Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Sitz!

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Die Woche war zugegebenermaßen noch nicht lang gewesen. Aber: an Härte kaum zu überbieten. Denn als der Abgeordnete an diesem Montag in aller Früh die Augen öffnete, schoss ihm sofort in aller Brutalität ein, dass Montag war.

Nun wusste er natürlich, dass es an sich nur recht und billig war, wenn ihm als Vertreter des Bezirks Urfahr-Umgebung dasselbe widerfuhr wie den anderen Urfahr-Umgebenden auch. Weil, Privilegienabbau und so. Andererseits räumte er aber auch keine verstopften Kanalschächte aus. Ebenso wenig, wie er ausufernde Krampfadern in die Schranken wies oder den LASK trainierte. Warum also musste bitte das mit dem Montag unbedingt sein?

Der von unnötiger Härte gekennzeichnete Wochen­beginn war ja auch deshalb so schwer zu ertragen, weil er so brüsk auf das Wochenende folgte. Und dieses hatte der Abgeordnete, wie eigentlich fast immer, mit politischer Grundlagenarbeit verbracht.

Der Samstag hatte mit dem Frühschoppen der Frei­willigen Feuerwehr Helmonsödt begonnen. Die wackeren Florianijünger brauchten nämlich dringend eine hydraulische Schere, um die Opfer der letzthin leider vermehrt stattfindenden Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss aus ihren GTIs zu schneiden. Anschließend musste er zum traditionellen Spanferkelschießen der Jagdgemeinschaft der Alterssichtigen von Gallneukirchen. Er konnte aber nicht einmal darauf warten, bis das schon nach eineinhalb Stunden in seinem Stall erlegte Tier fertig gebraten war, denn der Singkreis Goldwörth wartete schon im Pfarrheim auf ihn, um ihn mit der Premiere seiner lang erwarteten Bearbeitung von „Tanz der Vampire“ zu erfreuen.

Nach der vierten Zugabe verabschiedete sich der Abgeordnete zu einer Diskussion mit der Bürgerinitiative Walding, die energisch gegen die über die Köpfe der Bevölkerung hinweg getroffene Entscheidung auftrat, den am Ortsende geplanten Kreisverkehr rund zu bauen und nicht etwa oval, wo das doch Feng-Shui-mäßig wesentlich mehr Chi habe oder so.

Dann nahm er noch den Ehrenankick beim wie immer hitzigen Derby zwischen Haibach und Engerwitzdorf vor, musste aber auch hier noch vor dem Abbruch wegen einer Massenrauferei in der 36. Minute schon wieder weiterhetzen, weil er beim Geburtstagsfest des Großcousins der Halbschwester des Schwagers des Landeshauptmanns die Lau­datio auf den Jubilar halten musste, was natürlich schon eine große Ehre war, weil man wird ja nicht jeden Tag 46.

Als er um halb drei Uhr nachts entkräftet in die Daunen sank, wusste er nur mehr eines mit Sicherheit: Der Sonntag würde genauso werden.
Und an sich hatte er ja während der Woche doch ein wenig Zeit, sich zu erholen. Im Normalfall konnte man ganz grob von Montag bis Freitag ausgehen – außer, wenn er ins Parlament musste. Aber die 20, 25 Tage im Jahr waren andererseits auch wieder zu ertragen – wiewohl man sagen musste, dass es mit all diesen starken Teleobjektiven von allen Seiten zusehends unmöglicher wurde, im Plenum am Laptop Solitaire zu spielen. Deshalb war er ja auch dazu übergegangen, mit seinem Nachbarn Schifferlversenken zu spielen – denn wenn man erwischt wurde, konnte man die Zettel durchaus als grafische Darstellung des Punkteführerscheins verkaufen.

Aber jetzt war ja ohnehin alles anders. Seit sein Klubobmann gefordert hatte, die Parlamentsarbeit müsse reformiert werden, und einen Plenumstag pro Woche einrichten wollte, weil das bei 8000 Euro Gehalt schließlich nicht zu viel verlangt sei, war sein Leben völlig aus den Fugen geraten. Einen Tag. Pro Woche! Und vorher noch einen Tag in den Ausschüssen. Das waren ja dann … mehr als ein Tag. So konnte er nicht arbeiten.

Wobei, ein Gutes, das musste man zugeben, ein Gutes hatte die Initiative von Karlheinz Kopf. Selten waren sich die Abgeordneten aller Couleurs in einer Sache so einig gewesen wie in dieser. Außer vielleicht bei der Verleihung des Goldenen Verdienstkreuzes an Peter Westenthaler. Es galt, das freie Mandat zu schützen, da kannten die Abgeordneten nichts. Denn das hatte ja im österreichischen Parlamentarismus eine lange und gegen jegliche Unbilden aufrechterhaltene Tradition. Und der Abgeordnete musste zugeben, dass der größte Hoffnungsträger, die Geheimwaffe, die man noch im Köcher hatte, um diesen Anschlag zu verhindern, nicht aus seiner Fraktion kam. Aber in gewisser Hinsicht konnte man sich auf Josef Cap ja durchaus verlassen.

Und wenn wirklich am Schluss alle Stricke reißen sollten, wenn dieses Unrechtsregime tatsächlich eingeführt werden und ihm eine gedeihliche Arbeit für Urfahr-Umgebung verunmöglicht werden sollte, dann blieb immer noch ein letzter Ausweg: Er würde dann halt Landtagsabgeordneter werden. Er hatte da nämlich ganz gute Beziehungen zum Groß-
cousin der Halbschwester des Schwagers des Landeshauptmanns. Und von diesem tröstlichen Gedanken beseelt, drehte sich der Abgeordnete an diesem an sich schlimmen Montagmorgen auf die andere Seite – und schlief weiter.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort