Rainer Nikowitz' Festrede beim diesjährigen Editors Dinner

Rainer Nikowitz: Speisenfolgen

Speisenfolgen

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profil-Herausgeber Christian Rainer lud zum mittlerweile achten Mal Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur zum „Editors Dinner“ ins Palais Rahimi in der Wiener Innenstadt. Unter den Gästen befanden sich heuer unter anderem die Minister Sabine Oberhauser, Hans Jörg Schelling, Sebastian Kurz und Wolfgang Brandstetter, Landeshauptmann Erwin Pröll, die Abgeordneten Gabriela Moser und Matthias Strolz, ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel, Alexander Wrabetz und Kathrin Zechner vom ORF, Kontrollbank-Chef Rudolf Scholten, VGN-CEO Horst Pirker, Burgtheaterdirektorin Karin Bergmann oder die Chefin der Nationalbibliothek, Johanna Rachinger. Traditionellerweise wurde zwischen Suppe und Hauptgang Rainer Nikowitz auf die Gäste losgelassen – mit dieser Festrede.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Mitesser! Ich darf Sie sehr herzlich zum diesjährigen Editors Dinner begrüßen … würde das aber noch wesentlich lieber tun, wenn ich jetzt endlich das Manuskript für meine Rede finden würde … Wo hab ich das nur hingetan? Na geh! Das ist jetzt peinlich. Ein klein wenig Geduld noch bitte, gleich kommt der erste Witz, versprochen. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Normalerweise bin ich nicht so zerstreut, ehrlich nicht.

Gut, okay. Man sagt ja, wenn man was sucht, dann soll man zuerst einmal versuchen, sich zu erinnern, wann und wo man es bewusst zum letzten Mal gesehen hat. Also, vor dem Essen bin ich da draußen gestanden, und da hab ich es noch hier im Sakko gehabt, da bin ich mir ganz sicher. Dann hat’s geheißen, es geht jetzt los, wir sollen uns langsam hinsetzen – aber ich hab mir gedacht, eine Zigarette geht sich noch aus. Dann bin ich aber draufgekommen, dass ich keine mehr hab. Und dann hab ich den Matthias Strolz gefragt, ob er vielleicht was zum Rauchen hat …

Er hat Ja gesagt – und seitdem weiß ich nichts mehr.

Herr Strolz, könnten Sie mir nicht noch einmal aus der Patsche helfen? Und hier vielleicht für mich übernehmen? Ein Gedicht aufsagen oder was? Als Dessert gibt’s heute glaub ich Kastanienreis – hilft Ihnen das weiter?
Somit wäre also auch gleich einer der Neulinge in dieser Runde standesgemäß begrüßt. Da haben wir ja heute erfreulicherweise einige, die zum ersten Mal hier sind – und denen somit schon einmal gesagt sein soll: Die Teilnahme am Editors Dinner kostet Sie nichts – außer vielleicht ein paar Nerven.

Ja, meine Damen und Herren, ich freu mich wirklich, dass Sie alle heute gekommen sind. Immerhin spielt gerade Brasilien im Stadion. Und jetzt kann man natürlich schon der Meinung sein, dass man die Wadln vom Herrn Neymar nicht unbedingt aus der Nähe sehen muss. Andererseits kenn ich die vom Christian Rainer.

Ich hab heute noch einmal nachgezählt: Ich steh jetzt zum achten Mal hier und halte diese Büttenrede. Und ich hab mich in den vergangenen Jahren immer wieder bemüht, ein Generalthema zu finden, über das ich spreche, eine Klammer, einen roten Faden. Das Problem dabei ist allerdings eine mittlerweile doch erhebliche Redundanzgefahr.

Weil: Jetzt haben wir ja leider doch schon seit Längerem die Krise. Also die Welt im Allgemeinen – und die Printmedien im Besonderen. Das kann aber keiner mehr hören. Nicht einmal Witze darüber. Und was soll ich Ihnen über die Printmedienkrise erzählen, was Sie nicht ohnehin schon x-fach und bis ins kleinste Detail gelesen haben – im Printmedium Ihres Vertrauens nämlich. Wo denn auch sonst?

Außerdem sind wir ja diesbezüglich bei profil wirklich in einer privilegierten Situation, weil bei uns ist das ja komplett anders. Wir haben nämlich keine Krise. Echt nicht! Da können Sie fragen, wen Sie wollen. Am besten vielleicht gleich die profil-Redakteure. Da ist die Gelegenheit heute günstig, weil wir sind ja praktisch geschlossen hier versammelt. Ein klassischer Fall von: alle neune.

Jetzt wäre vielleicht der richtige Moment, um Horst Pirker zu begrüßen, den neuen Vorstand der Verlagsgruppe News. Oder „CEO“, wie das im Managersprech heißt. Wobei, Herr Pirker, geben Sie’s zu: Sie sind sicher erst nach Ihrem Dienstantritt draufgekommen, dass das „E“ im „CEO“ im News-Verlag nicht „Executive“ bedeutet. Sondern vielmehr: „Emergency“.
Also lass ich das heute mit dem Generalthema lieber. Und widme mich einfach so der mir zugedachten Aufgabe, manche von Ihnen zum Dank dafür, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind, auch noch durch den Kakao zu ziehen. Vor allem natürlich die Vertreter der Politik. Und da haben wir heute einige hier.

Nicht von der FPÖ, nein. Die sind erstens nicht eingeladen und würden zweitens sowieso am hier herrschenden Messer- und Gabelzwang scheitern.
Auch niemand vom Team Stronach, weil: warum?

