Rainer Nikowitz: Rechts draußen

Dass die Grünen ein Problem mit der harten Regierungslinie in der Migrationskrise haben, überrascht nicht weiter. Aber eine andere Partei ist ja noch viel unzufriedener.

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Im Kegelkeller des Gasthauses „Zum gütigen Goten“ war es durchaus schon einmal freudvoller zugegangen. Wie viele sensationelle Wahlerfolge hatten sie hier schon mit vollen Humpen gefeiert? Wie oft hatten sie hier schon ausgelassen die heimliche FPÖ-Hymne „Und wer im Jänner geboren ist …“ angestimmt? (Wobei sie eigentlich immer gleich mit dem Juli – Harald Vilimskys Geburtsmonat – begannen und ihn in jeder Strophe wiederholten, was dem mindestens ebenso rührenden wie rührigen EU-Abgeordneten interessanterweise nie auffiel.) Ach, was hatten sie hier unten, in diesem Gewölbe, dessen Düsternis hervorragend zu ihren Absichten passte, nicht schon geflachst, gelacht und gegeifert … Früher. In der guten alten Zeit. In der Zeit, in der sie noch ausschließlich auf der Siegerstraße unterwegs gewesen waren. In der Zeit, in der sie noch ein Alleinstellungsmerkmal gehabt hatten. Aber das war ja jetzt wohl endgültig vorbei.

Herbert Kickl trommelte genervt mit den Fingerspitzen auf einem Ausdruck des neuesten Innenministerium-Plakates herum. Dem, das so aussah, als hätte er persönlich es für die Afghanen entworfen – und nicht der talentierte Sohn der Schwägerin von Johanna Mikl-Leitners Nagelpflegerin. Diese plumpe Kopie war ja nur der letzte Kulminationspunkt in einer Entwicklung, die man schlichtweg als skandalös bezeichnen musste. Einer Entwicklung allerdings, die Herbert als Erster vorausgeahnt hatte. Die anderen in der Partei, diese naiven großen Kinder, hatten ja noch gejubelt, als im vergangenen Herbst die große Einwanderungswelle begonnen hatte. „Wirst sehen, Herbert“, hatte sogar HC frohlockt, „auf der reite ich direkt ins Bundeskanzleramt!“ Und die Umfragen hatten dem Mann, der unter Herbert den Spitzenkandidaten geben durfte, ja anfangs durchaus Recht gegeben. Doch Herbert hatte schon damals gespürt: Das geht nicht gut aus. Und Recht hatte er gehabt.

„Kömma net wenigstens klagen?“, fragte der Hofer Norbert mit brüchiger Stimme. Er zog das Plakat unter Kickls Händen hervor und schaute so betrübt, wie er zum letzten Mal geschaut hatte, als ihn jemand als „gemäßigten“ Blauen verunglimpft hatte. „I mein, des geht do net. Was is mit Urheberrecht und so?“

Bei uns sagt man zum Moslem ‚Gusch!‘ – drum bleib du schön am Hindukusch!

„Urheberrecht?“, höhnte Herbert und griff sich theatralisch aufs Hirn. „Vielleicht kannst du des dann per Dekret regeln, wenn du dann Bundespräsident bist. So wie du die Regierung entlasst, wenn sie dir net passt. Aber vor Gericht lachen’s uns höchstens aus. I mein, wenn sie wenigstens gereimt hätten. ‚In Österreich san mir daham – du leider bei de Taliban!‘ Oder vo mir aus: ‚Bei uns sag ma zum Moslem „Gusch!“ – drum bleib du schön am Hindukusch!‘ Aber des ham sa si ja grad no verkniffen.“

HC spielte versonnen mit einem Feuerzeug und heftig mit dem Gedanken, sofort wieder mit dem Rauchen zu beginnen. Das ging ihm schon alles an die Nieren. Ja, er hatte Herberts Warnungen nicht ernst genommen. Und jetzt hatte er den Salat. Wie auf dem Silbertablett war die Kanzlerschaft schon vor ihm gelegen, bereit zum Abholen bei der nächsten Wahl. Aber jetzt war das alles mit einem Mal keineswegs mehr eine gemähte Wiese. Vor Faymann, diesem Wendehals, der sich mit einer zusammengerollten „Krone“ aus dem Führerstand des „Train of Hope“ direkt hinter eine Stacheldrahtrolle in Mazedonien prügeln hatte lassen, vor dem musste er sich nicht fürchten. Aber vor dem heimlichen Kanzler sehr wohl. Dieses schreckliche Kurz-Bubi! Der Kerl war nicht nur jünger und unverbrauchter als HC, sondern auch noch um ein Eckhaus smarter. Gut, gerade Letzteres waren zwar nahezu alle – aber dass einer, der vor ein paar Jahren noch ernsthaft im Geilomobil durch die Stadt gefahren war, drauf und dran war, ihm den Rang abzulaufen, das schmerzte schon sehr. „Wir brauchen eine Gegenstrategie“, schnarrte HC. „Und zwar sofort! Vorschläge irgendwer?“

„Ja, i!“, meldete sich Harald Vilimsky, der seine Enttäuschung, dass heute niemand „Und wer im Juli geboren ist … “ mit ihm singen wollte, mittlerweile einigermaßen verarbeitet hatte.

„Sehr schön!“, lobte HC. „Sonst no wer?“

Herbert wusste, jetzt würde es wieder einmal auf ihn ankommen. Und die Stoßrichtung musste ja an sich ohnehin jedem klar sein. Außer natürlich diesen ganzen Schwachmaten hier, die ohne seine Anleitung ja nicht einmal die Spülung beim Klo fanden. „Wir müssen unser Profil schärfen“, dekretierte er. „Wo die anderen sagen: ‚Nur mehr Syrer und Iraker‘ müssen wir sagen: ‚Obergrenze null‘. Wo die anderen einen Zaun bauen, verlangen wir Tellerminen. Und so weiter. Unser Thema hat grad Konjunktur, ja, das schon. Aber wir müssen dabei wieder die Avantgarde sein und dem Kurz die Butter vom Brot nehmen. Versteht’s?“

Herbert schaute in die Runde und stellte anhand der unschlüssigen Blicke fest, dass er die Worte „Konjunktur“ und „Avantgarde“ nicht verwenden hätte sollen. Aber es hatte ja auch niemand behauptet, es würde leicht werden.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort