Satire

Keine woke Woche

Massenhafte rassistische Volksbegehren-Verweigerung-und jetzt auch noch lesbisch-grüne Transfeindlichkeit! Was ist bloß los mit diesem Land?

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Wie jeder zumindest halbwegs anständige Mensch weiß, ist Österreich ja nicht nur ein Hort des zähnefletschenden Rassismus, sondern auch des wild dahingaloppierenden Sexismus. Um diese völlig unbestreitbaren Tatsachen zu verinnerlichen, muss man nur ein paar Tage den zahlreichen Aktivistinnen zuhören, bei denen ein Sendungsbewusstsein in der Größe des Andromeda-Nebels glücklicherweise auf einen offensichtlich gehörigen Überfluss an Tagesfreizeit trifft.

Dass der Rassismus-Befund selbstverständlich richtig ist, zeigt sich dieser Tage aber auch handfest an zwei Dingen. Zum Ersten spielen sich vor allem im Burgenland tagtäglich herzzerreißende Dramen ab, wenn Reisenden aus Indien und Tunesien-also Staaten, deren Bürger aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention nicht einmal in die Nähe einer Chance auf Asyl kommen-wie Schuppen von den Augen fällt, dass sie von ihren Schleppern eiskalt betrogen worden sind. Und dass das Land, das sie gerade betreten haben, keineswegs ein sicherer Zufluchtsort wie Saudi-Arabien oder Nordkorea ist, sondern leider, leider das schreckliche, in aller Welt übel beleumundete Österreich. Zahllose Schutzsuchende haben nach diesem Schock in Nickelsdorf auch schon am Absatz kehrtgemacht und sind schreiend weggerannt, wieder Richtung Flughafen Belgrad. Denn man weiß ja mittlerweile, dass der lange Leidensweg ihrer Verfolgung meistens sofort nach der Landung ihres Linienfluges in Serbien begonnen hat.

Ein mindestens ebenso deprimierendes Ereignis war auch die Eintragungswoche für insgesamt gleich sieben Volksbegehren. Denn nur eines der sieben schaffte es, unter der für die Behandlung im Parlament essenziellen-und ohnehin sehr niedrigen-Schwelle von 100.000 Unterschriften zu bleiben, wenn auch sehr knapp: "Black Voices", also jenes Begehren, das den Österreichern nicht zuletzt mittels eines groß angelegten und nicht im Geringsten irgendwie anmaßenden Umerziehungsprogramms endlich ihren schon mit der Muttermilch eingesogenen Rassismus austreiben wollte. Aber genau der hat ja jetzt auch verhindert, dass genügend Unterschriften zusammenkommen. Und zwar ausschließlich der. Und nicht etwa ein erklecklicher Haufen von mittelschwer verblasenen Wolkenkuckucksheim-Forderungen im Kleingedruckten des Begehrens. Wobei: Dass das offenbar doch viele Leute gelesen haben, statt einfach blanko zu unterschreiben, ist ja eigentlich per se schon wieder rassistisch. Dieses Land ist halt einfach durch und durch verrottet.

Nach einer Schrecksekunde von einem Tag musste das auch der "Standard" konstatieren. Dass sich in einem Land mit fast neun Millionen Einwohnern keine 100.000 Unterzeichner fänden, sei "desaströs".Aber die gute Nachricht ist: Man muss sich um so lästige Dinge wie demokratische Mehrheitsfindungen ja nicht kümmern, wenn man einfach recht hat. Also könnte sich die Regierung trotzdem "den Forderungskatalog ansehen und schnellstmöglich mit dessen Umsetzung anfangen".Das will zwar der Souverän offensichtlich nicht so dringend, aber halt der "Standard".Und Ober sticht ja wohl bitteschön immer noch Unter.

Neben der Rassismus-Katastrophe verblasst die Sexismus-Katastrophe der Woche zwar ein wenig, auch, weil sich viele Nachrichtenkonsumenten leider immer wieder zu deutlich weniger wichtigen Nebenschauplätzen wie Ukraine-Krieg, Energiekrise oder Inflation locken lassen. Aber dennoch muss man auch über diesen Skandal reden: Der grünen Nationalratsabgeordneten Faika El-Nagashi wurde die Teilnahme an der internationalen Konferenz der "Euro-Centralasian Lesbian Community (EL*C)"in Budapest verwehrt. Sie ist nämlich offensichtlich trans-feindlich, jüngste öffentliche Statements von ihr hätten angeblich gegen "zentrale Werte der EL*C" verstoßen. Dass ausgerechnet eine grüne lesbische Person mit Menstruationshintergrund, deren politisches Programm quasi ausschließlich aus unverzichtbarer Identitätspolitik besteht, jetzt auch schon eine böse TERF ist, die darüber reden will, ob es wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, jedem Mann, der heute früh beim Rasieren beschlossen hat, fortan als Frau gelesen werden zu wollen, sofort die Tür zur Frauengarderobe im Hallenbad zu öffnen, ist schon sehr traurig. Noch trauriger ist allerdings, dass sich

jetzt in den diversen Meinungskanälen sehr viele Leute nicht mehr einkriegen vor Lachen, weil die Revolution jetzt anfange, ihre Kinder zu fressen. Und die total progressive woke Sektiererei, die die Gefühlslinken mit heiligem Eifer-und zunehmend auch mit Fackeln und Mistgabeln-betrieben, halt zu immer mehr und immer kleineren und immer hirnverbrannteren Sekten führe.

Ich kann das ja nicht nachvollziehen. Und im Übrigen fühle ich mich jetzt gerade ziemlich unwohl.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort