profil-Kolumnist Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Putsch

Im Bunker des Finanzministeriums war der Kampfeswille ungebrochen. Niemals würde sich der Chef einfach so durch untürkise Umtriebe aus dem Amt hebeln lassen.

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Letzte Nacht war es vergleichsweise ruhig gewesen. Nur an der Einlaufstelle für Körperschaftssteuerermäßigungen hatte es einen lokal begrenzten Durchbruchsversuch der Putschisten gegeben. Zum Glück hatte das kleine Loch im türkisen Verteidigungswall aber rasch wieder gesichert werden können, die Leitstelle im Bunker unter dem Finanzministerium konnte zufrieden sein. Die drei Reihen Metallspinde, die jetzt dort standen, hielten garantiert jeder weiteren Angriffswelle stand, befanden sich in ihnen doch die Ausdrucke aller geheimen Mails des Chefs.
 

Ein paar Tonnen davon waren überhaupt so geheim, dass der Chef sie selbst schon vergessen gehabt hatte, bevor sie einst überhaupt abgeschickt worden waren. Die standen jetzt eisern an der Front. Gedankenschwer. Unverrückbar. Mit denen konnte man nicht einfach Schlitten fahren. Oder spazieren gehen wie mit einem Laptop. Hier würde jeder Konter wider die türkise Revolution ins Volle laufen.

Der Schutzwall funktionierte in der Zwischenzeit überhaupt dermaßen perfekt, dass man im Kommandobunker des Finanzministeriums ausgesprochen zufrieden war. „Das halten wir noch Jahre durch!“, hatte der Minister erst kürzlich an die Zentrale im Bundeskanzleramt gerauchzeichnet – eine andere Form der Kommunikation war in einer dermaßen verlottert mit ihren politischen Verantwortungsträgern umspringenden Belagerungszeit ja leider nicht mehr möglich. Bedauerlicherweise war die Netzqualität durch den erzwungenen Providerwechsel mit der von früher nicht zu vergleichen. Der Bunker half da auch nicht gerade.

Die Mails …  Dem Finanzminister stiegen beinahe Tränen der Rührung auf, als er am Morgen die nächtliche Kampfstelle inspizierte und all die Kästen voll mit seinen gebündelten Gedanken sah. Mit denen war ja damals alles so richtig losgegangen. Da hatte sich die vorher schon in höchstem Maße unbotmäßige Justiz endgültig die Maske von der hässlichen Fratze gerissen und ihre wahren Absichten,  die ja mit einer Gerechtigkeit im modernen Sinn nie etwas zu tun gehabt hatten, sondern immer schon nur schlecht verhüllte Umsturzvorbereitungen gewesen waren, endgültig enttarnt. Sie hatte damit den Boden für den Putsch bereitet. Wegen ihrer unfassbaren Exekutionsanordnung an den Bundespräsidenten hatte der tatsächlich überlegen müssen, ob er im Fall des Falles gleich die Infanterie ins Finanzministerium schicken – oder erst lieber die Artillerie Vorarbeit leisten lassen soll.

In welcher Verfassung war dieser Gerichtshof denn bitte? Wie hatte man den armen Mann in so eine unmögliche Situation bringen können? Der hatte ja damals ganz erledigt ausgesehen bei seiner Pressekonferenz. Ja, wenn da ein anderer gestanden wäre, okay. Wolfgang Sobotka zum Beispiel. Der hätte die Depesche mit der Exekutionsanordnung wahrscheinlich vor laufenden Kameras aufgegessen – und die Debatte dann mit einem in seiner Partei einzig in diesem Fall als Diminutiv gestatteten Bäuerchen für beendet erklärt.

Ein so energisches Eintreten für das Richtige hatte man sich von dem Grünen in der Hofburg natürlich nicht erwarten können. Und dann in weiterer Folge leider auch nicht von seinen missratenen Kindern in der Koalition. Weshalb ja auch alles Weitere ins Rollen gekommen war, sich die Dinge immer weiter aufgeschaukelt hatten – bis es dann schlussendlich zum Putsch gekommen war.

Also genau gesagt natürlich nur zum Putschversuch, er war ja gescheitert. Manche Landstriche mochten die Rotarmisten ja vielleicht unter ihrer Kontrolle haben  – aber in den Schaltzentren hatte sich nichts geändert, seit der ersten Rücktrittsaufforderung nicht. Gernot Blümel war immer noch Finanzminister. Und Sebastian Kurz hatte den Ballhausplatz immer noch besser unter Kontrolle als einst Friedl Koncilia seinen Strafraum. Niemand kam dort ohne Schrammen rein.

Es mochte vielleicht sein, dass manche Historiker dereinst den Putsch in absichtlicher Verschweigung der Tatsachen nicht als solchen darstellen würden. Sondern als Wahl. Denn eine solche war der Putsch ja am Ende streng genommen tatsächlich gewesen. Aber: Die war ja schließlich nur abgehalten worden, um der ÖVP zu schaden! Als trauriger Beweis dafür, dass nach Staatsanwälten, Verfassungsrichtern und dem Bundespräsidenten auch noch die meisten Wähler einem geheimen roten Netzwerk angehörten!!  Niemals würde ein Gernot Blümel, niemals würde die ÖVP eines Sebastian Kurz aufgrund einer dermaßen leicht durchschaubaren Farce weichen!

Die Frontinspektion musste weitergehen, für die Moral der Truppe war das unverzichtbar. Der Finanzminister zog sich den Kinnriemen seines Stahlhelms fester, Robert Lichal wären die Tränen waagrecht aus den Augen geschossen, hätte er das sehen dürfen. Niemals würde er weichen, nicht vor Gerichten, nicht vor dem Bundesheer, nicht vor Wählern. Er war türkis. Er war größer als das.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort