Rainer Nikowitz: Gottfried, Cecil & Co.

Rainer Nikowitz: Gottfried, Cecil & Co.

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Gottfried Kneifel hat im Moment gerade die ehrenwerte Aufgabe, dem Bundesrat vorzusitzen. Also jenem erlauchten Gremium, das seine wichtigste Eigenschaft mit einem 13 Milliarden Lichtjahre entfernten Weißen Zwerg teilt: Weder das Verschwinden des einen noch des anderen würde der breiteren Öffentlichkeit exorbitant stark auffallen. Was aber ungerecht ist, wo doch im Bundesrat neben dem ehemaligen Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler noch eine Menge anderer Kapazunder sitzen, deren Talente anderswo sicher nicht so gut aufgehoben wären.

Herr Kneifel hat aber nun eine recht interessante Umfrage in Auftrag gegeben. Bei dieser konnte die Hälfte der befragten erwachsenen und also wahlberechtigten Österreicher zwar nicht erklären, was der Begriff „Föderalismus“ bedeutet – gleichzeitig sprachen sich aber 37 Prozent dafür aus, den Föderalismus zu stärken. Und nur lächerliche 15 Prozent attestierten ihm Schädlichkeit. Was für eine großartige demokratiepolitische Win-win-Situation für die Kneifels, Prölls und Platters! Kaum jemand weiß, was sie so machen – sie sollen es aber in Hinkunft noch intensiver tun dürfen. Und gerade die jüngsten, fruchtbringenden Verhandlungen über die Flüchtlingsunterbringung haben ja wieder vehement bewiesen, wie ungeheuer Österreich davon profitieren würde. Dass da jetzt der Bund mit einer Verfassungsänderung über unsere vor Verantwortungsgefühl für das größere Ganze nachgerade platzenden Landeskaiser drüberfährt, ist wieder einmal typisch für die Verbrecher im Wasserkopf Wien.

50 Prozent der Österreicher wissen zwar nicht, was „Föderalismus“ ist – aber sie sind dafür

Und übrigens: Dass in derselben Umfrage auch 78 Prozent der Befragten meinten, sie hätten zwar im Prinzip nichts gegen Heterosexuelle, aber die sollten ihren Schweinekram gefälligst in den eigenen vier Wänden machen und nicht auch noch heiraten und weiß Gott was wollen, wurde von offizieller Seite nicht bestätigt.

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Der türkische Vizepremier Bülent Arinc von Recep Erdogans AKP schleuderte einer Abgeordneten der Opposition, die ihn mit einer unbotmäßigen Meinungsäußerung gröblichst verärgert hatte, entgegen: „Seien Sie still! Sie als Frau, seien Sie still!“ Arinc ist jener Vertreter der Kräfte des Lichts, der schon im Vorjahr sinniert hatte: „Wo sind unsere Mädchen, die leicht erröten, ihren Kopf senken und die Augen abwenden, wenn wir in ihre Gesichter schauen, und somit zu einem Symbol der Keuschheit werden? Sie sollten sich sittsam kleiden und stundenlange Telefongespräche ebenso unterlassen wie lautes Lachen in der Öffentlichkeit.“

Es ist stark zu hoffen, dass diese längst fällige Korrektur provokanten weiblichen Danebenbenehmens auch im Parteiprogramm der Wiener AKP-Filiale, die bei der Wahl im Herbst antreten will, entsprechenden Niederschlag finden wird. Österreich ist ja, wie die leider zu einem harten, freudlosen Leben in der unterentwickelten Ferne gezwungenen Proponenten dieser Liste sicher bestätigen werden, noch weit davon entfernt, auch nur annähernd in jeder Beziehung so großartig zu sein wie Erdogans Türkei. Und irgendwo muss man schließlich anfangen. Außerdem lacht gerade diese Vassilakou manchmal wirklich laut. Das kann es ja bitte nicht sein.

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Russland hat mit seinem Veto im Sicherheitsrat die Einrichtung eines unabhängigen UN-Tribunals zur Klärung der Frage, wer für den Abschuss von Flug MH 17 über der Ostukraine verantwortlich war, verhindert. Das bedeutet nach Meinung der meisten Poster in den diversen Internetforen – und vermutlich auch nach der von Putin-Groupie Heinz-Christian Strache – im Wesentlichen Folgendes: 1. Damit ist die Unschuld Russlands ja wohl endgültig erwiesen. 2. Da können die Scheiß-Amis aber von Glück reden, dass sie noch einmal davongekommen sind. 3. Was heißt hier, warum?

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Der Tod des Löwen „Cecil“ in Zimbabwe, der von einem amerikanischen Zahnarzt gegen Zahlung von 50.000 Dollar erschossen wurde, hat vor allem in den USA beispiellose Empörung hervorgerufen. Der Zahnarzt musste seine Praxis schließen und ist angesichts der zahllosen Morddrohungen gegen ihn untergetaucht. Nun ist natürlich jeder Löwe, der von einem trophäengeilen Arschloch umgenietet wird, einer zu viel. Aber es ist auch sehr erfreulich, dass wie fast immer im Empörungsgewitter- und Shitstormbusiness die Relationen gewahrt bleiben. Die schwarze Professorin und Autorin Roxane Gay twitterte denn auch: „Ich werde ab nun ein Löwenkostüm anziehen, wenn ich das Haus verlasse. Wenn ich dann erschossen werde, kümmert es wenigstens jemanden.“

Auch hierzulande ist es ja interessanterweise so, dass man bei Durchsicht der Profile von Facebook-Benutzern, die sich gerne in lüsternen Gewaltfantasien bezüglich Asylanten ergehen, überdurchschnittlich oft auf voll süße Katzis und Hundis trifft. Wenn Sie also planen sollten, demnächst öffentlich einen Afghanen zu quälen, hier ein guter Tipp: Achten Sie bitte penibel darauf, dass er nicht um zwei Beine zu viel hat.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort