mein Geld noch ein wenig fremdelt – da kümmere ich mich schon. Ich mach es dann immer so, dass ich es aus seinem alten Trott raushole und ihm einfach seine neue Umgebung zeige. Also fahre ich mit ihm durch einen Palmenhain auf Rarotonga. Oder ich borg mir die Yacht von dem total sympathischen Oligarchen vom Nebenbriefkasten und fahre zum Korallenriff vor den Cayman-Inseln. Und nach so einem Ausflug geht es meinem Geld dann meistens gleich viel besser.

Letztens habe ich nach so einer kleinen Willkommenstour den Franzosen kennengelernt. Als ich nämlich mein Geld gerade wieder in den Briefkasten zurückstopfen will, fällt was davon runter, weil er doch ziemlich voll war. Und genau dem französischen Minister vor die Füße. Der hebt es auf, lächelt mich très charmant an und sagt: „An sich müsste ich jetzt 75 Prozent davon einbehalten. Aus Gründen der Gerechtigkeit, Sie verstehen?“ Und ganz kurz war ich mir nicht sicher, was ich jetzt davon halten soll – bis er angefangen hat, schallend zu lachen und es mir zurückgegeben hat.
Sein eigener Briefkasten war übrigens in einem ganz knalligen, klassenkämpferischen Revolutionsrot gestrichen. Es ist schon wichtig, manchmal Farbe zu bekennen. Ich meine, ich bin ja auch total für soziale Gerechtigkeit und alles. Solange ich sie nicht bezahlen muss.

Ich meine, sind wir uns doch ehrlich: Steuern und all das sind ja doch mehr etwas für Leute, die es nicht besser wissen. Nehmen wir doch nur einmal Sie. Ja, Sie! Wahrscheinlich haben Sie sich, weil Sie ja verantwortungsvoll sind, ein bissl was auf die Seite gelegt. Für die Pension oder so. Weil Sie doch, damit Sie später das, was Sie eingezahlt haben, auch nur annähernd wieder rausbekommen, ungefähr 114 werden müssten. Und wenn ich jetzt sehe, dass das, was Sie da auf Ihrem Sparbuch haben, nicht nur wegen der negativen Realzinsen sowieso jedes Jahr weniger wird und Sie dann auch noch 25 Prozent Kapitalertragssteuer dafür abdrücken müssen, dann kommen mir echt die Tränen. Vor Lachen. Und die Vermögenssteuer, über die debattiert wird? Ha! Wer die dereinst, wenn es sie dann einmal gibt, zahlen wird, ist vor allem einmal ganz sicher eines: nicht reich genug.

Okay, es gibt auch positive Ansätze in Österreich. Wenn unser Bankgeheimnis vom kleinen Mann mit Zähnen und Klauen verteidigt wird, weil er offenbar davon ausgeht, dem Nachbarn seinen Kontostand verraten zu müssen, wenn es nicht mehr gilt, dann muss ich sagen: Da hat die Politik einmal wirklich ganze Arbeit geleistet. Und da müssen wir auch der EU weiterhin die Stirn bieten. Weil wir wollen bei doch ganz sicher keinen Schwarzgeld-Bankrun haben. Das wäre ja wohl unverantwortlich.

Gut, mich betrifft das ja nicht wirklich. Ich will ja mein Geld nicht in Österreich verstecken, sondern vor Österreich. Aber es geht ums Prinzip. Um den guten Willen, den ein Staat damit beweist. Und zum Glück stehen wir ja damit nicht alleine da. Denn: Kapital ist scheu. Wenn man mit dem Schweinwerfer draufleuchtet, kneift es entsetzt die Äuglein zu, wie eine Fledermaus in der Mittagssonne und flugs – ist es auch schon weg. In der nächsten Oase. Schweiz. Luxemburg. Gibraltar. Den britischen Kanalinseln. Delaware.

Und weil das alles total exotische Plätze sind, an denen die Big Player wie die EU oder die USA überhaupt nichts zu sagen haben, darum wird ja jetzt wohl auch ein- für allemal mit diesen Schweinereien aufgeräumt. Und was ich Ihnen auch noch für Ihren weiteren Lebensweg mitgeben wollte: Den Osterhasen – den gibt es wirklich.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort