Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Privatsache

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Es war die Nacht, in der sich Mitzi über ihren zweitgrößten politischen Erfolg freuen durfte. Also jenen, der gleich nach der preiswerten und überhaupt in jeder Hinsicht vollkommen geglückten Anschaffung von neun ­Millionen Grippemasken kam. Denn den noch zu toppen war ja praktisch unmöglich. Ach, wie gerne dachte Mitzi an diese Zeit zurück, als die flächendeckend vermummte Bevölkerung zu Abertausenden durch die Straßen gezogen war, Dankeschoräle wie diesen intonierend: „Und wenn der letzte Vogel vom Himmel auch fallert, wird uns nicht bang – weil uns schützt die Mitzi Rauch-Kallat

Alfons war damals auch ausgesprochen froh gewesen. Wie lieb von ihm! Er freute sich ja immer so, wenn seine süße Bürgerliche unter Beweis stellte, dass er sie zu Recht geheiratet hatte. Ganz besonders klarerweise dann, wenn ihn neben ihr noch ein kleines Geldsümmchen anlachte. Und damals hatte sich das tatsächlich gerade so ergeben, dass das eine mit dem anderen zusammenfiel. Kaum zu fassen, oder? Es war – wie so oft in seinem erstaunlichen Leben – wieder einmal wirklich unglaublich, wie der Zufall so Regie führte!

Ein Geldsümmchen war allerdings in der Nacht ihres zweitgrößten politischen Erfolgs leider eher nicht zu ­erwarten. Wer, bitte schön, hätte dem Ali denn was zahlen sollen, dafür dass die Bundeshymne auf Mitzis bahnbrechende Initiative hin verweiblicht wurde? Die linken Emanzen? Die hatten doch alle keine Marie, weil sie – natürlich völlig zu Recht – von irgendwelchen Prekariatsjobs lebten. Und außerdem hatte der Alfons mit dieser Sache ausnahmsweise einmal wirklich überhaupt nichts zu tun. Er war ja doch eher einer vom ganz alten Schlag und konnte mit diesem Genderzeugs rein gar nichts anfangen. Es hatte schon lange genug gedauert, bis er sich an so hoffentlich eher kurzfristige Modeerscheinungen wie das Frauenwahlrecht gewöhnt hatte.

Alfons gedachte in jener Nacht allerdings, zumindest Mitzis nach ihrem zweitgrößten Erfolg prächtige Laune zu nützen – hatte aber die Rechnung ohne die Wirtstochter gemacht. Denn für seine vor Gott mit ihm Verbundene waren Anstand und Moral immer schon das Wichtigste gewesen. Darum hatte sie ja auch ihre erste Ehe moralisch vollkommen korrekt vom Papst annullieren lassen, bevor sie sich ihrem Ali hingab. Wer wollte denn auch sehenden Auges ein peinliches Problem mit dem Konsum des Leibes Christi beim wöchentlichen, vom gewöhnlichen Fußvolk sehr genau beobachteten Kirchgang in Luising riskieren?

Und genau diese hohen moralischen Maßstäbe seiner Gräfin Mariza wurden Alfons jetzt zum Verhängnis. Mitzi hatte immer schon peinlichst genau darauf geachtet, dass in ihrer Ehe das Berufliche und das Private streng getrennt wurden. Klar, natürlich wusste sie, was er so tat. Und sie bewunderte ihn ja auch dafür. Andere Männer hatten nicht so eine fundamentale Allgemeinbildung, dass sie auf Zuruf praktisch jede Art von hochdiffizilen Studien verfassen konnten und sich weltweit in allen Märkten auskannten.

Ob es nun eine Studie über die Expansionschancen in der bulgarischen Mobiltelefonie war oder über die Besonderheiten der Luftraummilitaristik der Demokratischen Republik Kongo oder auch die Aussichten, das Tragen von Grippemasken auf Malta als Modetrend zu etablieren – ­Alfons konnte sie liefern. Was auf der anderen Seite aber auch nicht weiter verwunderte. Schließlich hatte er doch aufgrund seiner profunden Ausbildung als Bauer und kurzfristig wahnwitzig erfolgreicher Vermarkter von Dosenwildschweinsuppe – man spricht in Wirtschaftskreisen noch heute von einem Absatz von vier Dosen allein im ersten Monat – und dem beinahe in die Tat umgesetzten Plan einer Straußenzucht im Südburgenland das nötige Rüstzeug erworben, um für praktisch jeden multinationalen Konzern die eierlegende Wollmilchsau zu geben. Und ja: Das war natürlich auch hoch erotisierend.

Mindestens genauso wie dieser extrascharfe Tanga, in dem er gerade ihr Boudoir betrat und in dem man ganz genau erkennen konnte, dass er Rechts-Dräger (sic!) war. Natürlich war dieses Kleidungsstück durchaus dazu angetan, ihren gräflichen Puls zu beschleunigen. Und auch eine zarte Röte auf ihre nach der Reinigung durch den Vatikan wieder gänzlich unschuldigen Wangen zu zaubern. Aber das ging nun wirklich nicht. Da hatte Ali jetzt eindeutig eine Grenze überschritten, da musste Mitzi jetzt standhaft bleiben und ihm sagen: Bis hierher und nicht weiter!
Es war nämlich ein Loden-Tanga. Also quasi die Dienstkleidung. Bei der Studienanbahnung auf der Pirsch, im Wald und auf der Heide.

„Wir wollten doch das Private und das Berufliche strikt trennen! Schau, dass du hinauskommst!“, herrschte ihn seine Sauberfrau an. Missmutig tat der Graf wie ihm geheißen. Sie hatte ja Recht. Aber trotzdem. Er musste jetzt irgendetwas Schönes tun, sich selbst eine Freude machen. Also setzte er sich vor den Computer und gründete rasch eine Scheinfirma in ­Panama. Aber ehrlich gesagt: Nicht einmal das konnte die Nacht von Mitzis zweitgrößtem politischem Erfolg noch retten.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort