Rainer Nikowitz: Die Königskinder

Die Flüchtlingskrise wird vor allem für eine Partei zur Zerreißprobe: die einstmals, aber jetzt für möglicherweise sehr lange Zeit nicht mehr stärkste.

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Wehsely: Ich begrüße die Teilnehmer_innen bei der dringlichen Asylkrise-Krisensitzung und darf euch gleich einmal mit den Rahmenbedingungen bekannt machen – die Liste der verbotenen Wörter hat nämlich Zuwachs bekommen: Zusätzlich zu den schon bisher verfemten rechten Kampfbegriffen „Zaun“, „Kontrolle“ und „Köln“ … Häupl: Moment, Moment, da hab i, glaub i, was verpasst. Brauner: Oha. Scho wieder? Häupl: Wieso is „Köln“ a rechter Kampfbegriff? Brauner: Hallo? Schlafst du in der Pendeluhr? Diese ganze rechte rassistische Pauschalierung, diese hetzerische Verallgemeinerung? Dieses unerträgliche: „So sind sie halt, die muslimischen Männer“? Wehsely: Wenn wir linken Feministinnen uns da nicht in die Schlacht geworfen hätten, hätte dieser Diskurs ganz anders ausgschaut! Häupl: Na ja … Ihr habt’s einfach des „muslimisch“ wegglassen. Der feministisch korrekte Satz zu Köln heißt jetzt: „So sind sie halt, die Männer.“ Brauner: Ganz genau. Häupl: Und des is ka hetzerische Verallgemeinerung? Wehsely: Na. Wir nennen so was ein intelligentes Argument. Häupl: I glaub, i geh wieder schlafen. Wehsely: Wie du meinst. Die Partei funktioniert ja mittlerweile auch ohne di. Also, i war mit meiner Einleitung no net fertig: Zu den bereits bekannten verbotenen Wörtern darf ab jetzt auch das schiache Wort „Obergrenze“ nicht mehr verwendet werden. Niessl: Sagt wer? Brauner: Na, wir. Die Sandra, die Sonja und ich. Also die Partei. Niessl: I sag des aber net. Und i bin a die Partei. Wehsely: Worüber noch zu reden sein wird, wenn in Bälde der linke Flügel aus der Auseinandersetzung mit dem rechten als strahlender Sieger hervorgegangen sein wird! Niessl: Obergrenze, Obergrenze! Ooooobeeeeergreeeeenzeeeee!!! Wehsely: So, des reicht. Wehret den Anfängen und kein Fußbreit dem Faschismus und so! Du hast jetzt Sprechverbot. Niessl: I maan, i traam! Wer hat euch überhaupt die Sitzungsführung überlassen? Brauner: Mir ham uns gedacht, es is am Gscheitesten, wenn wir das machen. So eine Diskussion muss einfach von Anfang an in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Also in unsere. Wehsely: Die Linke muss wieder die Deutungshoheit in der ganzen Flüchtlingsdebatte bekommen. Und des geht am besten, wenn ma den anderen glei klipp und klar sagt, dass sie gfälligst de Goschen halten sollen. Niessl: Werner? Weilst du no irgendwie unter uns, und wenn ja: Bist du no Parteivorsitzender? Und wenn wieder ja: Willst du net endlich eingreifen? Faymann: Es is eh ka Obergrenze. Nur a Richtwert. Hört’s auf zum Streiten. Bitte. Brauner: Ob Obergrenze oder Richtwert, is a scho wurscht. Es is beides vollkommen realitätsfremd! Niessl: Und alles so weiterrennen zu lassen wie bisher, mit heuer vielleicht 120.000 oder 150.000 oder no mehr und zu glauben, dass des kane gröberen Verwerfungen geben wird und der Werner des als Bundeskanzler überlebt – des is net realitätsfremd? Wehsely: Nein. Wir nennen so was ideologische Festigkeit. Niessl: Michl! Du hast den Obergrenzen-Beschluss do mitgetragen! Kannst du deinen good Weibs net sagen, was Sache is? Häupl: Des Wort „Obergrenze“ steht da net drin. Niessl: Net ausdrücklich. Aber sinngemäß scho. Häupl: Wann i alles lesen wolltert, was i unterschreib, dann warat i net Politiker worden, sondern Notar. Brauner: Des versteh i, solang’s um meine Budgets geht. Aber da doch net! Häupl: Ihr habt’s es do a net glesen und sicherheitshalber glei öffentlich herumkrakeelt! Wehsely: Wir ham aber gwusst, es geht um irgendwelche Maßnahmen zur Reduzierung der Flüchtlingszahl. Da braucht ma net weiterlesen, um zu wissen, dass das absolut böse und Nazi is. Niessl: Werner! Was is mit dir? Greif ein! Faymann: Was? Ah, Entschuldigung, i war mit meine Gedanken woanders. Wehsely: Wahrscheinlich dabei, dass er bisher mit der Flüchtlingslinie CDU war. Des war scho irgendwie schwierig zu verarbeiten. Aber jetzt is er überhaupt CSU. Niessl: Warum haut’s ihr euch eigentlich net mit de Grünen auf a Packl? Wehsely: Hamma ja scho. Niessl: Ah ja. Die Koalition mit der mittlerweile relativsten absoluten Mehrheit in Österreich. Faymann: Du vergisst jetzt, glaub i, auf meine. Niessl: Stimmt. I hab aber eh gmeint: als eigene Partei. Wehsely: Des tät euch Rechtsrechten so passen, was? Aber nach dem strahlenden Sieg des linken über den rechten Flügel … Häupl: Is scho Dienstag mittag? I wü nimmer. Faymann: Und i muaß jetzt die Angie anruafen. Ui, de wird schimpfen. Brauner: Sonja, i glaub, de nehmen uns net ernst. Wehsely: Wenigstens hamma eine Gewissheit: Sie san die Einzigen.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort