profil-Kolumnist Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Rechtersprechung

Erste kleine Rückschläge bedeuten natürlich keineswegs, dass sich die ÖVP von einer Justizreform im richtigen Sinne – also dem ihren – abbringen lassen wird.

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Der Feldzug der völlig von jeglichem gesunden Volksempfinden verlassenen Justiz gegen den Hort der Untadeligkeit geht unglücklicherweise weiter. Jüngstes Opfer der sattsam bekannten WKStA ist – ausgerechnet – ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker. Die vom großen Vorsitzenden angeführte türkise Schlange vor dem Gerichtssaal wird also wieder ein Stück länger. Das kann nicht so weitergehen, das schreit nach Änderungen. Und zwar natürlich nicht etwa im Verhalten der ÖVP – sondern in den rechtlichen Rahmenbedingungen. Es braucht eine Justizreform, die den Namen verdient – und nicht, dass die türkisen Rechtsstaatsrespektierer, wie es nun einmal ihre zupackende Art ist, da nicht schon längst daran arbeiten würden. Denn wo Unrecht Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht! Dieses Zitat wird zwar gern diesem linkslinken Brecht zugeschrieben – tatsächlich ist es in seiner Urform, wie nicht zuletzt Andreas Khol weiß, aber um einiges älter. „Wenn aber die Gesetze des Staates mit dem göttlichen Recht in offenbarem Widerspruch stehen, (…) dann ist Widerstand Pflicht und Gehorsam Frevel!“, dekretierte schon Papst Leo XIII. im 19. Jahrhundert. Und was, wenn nicht eine himmelschreiende Situation wie die derzeitige, könnte er damit denn sonst gemeint haben?

Ziel der Reform muss selbstverständlich sein, die Unschuldsvermutung schon aufgrund der Zugehörigkeit zur ÖVP in eine immerwährende Unschuldsgewissheit umzuwandeln, so will es der wichtige Teil der Regierung und so will es auch das Volk zu 38 Prozent – also mit absoluter Mehrheit. Leider wurden die ersten diesbezüglichen, grundvernünftigen Ansätze sofort wieder durch den Dreck gezogen. Dass man Wolfgang Sobotka nach seiner Anregung, Abgeordnete vor Untersuchungsausschüssen endlich von dieser mehr als lästigen Wahrheitspflicht zu befreien, gleich als notorischen Lügenbolzen und damit schlechten Christen hingestellt hat, spricht Bände. Dabei hatte er gar nicht dazugesagt, dass das selbstverständlich nur für ÖVP-Abgeordnete gelten solle. Und auch nicht nur vor Untersuchungsausschüssen, sondern generell. Aber was nicht ist, wird mit Sicherheit noch kommen, die ÖVP wurde ja nicht zum Alleineigentümer Österreichs gewählt, um sich dann beim Regieren einen Hemmschuh nach dem anderen anziehen zu lassen. Wobei: In vielen Bereichen, in denen die lebensfremde Justiz zum Glück nichts mitzureden hat, ist Sobotkas Genieblitz ohnehin schon umgesetzt. Man denke da nur an Wahlkämpfe. Oder so ziemlich jedes Interview.

Auch der Vorstoß, Durchsuchungen bei Behörden nicht mehr zuzulassen – weil man dort halt unglücklicherweise immer wieder einmal was findet     – , wurde leider gestoppt. Man hat ja den Grünen in den Koalitionsverhandlungen unvorsichtigerweise das Justizressort zugestanden, weil man damals halt noch nicht ahnen konnte, dass es sich im Gegensatz zu sonst immer dieses Mal relativ hurtig als Doch-nicht-Orchideenressort herauskristallisieren würde. Und Ministerin Alma Zadić erwies sich leider als im gottgegebenen Naturrecht nicht so firm, wie man es an sich erwarten dürfte.

Das darf aber natürlich nicht dazu führen, dass die ÖVP die Flinte ins hochsubventionierte Korn wirft – und das tut sie ja auch nicht, wie die neuesten Ideen beweisen. Aus den leidvollen Erfahrungen des U-Ausschusses ist ja nicht nur die Lehre zu ziehen, dass die Wahrheitspflicht ein Holler ist, sondern vor allem auch, dass es einen neuen Straftatbestand braucht: Blöd fragen.

Das gehört ein  für alle Mal verboten. Und wenn man das einmal umgesetzt hat, kann man sogar über eine Erweiterung auf blöd schauen nachdenken, Sebastian Kurz hat da nämlich letztens einen Blick von Kai Jan Krainer aufgefangen, der ihm gar nicht gefallen hat. Die Strafdrohung sollte hier so dimensioniert werden, dass es ein Fall für die Schwurgerichtsbarkeit wird. Allerdings müsste man dann bei der Auswahl der Geschworenen auch vermehrt darauf achten, dass hier ein wirklich repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung abgebildet wird. Dies ist aber relativ leicht zu bewerkstelligen. In Zukunft kann diesbezüglich aus einem Pool gewählt werden, der sich aus der Jungen ÖVP, dem Bauernbund, Wirtschaftsbund, ÖAAB und dem Seniorenbund zusammensetzt. Damit ist quasi jede Bevölkerungsgruppe abgedeckt. Also zumindest jede, die etwas zu reden haben sollte. Berufsrichter braucht es dann eigentlich keine mehr, die würden die Sache nur verkomplizieren. Ebenso kann klarerweise die WKStA weg, als Anklagebehörde reicht das ÖVP-Generalsekretariat völlig aus. Das würde nicht nur mehr Sachlichkeit mit sich bringen, sondern wäre auch noch mehr privat, weniger Staat – also ein Geschäft.

Dann bliebe nur noch die göttliche Gerichtsbarkeit über. Aber auch da muss man das Rad nicht neu erfinden. Ablasshandel und Scheinheiligkeit waren schließlich in der guten alten Zeit auch schon eine unschlagbare Paarung.

 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort