Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Liebes Tagebuch!

Liebes Tagebuch!

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21. März Habe heute bei einem von allen landwirtschaftlichen Fachmedien viel beachteten Pressefrühstück (es gab Ham and Eggs aus der Genussregion Rudolfsheim-Fünfhaus) den Frühling für eröffnet erklärt. Werde aber meiner diesbezüglichen ministeriellen Informationspflicht in den nächsten Tagen auch mit einer Inseratenkampagne, in der ich ganz leger beim Schneeglöckerlbrocken gezeigt werde, nachkommen. Sicher ist sicher.

24. April
Heute war wieder die Hölle los. Man sollte an so einem Tag echt einmal so einen typisch politikverdrossenen Normalbürger neben sich sitzen haben, damit der einmal sieht, was unsereiner alles leistet. Oder nein, falsch. Nicht unsereiner. Ich! In der linken Hand den Inseratenentwurf, der es mehr sachlich anlegt: „Liebe Bauern: Zuckerrüben wachsen besser, wenn man regelmäßig mit ihnen spricht. BM DI Nikolaus Berlakovich“. Und dazu ein Foto von mir, auf dem ich ganz normal verbindlich lächle. In der rechten Hand hingegen die emotional aufwühlende Variante: „Auch Ihre Rübe hat Gefühle. Reden Sie mit ihr! Herzlich, Niki Berlakovich“. Mein Kabinett und ich haben die Entscheidung nach neun Stunden Diskussion erschöpft verschoben. Morgen wird also wieder die Hölle.

25. April
Im Interesse der Allgemeinheit mussten wir heute zu einer Entscheidung kommen. Nach Hinzuziehung mehrerer externer Berater fiel schlussendlich die Entscheidung für die emotional aufrüttelnde Variante. Allerdings mit einem neuen Foto, auf dem ich eine Rübe küsse. Das machen wir übermorgen, weil das Inserat muss ja endlich raus, bevor die Zielgruppe hier aus schlichter Unwissenheit was verpasst und sich das Bauernsterben deshalb um 13,2 Prozent beschleunigt. Allerdings ist es natürlich wiederum kein Leichtes, im April eine ausgewachsene Zuckerrübe aufzutreiben. Jetzt wird sie aus Guayana eingeflogen. Von der Air France. Die ist mir eh noch was schuldig und gibt der Rübe deshalb das Upgrade in die Business Class günstiger. Wieder Steuergeld gespart!

14. Mai
Habe heute beim Tag der offenen Tür im Agrarbildungszentrum Lambach wieder einmal die Lacher auf meiner Seite gehabt, weil ich hinter mir die Tür zugemacht habe. Das dazugehörige sympathische High-Definition-­Video eines zufällig anwesenden Kamerateams hat auf YouTube schon 89 Klicks. Dann wollte mein Pressesprecher nicht mehr.

16. Juni
Informeller Rat Landwirtschaft auf Zypern! Das ist natürlich eine ganz schön öde Angelegenheit, wie sich sicherlich jeder vorstellen kann. Habe aber eine Sitzungspause klug genützt und sinnierend aus dem Fenster geschaut. Die Fotos davon sind ausnehmend gut geworden.

2. Juli
Habe heute bei meinem Sommerfest, das der für all die Einsparungen dankbare Steuerzahler alljährlich für mich ausrichtet, die Charakterdarstellerin Katrin Lampe (Fotogalerie 1–4) und ihre Lippen (Fotogalerie 5–18) als „Botschafterinnen des Ländlichen Raumes“ ausgezeichnet. Überlege, nach dem dann sicherlich allenthalben viel beweinten Ende meiner Politkarriere – also so ca. 2034 – als Konsulent bei ihrer Sendung „Bauer sucht Frau“ einzusteigen. Habe schließlich jede Menge Erfahrung.

18. August
Bin heute bei der Eröffnung des Hochwasserrückhaltebeckens am Limpigraben in Strem in eine Kuhflade getreten. Na, das war vielleicht ein Hallo! Habe damit wieder einmal meine ungeheure Volksverbundenheit und Hemdsärmeligkeit demonstriert, die mich bei allen Eigentümern der Bauernzeitung verdientermaßen zum beliebtesten Politiker der Welt machen. Und nachher, wie alle weg waren, habe ich dem depperten Kuhbauern sämtliche Subventionen gestrichen.

9. September
Wieder den ganzen Tag mit meiner sich am Rande ihrer Leistungsfähigkeit bewegenden zehnköpfigen PR-Arbeitsgruppe getagt (Aktennotiz: unbedingt aufstocken!). Herausgekommen ist schlussendlich der Slogan: „Der Maiszünsler ist ein Hund!“ Die Redaktion der Bauernzeitung ist beeindruckt und regt eine Serie von redaktionellen Kooperationen an. Arbeitstitel für Teil zwei: „Und eine richtige Sau ist er auch.“ Man muss diesfalls allerdings dafür Sorge tragen, dass das Foto, auf dem ich einen Maiszünsler erwürge, nicht direkt darübersteht.

2. Oktober
Dieser unangenehme Petzner hat mir heute im Untersuchungsausschuss nicht geglaubt, dass ich nicht weiß, wem die Bauernzeitung gehört. Ich meine, muss ich alles wissen? Und dann hat er auch noch behauptet, ich stünde als Eigentümervertreter des Bauernbundes im Impressum. Also, ich war so was von total baff – baffer geht’s gar nicht! Anschließend habe ich mich gleich erkundigt, was das gekostet hat, dass mein Name da drinsteht. Und man stelle sich das einmal vor: nichts! Schon wieder voll viel Steuergeld gespart! Aber eine größere Schrift hätten sie trotzdem nehmen können.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort