Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Lasst Wasser!

Lasst Wasser!

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Ich bin ja entschieden für Wasser. Ich gebe es in meinen Spritzer, damit es einen Geschmack kriegt. Wenn es meine Burenhaut heiß umschmeichelt, bin ich jedes Mal fast zärtlich berührt vor Freude darüber, dass ich es habe. Wenn es irgendwo von einer Felswand fällt, finde ich es ausgesprochen dekorativ. Und obwohl ich als gelernter Österreicher Sparpotenziale durchaus zu orten und zu nützen weiß, wasche ich mich immer noch manchmal damit.

Ja, auch ich finde, dass Wasser alles in allem schwer in Ordnung ist – und deshalb reihe ich mich ein in die Generalmobilmachung zum Schutz des Stempfelbachs, der oberen Lafnitz und nicht zuletzt von „Römerquelle Emotion Birne-Holunder“! Ich rufe also euch, den potenten Privatisierern unseres Wassers, den ruchlosen Räubern unseres weißen Golds, entschlossen zu: Lasst Wasser!

Ihr scheint nicht zu wissen, mit wem ihr euch da anlegt. Das hier ist keine Auseinandersetzung um Maßstäbe der Gurkenkrümmung, oh nein. In der jetzigen aufgeheizten Stimmung reicht schon ein einziger Funke zur Explosion: ein graugesichtiger Brüsseler Bürokrat, der sich in einer Autobahnraststation nahe der Grenze höflich, aber bestimmt, nach dem nächsten Wasserklosett erkundigt; ein südspanischer Wassertomatenproduzent, der sich mit breitem Grinsen und hochgereckten Daumen vor den Krimmler Fällen fotografieren lässt; ein übler Spekulant, der unter Aufbietung aller Kräfte und einer Volksbefragung gerade noch von der Wiener SPÖ daran gehindert werden kann, jenes Wasser aufzukaufen, das nach jahrelanger Sanierung aus dem immer noch lecken Hauptbecken des Stadthallenbads entschwindet …

Wie gesagt: Es braucht nicht viel – und ihr lernt uns so richtig kennen.

Es ist ja jetzt auch das erste Mal seit Langem, dass wir Österreicher praktisch geeint marschieren. Und denkt daran, wo wir beim letzten Mal, als das passiert ist, stehengeblieben sind! Alle Parteien haben sich mehr oder minder tapfer am Hydranten angekettet und führen einen erbitterten Kampf gegen einen ebenso übermächtigen wie unsichtbaren Gegner. Also, fast alle Parteien. Nur die ÖVP, das muss man schon kritisch anmerken, entzieht sich diesem nationalen Schulterschluss durch eine gewisse Halbherzigkeit in der Abwehr des gemeinen Zwangswasserprivatisierers. Sie versucht lieber, mir Zwangshaartests für des Kiffens verdächtige Teenager schmackhaft zu machen. Das ist zwar auch deppert, aber man kann sich selbst als von Boulevard und Politik engagierter Staatsbürger, der ich bin, leider nicht überall gleichzeitig erregen. Der Wahlkampf hat ja gerade erst begonnen, und in diesem Wettstreit dessen, was im Paralleluniversum der Parteizentralen tatsächlich alles „Idee“ heißen darf, muss schon noch Platz nach oben bleiben.

Ich bin ja auch recht froh, dass der Wahlkampf noch lange dauert. Wenn ich mich jetzt, nach diesem vielversprechenden Start, sofort entscheiden müsste, ich tät mir ja ordentlich schwer. Der Kanzler wirft sich zähnefletschend in die Schlacht, der Ostermeyer, sogar der Cap – wenn es um was wirklich Wichtiges wie das Abdrehen von einem Untersuchungsausschuss oder eben um unser Wasser geht, dann ist auf den Pepi eben Verlass, da kann man sagen, was man will. Strache hyperventiliert verlässlich, BZÖ, Stronach stehen auch auf der Leitung – ja sogar die Grünen! Und gerade bei denen muss man wirklich sagen: Respekt! So etwas sachpolitisch Hochseriöses und demokratiepolitisch Visionäres wie die Wiener Volksbefragung hätte man denen bis vor Kurzem eigentlich gar nicht zugetraut.

Ich weiß, ihr gierigen Abzocker, die ihr eine Nassrasur zum Luxusgut verkommen ließet, wenn wir euch nur ließen, ihr beteuert in der Zwischenzeit allüberall, dass in der EU genau niemand die Zwangsprivatisierung der Wasserversorgung fordert. Man möge sich doch die inkriminierte Richtlinie einmal in Ruhe durchlesen, dann werde man das sofort feststellen. Und natürlich gibt es auch diejenigen, die jetzt glauben, schmallippig darauf hinweisen zu müssen, dass das groß zelebrierte „Wir schreiben jetzt den Schutz des Wassers in die Verfassung“ in Wirklichkeit ziemlich heftig für die Würschte sei, weil das vermaledeite Recht der EU einfach mehr gilt als das kleine, feine, österreichische. Ich sage dazu nur – und ich glaube, ich kann hier auch für den Kanzler und all unsere Mitstreiter sprechen: Recherche hat schon oft die besten Geschichten völlig zusammengehaut.

Und überdies schleudere ich diesen Verrätern am Nationalnass dasselbe entgegen wie euch, euch miesen Wasserswappern und Leitungsleasern: Wenn ihr nach dem Niveau dieser öffentlichen Diskussion in Österreich immer noch glaubt, der Genuss unseres Wassers habe keine Nebenwirkungen, die eine kommerzielle Verwertbarkeit sowieso höchst fraglich erscheinen lassen – dann ist euch ohnehin genauso wenig zu helfen wie uns.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort