Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz So eine Wirtschaft!

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Gerhard Dörfler fand ja an sich, man könne ihm wirklich nicht vorwerfen, er verstünde oft etwas nicht. Nach seiner persönlichen Statistik war das durchschnittlich höchstens drei-, viermal am Tag der Fall – wenngleich ihm zu Ohren gekommen war, dass Uwe Scheuch hartnäckig behauptete, diesbezüglich über wesentlich brisanteres Zahlenmaterial zu verfügen.
Doch jetzt, in dieser prekären, von Hochfinanzproblemen nur so strotzenden Situation, musste sich der Kärntner Landeshauptmann eingestehen, dass er an seine Grenzen stieß.

„Amol noch!“, bettelte er den von ihm bestellten Gutachter an. „Erklär’s mir noch a letztes Mal!“ Dietrich Birnbacher atmete tief durch. Er hatte wahrlich schon leichtere Aufträge gehabt als diesen hier. Es war natürlich auch hart gewesen, als er damals beim Verkauf der Hypo an die Bayern den ursprünglich vereinbarten Preis für sein ausgefeiltes mündliches Gutachten um die Hälfte reduzieren hatte müssen – und von Jörg Haider schließlich mit beinahe schon beleidigenden sechs Millionen Euro abgespeist wurde.
Aber das hier schlug ja wohl alles.

„Also Gerhard“, hob er an, „es is gar nit so schwer, wie es ausschaut. ‚Haben‘ is dos, was du hast. Dos kömma also bis auf Weiteres einfach vergessen. Und ‚Soll‘ is dos, was du haben solltest.“ Sogleich erkannte er an dem eindrucksvollen Blick, mit dem Dörfler die geistige Verarbeitung des eben Gehörten umrahmte, dass der Samen wohl wieder auf eher trockenen Boden gefallen war.

„Is doch a wurscht jetzt“, mengte sich Harald Dobernig mit der geballten Autorität, die ihm seine Stellung als Finanzlandesrat verlieh, ins Gespräch. Dobernig genoss in den Reihen des Kärntner BZÖ höchstes Ansehen, seit er einmal während des Finales des Klagenfurter Beachvolleyball-Turniers auf einem Bierdeckel die Quadratwurzel aus neun errechnet hatte – also vier – und nur einen, wenn auch umkämpften Volleyball-Satz lang dafür gebraucht hatte. „Wichtig is anzig und allan, wer dos jetzt zahlt. Mir nämlich sichalich nit!“, fuhr Dobernig erregt fort.

Uwe Scheuch befand sich gerade in einem Tagtraum, in dem er im halb fertigen Stollen des so dringend benötigten Koralmtunnels den sich Richtung Awarenland davonstehlenden Finanzminister stellte, der sich, in einer wie üblich für die Wiener Partie ungemein miesen Aktion, des Kärntner Zukunftsfonds bemächtigt hatte – er hatte nämlich seinem Parteifreund Josef Martinz eingeredet, er brauche das Geld dafür, den Koralmtunnel von der steirischen Seite her wieder zuzumauern, um eine Massenflucht ins gelobte Land zu verhindern. Scheuch rief Pröll eben zu: „Noch a Schritt, und für dei Frau heißt’s: ‚Bäurin sucht Mann!‘“, als Gerhard Dörflers Stimme dem Charles Bronson in ihm das Wasser abgrub.
„Wenn mir schon dabei san“, sagte er, „vielleicht kannst du mir a glei erklären, warum unser Landesbank so haaßt wia a Nilpferd.“

Die Betretenheit, die das folgende Schweigen durchzog, wurde als Erstem Stefan Petzner zu lang. „Wenn de Weana nit zahlen wollen“, wechselte er aus seiner mobilen Sonnenbank heraus – er hatte sie immer mit bei Sitzungen, die länger als zwei Stunden zu dauern drohten – behände das Thema, „dann kömma doch nur froh sein. Was Besseres kann uns gar nit passieren!“

Der Finanzlandesrat sah das irgendwie anders. „Und was mach ma dann?“, fauchte er. „Die Kelag verklopfen? Den Zukunftsfonds ausräumen? Oder den …“, er stockte kurz, befand aber dann, dass man das in diesem Kreis schon sagen konnte, „den, äh, BZÖ-Wahlkampfsonderfonds?“ „Dos waaß i nit“, antwortete Petzner, „oba wenn mir sagen können, dass Wien unser sowieso schon so schwer geprüftes Heimatland wieder amol im Stich lasst – dann is der Gerhard bis 2025 Landeshauptmann.“

Uwe Scheuch musste eine Zeit lang darüber nachdenken, ob er diese Aussicht auch nur irgendwie lohnend fand. Nach nahezu endlosen zwei Sekunden entschied er sich für „Nein“. Dann erhob der Gutachter wieder seine Stimme. „Wir müssen no über mein Honorar reden“, sagte er gepresst. „So billig wie beim letzten Mal mach i dos sicher nit!“ Nachdem er auch noch ein „Dos gib i euch schriftlich!“ hinzufügte, sahen das auch alle Anwesenden sofort ein. Dennoch gab es für das eigentliche Problem immer noch keine Lösung. „Mir könnten den Führerschein-Tausender wieder abschaffen“, regte der Finanzlandesrat Dobernig vorsichtig an. Doch dagegen opponierte der Landeshauptmann: „So eine sozial ungeheuer treffsichere Maßnahme? Nit mit mir!“

Uwe Scheuch fand diesen Gedanken zwar nicht völlig ohne Reiz, schwieg aber und fixierte in der Zwischenzeit lieber den Finanzminister auf dem Boden. Auf dem Fernseher in der Ecke änderte sich plötzlich die Schlagzeile des Teletexts. Die Miene des Finanzlandesrats hellte sich auf. „I hab’s“, sagte er feierlich. „A hundertprozentig sichere Gschicht. Wir investieren dos Geld von dem Zukunftsfonds – und in einer Woche is alles paletti. Wetten wir?“ Die anderen verstanden nicht. „Gegen wen spielt eigentlich Austria Kärnten nächste Runde?“, sagte Dobernig dann listig. Und mit einem Mal war klar: Das BZÖ wirtschaftete eben doch am besten.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort