Satire

Rainer Nikowitz: Hör mal, wer da hämmert

Wenn Feinmechaniker Karl Nehammer das Wort „Wien“ hört, greift er instinktiv zur Flex. Und auch zu anderen Werkzeugen.

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Karl Nehammer betrachtete die Flex auf seiner Regierungswerkbank. Zärtlichkeit lag in seinem Blick. Andere mochten das vielleicht nicht verstehen. Die wussten nicht, wozu so eine Maschine gut war, spürten nicht, welche Möglichkeiten sich dem eröffneten, der mit ihr umgehen konnte. Aber die waren ja auch nicht der Heimwerker-King unter den Ministern.

In seinen Träumen trug Karl oft einen türkisen Superhelden-Blaumann – so viel Unterschied war da ja farblich nun auch wieder nicht – und verfolgte mit seinem kreischenden und Funken sprühenden Lieblingswerkzeug hämisch grinsende Infektionsketten quer durch das nächtliche Wien. Nicht durch Virol wohlgemerkt. Und schon gar nicht durch Niederösterreich. Wenn er in St. Pölten eine seiner gefürchteten Mahnungen mit dem Holzhammer ans Tor der Landesregierung genagelt hätte, wäre ja Wonderwoman Johanna Mikl-Leitner über ihn gekommen, aber hallo! Und dann hätte ihn sein Lehrherr im Bundeskanzleramt womöglich schon nach ein paar Monaten wieder auf den im Moment doch recht schwierigen Arbeitsmarkt zurückgeworfen. Das galt es dringend zu vermeiden.

Schraubzwingen mochte Karl auch recht gern. Die musste er aber jetzt leider wieder in der Werkzeugkiste lassen. Obwohl sie so hervorragende Dienste geleistet hatten, während des Lockdowns. Immer und immer wieder hatte Karl sie damals hervorgeholt und jene vier Gründe, aus denen man angeblich ausschließlich seine Wohnung verlassen hatte dürfen, taxativ ins Volk geknurrt. Und dann waren seine uniformierten Gesellen ausgeschwärmt und hatten fröhlich Anzeigen ausgeteilt. 600 Euro hatte das manchen gekostet. Aber Strafe musste nun einmal sein, und schließlich hatten die Insubordinierer ja nicht bloß aufs Sackerl fürs Gackerl gepfiffen.

Und jedes Mal, wenn Karl auf einer seiner 48 Pressekonferenzen verächtlich die ebenfalls immer gleiche Formulierung: „Corona-Partys! Schon allein der Begriff ist an Schwachsinnigkeit nicht zu überbieten!“ ausgespuckt hatte – es war dies die Zeit vor dem hervorragend besuchten Kleinwalsertal-Open-Air des Meisters –, schliffen seine Mitarbeiter ihre Dietriche nach und machten sich auf, eben jene verantwortungslosen Zusammenballungen von manchmal bis zu vier verantwortungslosen Lebensgefährdern zu sprengen. Wegen ungebührlicher Lärmerregung natürlich. Für einen anderen Grund hätte es ja in Privatwohnungen leider keine Rechtsgrundlage gegeben.

Karl war aber mehr der Mann für das Texas-Kettensägenmassaker.

Und dass sich die besagten vier Gründe zum Rausgehen im Nachhinein auch als doch nicht so ganz ausschließlich herausgestellt hatten, wunderte Karl überhaupt nicht. Diese Richter, die so etwas entschieden, musste es in einem Rechtsstaat zwar leider geben – aber die waren doch allesamt bloß praxisferne Sesselfurzer. Er hingegen war ein Mann der Tat, der ja gar nicht die Zeit und die Lust hatte, sich groß um die Bauanleitung für Gesetze und Verordnungen zu kümmern. Die waren ja nur für die, die nicht von selbst wussten, wie man das richtig machte. Die mit den zwei linken Händen. Außerdem stand in diesen Anleitungen ja zuallererst drin, dass man sie genau zu befolgen hatte und Verordnungen nur ganz vorsichtig mit der Laubsäge zuschneiden sollte. Karl war aber mehr der Mann für das Texas-Kettensägenmassaker. Und zum Glück war sein Meister da auch nicht so spitzfindig. Also packte Karl einfach an, wenn er ein Problem sah.

Manchmal sah es zwar sonst keiner, wie etwa bei den Infektionszahlen in Wien. Aber wurscht, Karl packte es trotzdem an. Wenn ihm der Chef anschaffte, zu einem ordentlichen Kahlschlag anzusetzen, schnappte sich Karl eben ohne viel Nachdenken seine Axt und machte es einfach – um sie dann anschließend rasch hinter dem Rücken zu verstecken und treuherzig zu versichern, er wolle sicherlich kein Polit-Hickhack. Schließlich galt es ja, Prioritäten zu setzen. Und die lagen im Moment – Corona hin oder her – für die verantwortungsvollste aller Regierungsparteien klarerweise eindeutig darin, für Gernot Blümel ein Podest zu zimmern, von dem aus er bei der Wahl im Herbst um einiges höher springen konnte, als bloß über die Fünfprozenthürde.

Mittlerweile hämmerte auch Integrationsministerin Susanne Raab sehr brav daran herum. Obwohl man ja sonst eher nicht so viel von ihr hörte. Vor allem nicht zum Thema Integration. Und da hieß es immer, dass es Frauen in typischen Männerberufen wie dem goldenen Handwerk nicht weit brächten. Das konnte ganz offensichtlich aber nur daran liegen, dass sie von ihrem Parteiführer nicht ihren Stärken entsprechend eingesetzt wurden.

Noch waren allerdings ein paar Monate Zeit bis zur Wahl. Manche fürchteten wohl insgeheim, dass Karl seine schweren Werkzeuge vielleicht schon ein wenig früh zum Einsatz gebracht hatte. Aber was wussten die schon. Die hatten ja seine Abrissbirne noch nicht gesehen.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort