Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Nur Mut, Mahmoud!

Nur Mut, Mahmoud!

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Liebe moslemische Brüder, verfluchte Ungläubige, nichtswürdige Weiber! Als ich in meiner gepanzerten Limousine, die mich vor neuerlichen allzu heftigen Freudensbekundungen meines eigenen Volkes und aller anderen Fans, die ich weltweit habe, schützen soll, durch die Straßen von New York hierhergefahren bin, habe ich mir gedacht: Was für eine großartige Stadt! Immer noch voll mit imperialistischen Wolkenkratzern, in denen sich eine Boeing verdammt gut machen würde!

Nun weiß zwar ohnehin jeder Mensch und auch jede Frau, dass 9/11 von zionistischen Attentätern – denen man lachhafterweise für das Jenseits einen ganzen Kibbuz voller nahkampferprobter israelischer Soldatinnen versprochen hatte – im Auftrag der US-Regierung ausgeführt wurde. Das heißt aber auf der anderen Seite nicht, dass ich mir nicht manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann – weil mich die Sorge um die immer höher werdende Zahl schwuler Delfine in der Straße von Hormuz und vor allem die enorme logistische Herausforderung, sie allesamt an den Galgen zu bringen, wach hält –, immer wieder einmal gern die zusammenstürzenden Twin Towers in Zeitlupe ansehe.

Die ungeheure Geschichtsklitterung, die hier betrieben wird, wundert mich natürlich keine Sekunde. Schließlich bin ich durch die unendliche Gnade des Propheten ja ein Wissender, und als solchem ist mir bewusst, dass 9/11 nur eine von vielen Lügen ist. Nehmen wir den Holocaust: Wir sind gerade dabei, im Iran eine Bildungsreform voranzutreiben, nach der jedes Kind wissen wird, dass der Holocaust nur eine gigantische Hollywood-Inszenierung von diesem Propagandajuden Spielberg war. Und wenn Sie jetzt behaupten, dass der damals noch gar nicht auf der Welt war, dann verrate ich Ihnen exklusiv: Das stimmt auch nicht. In Wirklichkeit ist er nämlich schon 93 und sieht nur wegen diesem Botox so jung aus – das übrigens wie auch Penicillin, Viagra und der Big Mac von iranischen Wissenschaftern erfunden wurde.

Und wenn wir schon dabei sind: Die Perser haben die Seeschlacht bei Salamis gar nicht verloren. Es war ein Unentschieden. Und auch das nur, weil Xerxes dringend wegmusste, um Amerika zu entdecken. Außerdem wurde, auch das sollte jetzt endlich einmal gesagt werden, der Iran seit 1982 immer Fußballweltmeister – und zwar jedes Mal durch einen 4:0-Sieg im Finale gegen Brasilien. Aber natürlich wird auch das im Westen
beharrlich verschwiegen.

Wenn der Westen nun behauptet, der Iran unter meiner umsichtigen Führung sei ein Unterstützer des Terrors, dann stehen dem einfach die Fakten gegenüber: So ist beispielsweise der Export von Sprengstoffgürteln aus dem Iran im Vergleich zum Vorjahr um 2,1 Prozent gesunken. Und der Plutoniumschmuggel mit dem Ziel der Herstellung schmutziger Bomben ist zwischen uns und Ländern wie Fidschi, Swasiland oder Surinam überhaupt völlig zum Erliegen gekommen.

Aber interessiert das die vom jüdischen Kapital vergiftete Westpresse? Natürlich nicht. Die ergeht sich lieber in völlig haltlosen Vermutungen, ein umgänglicher Staatenlenker wie ich könnte die Atomkraft nicht nur friedlich nutzen wollen. Und ich weiß jetzt schon, was der Westen behaupten wird, wenn uns dabei vielleicht einmal ein kleiner Unfall passiert, wie damals den Russen in Tschernobyl, und dabei vielleicht zufällig jemand in der Nähe ist – sagen wir, nur um ein völlig willkürliches Beispiel zu nennen, Tel Aviv. Sicherlich etwas, das mich erst recht wieder in meinem Stolz verletzt. Und wenn ich auf etwas stolz bin, dann auf meinen Stolz.

Man könnte ja vernünftig mit mir reden. Auf Augenhöhe, von Mann zu Mann. Aber wo ist denn die ausgestreckte Hand des Westens? Wo sind die Versuche, die ganze Sache vielleicht einmal in einem entspannten, privaten Rahmen zu besprechen? Ruft mich Barack Obama einmal an und sagt: „Ach komm, Mahmoud, lass uns doch gemeinsam auf eine Steinigung gehen und dabei gemütlich tratschen.“ Nein, tut er nicht. Er hat eben keinen Stil.
Mein Psychotherapeut sagt immer: „Mahmoud, du darfst dir das nicht so zu Herzen nehmen. Enttäuschungen gehören nun einmal zu deinem Job. Und im Übrigen auch zu meinem.“ Der Mann hat leicht reden. Er ist in seiner Freizeit bei der Bassidsch-Miliz und vermöbelt zur Entspannung Oppositionelle. Wenn er einen besonders harten Tag hatte, erschießt er auch einmal einen. Solche Zerstreuungen verbieten sich natürlich für einen Mann wie mich, zu dem Milliarden aufschauen. Mir bleibt nur das Gebet. Und ab und zu werde ich von Außerirdischen entführt, das ist mitunter auch ganz lustig. Und heute Abend zum Beispiel, heute Abend werde ich genau dasselbe wie jeden Abend machen, Pinky: Ich versuche, die Weltherrschaft an mich zu reißen!

Aber jetzt wird es langsam wirklich zu persönlich. Also dann: bis nächstes Jahr. Wenn Sie mir eine Freude machen wollen, dann konvertieren Sie bis dahin. Und wenn Sie mir eine noch größere Freude machen wollen, dann explodieren Sie auch noch.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort