Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Pflichtschuldig

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Es gab ja Menschen, die behaupteten, bei der Landeshauptleutekonferenz handle es sich um ein Treffen von Politikern, die von ihrer eminenten Bedeutung für das Funktionieren des Staatsganzen zuvorderst einmal selbst rückhaltlos überzeugt seien.

Von Provinzgöttern, die es sich zu ihrer nobelsten Aufgabe gemacht hätten, ihre jeweiligen Herzogtümer nachhaltig zu Besitztümern umzuwandeln und bis in den kleinsten Winkel mit wichtigen Jobs für Günstlinge der jeweils einzig richtigen Partei vollzupacken. Und obwohl ihr Tagewerk, wenn man es auf die tatsächlich erbrachte, nackte Leistung herunterbreche, ziemlich genau der Definition von Langzeitarbeitslosigkeit entspreche, nähmen ihre Parteien sie unfassbar wichtig – was sich in einem warmen Geldregen namens Finanzausgleich manifestiere, den die gerührten Bürger, schon allein ob der bloßen Existenz ihrer Landeshauptleute unendlich dankbar, nie versiegen ließen.

Es gab Menschen, die das so sahen. Weil es eben immer und überall böswillige Menschen gibt, die alles völlig verzerrt darstellen. Vielleicht hätte man diese Menschen einmal einen Blick in den Sitzungssaal werfen lassen sollen, in dem sich die Landeshauptleute gerade jetzt trafen. Und vielleicht hätten sie dann erkannt, wie entsetzlich Unrecht sie diesem ausgemergelten, unter dem Joch seiner vielfältigen Verpflichtungen ächzenden Haufen von braven Dienern des Volkes taten.

Wobei die Ärmsten bei ihrer heutigen Zusammenkunft eine gemeinsame Hoffnung einte: jene auf Besserung ihrer untragbaren Situation. Denn nunmehr wussten die Menschen da draußen ja, wie schwer es die Landeshauptleute hatten. Und was sie alles auf ihre hängenden Schultern laden mussten.

Seit dem lauthalsen Schluchzen des Tirolers Günther Platter nämlich, der die Kritik an den Jagdeinladungen, die er angenommen hatte, mit einem waidwunden „Es kann nicht sein, dass ein Landeshauptmann keine Chance mehr hat, das Freizeitvergnügen im eigenen Land zu verbringen!“ quittiert hatte. Und der darauf folgenden nüchternen Tatsachenfeststellung seines Parteiobmanns, dass es für einen Tiroler Landeshauptmann doch wohl bitte regierungstechnisch notwendig sei, gratis jagen zu gehen.

Und damit hatte der Tiroler ja noch Glück, denn, so ­Michael Spindelegger düster: „Der niederösterreichische ­Landeshauptmann wird auch einmal ein Glas Wein trinken müssen.“

Wir haben es ja geahnt! Aber nun einfach so der ungeschminkten, grausamen Gewissheit ins Auge blicken zu müssen – das ist schon extrahart.

Und nicht nur Platter und Erwin Pröll müssten solche übermenschlichen Leistungen erbringen, erklärte Spindel­egger: „In anderen Bundesländern wird ganz spezifisch wieder etwas von einem Landeshauptmann erwartet.“
Ganz spezifisch! Welch schreckliches Los!

Wobei man heute dem Häupl Michl und dem Niessl Hans ansah, dass das erbarmungslose Schicksal mit ihnen genauso spezifisch verfahren war, wie es beim Kollegen aus Niederösterreich quasi epidemisch endemisch zuschlug. So einem Achtel-Anschlag entkam man eben nicht leicht. Auch Franz Voves wusste darum nur zu gut. Schließlich lauerten auch in und um Gamlitz Gefahren, vor denen unbedarfte Nicht-Landeshauptleute sicherlich entsetzt zurückgeprallt wären.

In Salzburg wiederum lag der Fall ganz anders, aber deswegen nicht weniger dramatisch. Gabi Burgstaller wurde schon den ganzen Tag von Weinkrämpfen geschüttelt. Und zwischendurch entfuhr ihr manchmal:
„Osterfestspüle!“

Oh Gott, ja. Das hatten die anderen ja völlig vergessen. Günther Platter schalt sich selbst im Stillen einen unsensiblen Klotz, weil er trotz seiner Probleme beim Pirschen doch nun wirklich daran denken hätte können, dass es für die Salzburgerin nicht mehr nur im Sommer galt, Regietheater, moderne Operninszenierungen und manchmal sogar zeitgenössisches Ballett zu verkraften. Das wünschte man nicht einmal einer Roten.
Vom Pühringer Joe erwartete ein mitleidloses Landesvolk, dass er Mühlviertler Dialekt nicht nur verstand – sondern im Fall des Falles auch sprach. Niemand interessierte sich für die Folgen, was denn passierte, wenn das jemand hörte. Die Schande. Den Hohn. Die lebenslange Ächtung.

Vom Kärntner Kollegen wiederum wurde quasi gewohnheitsmäßig eine geharnischte Verhaltensoriginalität erwartet. Jüngere Kärntner hatten überhaupt noch nie einen Landeshauptmann erlebt, der nicht gleichzeitig Witzekanzler beim Villacher Fasching sein hätte können. Die dachten echt, das sei überall so. Doch wer ahnte schon, wie es tief drinnen in Gerhard Dörfler aussah? Ja, noch schlimmer: Interessierte das eigentlich irgendwen?

Aber, wie gesagt: Vielleicht würde sich das jetzt ja alles ändern. Und vielleicht würde es ja dann auch endlich die von den Landeshauptleuten so herbeigesehnte Föderalismusreform geben. Damit sie nicht mehr so entsetzlich viele Kompetenzen, angefangen von Sonntagsreden bis hin zu Spatenstichen, schultern mussten. Und zwar spezifisch.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort