Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Russisches Ei

Die ganze Welt versucht zu ergründen, wie Wladimir Putin tickt. Doch niemand kommt dahinter. Außer profil natürlich.

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Als Wladimir an diesem Morgen sein edles großrussisches Haupt von der feinen Seide erhob, die ihm die absoluten Elite-Raupen seines sympathischen Freundes Xi Jinping für seinen Kopfpolster gesponnen hatten, in den schon Großväterchen Stalin, der trotz Wladimir immer noch größte Wohltäter, von dem sich das russische Volk in den letzten 100 Jahren freudig vergewaltigen hatte lassen dürfen, seine rauschhaften Schießbefehle hineingespieben hatte, als also Wladimir der Welt nach einer langen, dunklen Nacht ohne ihn endlich wieder seine wache und ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte – da war die Ukraine immer noch da. Und zwar entgegen Wladimirs ausdrücklichen Wunsches – was per se schon ein Skandal war. 

Wladimir musste brutale verbale Gewalt ertragen, sich Kriegsverbrecher nennen lassen. Das tat ihm sehr weh.

Wenn Wladimir sich etwas zur Aufrechterhaltung seines fragilen Seelenheils wünschte, dann hatte das zu geschehen, darüber bestand ja wohl hoffentlich weltweit Einigkeit. Ob es nun die elaborierte Eliminierung eines abtrünnigen Ex-Agenten im Ausland war oder die Auslöschung von Grosny, die Ermordung hunderttausender Syrer, die nichts getan hatten, außer halt einfach da zu sein, oder die Inhaftierung zigtausender Verräter im Inland, die es wagten, eine andere Meinung zu haben, als die einzig zulässige, whatever. Wladimir war da sehr sensibel. 

Wie auch bei den Beschimpfungen durch den barbarischen, verhasstesten Mann der Welt, den faschistoiden Präsidenten der USA. Dieser Geriatriker Biden sagte doch glatt, Wladimir sei ein Kriegsverbrecher und Massenmörder. Solche beispiellosen Ungeheuerlichkeiten, solche unfassbaren Brutalitäten musste sich Feingeist Wladimir gefallen lassen. Das tat schon weh. Auch, wenn man wusste, wer es sagte. Es wurde Zeit, dass endlich wieder Donald Trump im Weißen Haus saß. Wenn diese debile Witzfigur, die aber wenigstens, wie auch Wladimir selbst, nicht durch das Vorhandensein von so etwas wie Moral oder Gewissen in seinen täglichen Amokläufen behindert wurde, jetzt Präsident gewesen wäre   Wladimir hätte längst schon auch das Baltikum eingesackt. Und die einzige Sanktion wäre gewesen, dass sich Donald beim nächsten Staatsbesuch in Moskau nicht mehr vor versteckten Kameras von einem Haufen KGB-Huren anpinkeln hätte lassen. Waldimir musste dringend dafür sorgen, dass der wiedergewählt wurde. Wie er es schon beim ersten Mal getan hatte.

Auch, wenn das jetzt leider etwas komplizierter geworden war... Aber das Wahre, Gute und Schöne setzte sich schlussendlich ja immer durch, fand immer einen Weg. Und wenn man auf diesem noch so viele Leute umbringen musste. 

Jetzt im Moment waren diese Sanktionen durchaus ein wenig unangenehm, das musste Wladimir einräumen. Wobei: natürlich nicht für ihn persönlich. Und die anderen Russen waren erstens Kummer gewöhnt - und ihm zweitens vollkommen wurscht. So zwang man Wladimir nicht in die Knie. Niemand zwang einen Russen in die Knie. Wobei, so ganz stimmte das auch wieder nicht. Vor ein paar Jahren hatte Wladimir einmal Medwedew direkt vor sich in die Knie gezwungen und der hatte ihm dann irrtümlich einen…, äh. Aber das konnte er leider auch nicht. Und daran konnte man wieder einmal sehen, wie zerstörerisch diese andauernde schwule Propaganda der ganzen Drogensüchtigen im Westen war, wenn selbst ein starker Mann wie Medwedew davon krank wurde und beinahe einen noch viel stärkeren Mann angesteckt hätte. 

Einen unfassbar starken Mann nämlich, der bei seinen alljährlichen FKK-Urlauben in Sibirien – vor allem Nacktreiten konnte Wladimir sehr empfehlen, das war echt grenzgeil, überhaupt im Trab; für die Image-Fotos zog er sich dann, widerstrebend aber doch, schon immer eine Hose an – der also dort im Baikalsee gewohnheitsmäßig reihenweise 20, ach, was sag ich, 50!-Kilo-Hechte mit bloßen Zähnen fing – aber trotz aller Stärke dermaßen panische Angst vor Covid hatte, dass alle Besucher durch einen Tunnel mussten, in dem sie mit Desinfektionsmitteln besprüht wurden. Und selbst dann durften sie dem sehr großen Vorsitzenden – der leider nicht einmal 1,70 m war; das und sein winziger Penis war natürlich mit ein Grund für seine ungeheure Selbstsicherheit, die er ja auch nicht hinter seinen Atomraketen verstecken musste – nicht näher als 20 Meter kommen. Darum ja auch die ständigen geschmackssicheren Inszenierungen mit leeren Hallen und grotesk riesigen Tischen, über die die ganze Welt lachte. Ja, lachte! Wladimir wusste das  genau. Und darum schnippte er sich jetzt auch sein Antidepressivum in den Mund, drehte sich auf die andere Seite und zog sich die Decke über den Kopf. Bevor er wieder einschlief, murmelte er noch schwach: „Weiterschießen!“

P.S.: In eigener Sache: Danke für die vielen besorgten Nachfragen (Ist er gefeuert? Oder tot??) wegen meines Ausfalls vergangene Woche. Es war mein zweiter in 22 Jahren – und ich bin wild entschlossen, es zu keinem dritten kommen zu lassen. Ich bin wieder gesund, kein Grund zur Sorge. 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort