Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Love Story

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Benitas Herz pochte entrückt. Sie konnte sich nur an ein einziges Mal erinnern, an dem es ähnlich außer Rand und Band geraten war – wenn auch aus einem damals weitaus weniger erfreulichen Anlass: als sie mit dem 102. Staatschef in dessen Sprache sprechen wollte, aber konsterniert feststellen musste, dass Heinz Fischer sie trotzdem nicht verstand. Werner hatte schon wieder eine anzügliche SMS geschickt! Er nützte wirklich jede Gelegenheit zwischen drögen SPÖ-Präsidiumssitzungen und abgesagten Europa-Haus-Eröffnungen. „Bin gestern Abend wieder auf deinem Foto-Polster eingeschlafen!“, las sie. „Träumte dann von ­einem geheimen Gipfel mit dir und Neelie Kroes!“ Dieser Schlingel!

Laura Rudas war in der Zwischenzeit gerade dabei, die erste Kiste des neuen Wahlkampfmaterials zu sichten, das sie in Auftrag gegeben hatte. Vor allem die schwarzen Buttons mit der knallroten Parole „Linke Emanzen für Benito!“ waren wirklich ausnehmend gut gelungen. Auch der Benita-Starschnitt, der in 16 Einzelteilen der Zeitung „Österreich“ beigelegt werden sollte und der Benita mit einem Packerl Manner-Schnitten in der Hand und dem Slogan „Die EU braucht ein Gewissen“ zeigte, würde sicher ein Heuler werden.

Gut, der Kugelschreiber, auf dem Benita nach und nach ihre Kleider verlor, wenn man ihn auf den Kopf stellte, war zwar aus feministischer Sicht nicht unbedingt lautstark zu begrüßen, allerdings musste man ja auch an die männlichen Kernwählerschichten denken – sonst liefen die am Ende noch ins Molterer-Lager über. Und diesen gewissenlosen Exekutor des neoliberalen Schüssel-Kurses, der seinem Herrn als Minister, Klubobmann und Nachfolger gedient hatte, während Benita Ferrero-Waldner damals als Außenministerin und Bundespräsidentschaftskandidatin quasi im Widerstand war, musste die SPÖ unbedingt verhindern. Auch, wenn er Landwirtschaftskommissar werden würde – und Benita bloß Grüß-Augustine ohne Portefeuille.

Benita wählte Werners Nummer. Als er sich meldete, flüsterte sie lasziv: „Code Red!“ Werner verstand sofort. „Bei dir oder beim Josef?“, antwortete er. „Beim Josef“, sagte Benita erregt. „Vor meiner Wohnung stehen abwechselnd der Kopf und der Kaltenegger. Sie tarnen sich zwar als von Miniermotten befallene Kastanienbäume – aber ich bin ja nicht von gestern!“

Josef Caps Weinkeller hatte in den vergangenen Wochen schon oft als klandestines Hauptquartier der Operation „Nie Willi“ gedient. Bei der einen oder anderen Flasche Portugieser waren sich Benita und die roten Spitzen mit der Zeit auch persönlich immer nähergekommen. Bis sich das Ganze schließlich zu einer wahren Amour fou ausgewachsen hatte. Das Verhältnis zur jungen Laura war in der Zwischenzeit so innig geworden, dass sich das hübscheste Gesicht des Sozialismus nur mehr von Benita beim Perlenketteneinkauf beraten ließ. Und die für jedes Juso-Rave passende Hochsteckfrisur würden sie sicher auch bald gefunden haben.

Rudolf Hundstorfer ließ mittlerweile jede ASVG-Novelle liegen und stehen, nur um gemeinsam mit Benita beim Diplomaten-Karaoke endlich wieder einmal „Some­thing Stupid“ schmachten zu können. Benita traten die Tränen der Rührung in die Augen, wenn sie nur daran dachte. So viele Jahre hatte sie nach ihrem Lee Hazlewood gesucht! Jetzt hatte sie ihn. Und dann erst Norbert Darabos! Auf den ersten Blick wirkte der Burgenländer vielleicht ein wenig spröde. Auf den zweiten auch. Aber Benita kannte in der Zwischenzeit den Norbert hinter der Brille. Sensibel, verletzlich, anlehnungsbedürftig – all das konnte er bei seinen Generälen eher nicht ausleben. Aber seit sie ein traumhaftes Wochenende in einer Goldhauben-Radarstation am Hundsheimer Kogel verbracht hatten, sah sie Zivildiener mit völlig anderen Augen.

Bei Josef Cap hatte sie früher immer gedacht, er sei bloß ein eloquenter Zyniker ohne Substanz, der sich vor jeder wirklichen politischen Arbeit drückte, so gut er nur konnte. Jetzt wusste sie es! Und seit er ihr drei Fragen gestellt hatte (ihre Antworten hatten gelautet: Ja. Ja. Jaaaaa!), wünschte sie insgeheim, sie wäre schon im Präsidentschaftswahlkampf übergelaufen.

Und schließlich Werner. Werner! Sie fand keine Worte, um Werner zu beschreiben. Gut, so ging es Hans Dichand in der Zwischenzeit zwar auch, aber das war ja nun doch etwas anderes. Erst Werner hatte ihr gezeigt, dass es ein Leben nach Wolfgang gab. Und für Werner war sie bereit, jede Herausforderung anzunehmen. Benitas Handy schnurrte. Es war Josef Pröll. „Die Partei erwartet, dass du für den Willi Platz machst“, sagte er unumwunden. Benita lächelte ihr zauberhaftes Lächeln, das immerhin schon einmal fast für 48 Prozent gereicht hatte. Und dann sagte sie: „Welche Partei?“

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