Von den Grünen ist Gabriela Moser hier, herzlich willkommen. Ich muss aber zugeben, das wundert mich, dass Sie gekommen sind. Also gerade Sie als Korruptionsbekämpferin. Schließlich ist das ein Dinner. Also werden Sie hier und heute ganz eindeutig angefüttert. Gut, andererseits ist Justizminister Wolfgang Brandstetter auch hier, also sind wir vielleicht eh auf der sicheren Seite.

Wobei ich mich, das muss ich zugeben, über einen Gast aus der Politik ganz besonders freue. Nämlich auch einen, der zum ersten Mal hier ist – was man in seinem Fall ja kaum glauben kann, weil er sonst eigentlich schon überall gewesen ist: Erwin Pröll.

Jetzt schreib ich doch schon das eine oder andere Jahrzehnt über Sie – aber wir haben einander tatsächlich noch nie persönlich kennengelernt. Dabei haben wir beide ja noch dazu einiges gemeinsam. Zum Ersten – und natürlich am wichtigsten: Wir sind beide Niederösterreicher.
Das prägt einen ungeheuer, ganz klar. Und das verbindet natürlich auch. Und selbst wenn man wie ich schon vor 30 Jahren aus dem gelobten Land emigriert ist, muss man konstatieren: Das kriegt man nicht mehr los. Niederösterreicher sein ist ein bissl wie … Malaria haben. Kaum glaubt man, man hat es überstanden, kommt wieder ein Schub.

Es kann eben nicht ohne Langzeitfolgen bleiben, wenn einem in der Kindheit beigebracht wurde, dass man sich, wenn man bei der Kirche vorbeigeht, ein Mal bekreuzigt – und beim Lagerhaus drei Mal.
Das zweite, das uns verbindet: Ich wohne zwar in Wien – aber ganz in der Nähe von einem sehr schönen Gewässer, das mich dank Ihnen auch immer an die Heimat erinnert. Es heißt nämlich – und das ist bitte kein Schmäh: Silbersee.

Und die dritte Gemeinsamkeit ist: Wir machen offenbar beide gern Erwin-Pröll-Witze. Gut, von mir weiß ich das ja schon länger, von Ihnen aber eigentlich erst seit der profil-Ausgabe von dieser Woche. Weil da drin hat Roland Neuwirth, der bekannte Wienerliedsänger mit den Extremschrammeln, einen Pröll-Witz erzählt, den er laut seinen Angaben von Ihnen selbst hat. Ich wiederhole ihn kurz für diejenigen, die das profil noch nicht durchhaben, obwohl schon Dienstag ist. Nachdem es auf der Welt viele unerklärliche Phänomene gibt, ist auch das nicht völlig auszuschließen.

Also: Gott holt Wladimir Putin, Barack Obama und Erwin Pröll zu sich und teilt ihnen mit, dass die Welt in zwei Wochen untergehen wird. Also tritt Putin vor das russische Volk und sagt: „Ich habe zwei schlechte Nachrichten für euch. Erstens: Gott gibt es wirklich – und die Welt geht in zwei Wochen unter.“ Obama wiederum erklärt den Amerikanern: „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht: Gott gibt es wirklich – und die Welt geht in zwei Wochen unter.“

Und Erwin Pröll schließlich verkündet zu Hause: „Ich habe zwei gute Nachrichten für euch: Gott gibt es wirklich – und ich bleibe bis zum Jüngsten Tag Landeshauptmann!“

Stimmt das, haben Sie den erzählt? Na schau. Schreibt profil wenigstens ein Mal die Wahrheit über Sie, oder?

Wobei sich ja bei der Schlusspointe auch einige andere Möglichkeiten anböten. Zum Beispiel diese: „Ich habe zwei gute Nachrichten für euch: Ich weiß, wo Gott wohnt – und in 14 Tagen übernehm ich endlich seinen Job.“
Eine Frage an alle anderen hier im Raum: Sie wissen hoffentlich schon, wann der Herr Landeshauptmann Pröll Geburtstag hat? Was? Nein? Was für ein katastrophales Versagen des niederösterreichischen Landespressedienstes! Es kann natürlich nur an einem Tag sein: am 24. Dezember. Somit darf eine Problemstellung, die Philosophen seit Jahrtausenden beschäftigt, endgültig als gelöst betrachtet werden: Es gibt keine Zufälle.

Ah, Moment! Noch eine Gemeinsamkeit fällt mir ein: In meiner Lebensplanung kommt die Hofburg auch nicht vor. Möglicherweise aus anderen Gründen als bei Ihnen. Weil, ich geh davon aus, dass dieser Satz von Ihnen in der Öffentlichkeit missinterpretiert wurde. Uns können Sie es ja sagen: Wollen Sie dann als Bundespräsident wirklich den Amtssitz nach St. Pölten verlegen?

Also ich seh da ehrlich gesagt schwarz.

Aber dem Sebastian Kurz wär’s wahrscheinlich wurscht, der würd dann auch dorthin fahren, um sich als Bundeskanzler angeloben zu lassen. Wobei da zugegebenermaßen vorher noch einige Hindernisse zu überwinden sind.
Wie? Nein, nicht den Faymann! Da schon eher den Mitterlehner. Solang Django noch eine Kugel im Lauf hat, braucht er sicher keinen neuen Sheriff in der Stadt. Und dann gibt’s natürlich noch das Problem, dass der Herr Außenminister aus der Wiener ÖVP kommt. Und Angehörige von Splittergruppen haben es nie leicht.

So, jetzt hab ich meine Zeit eh schon überzogen. Lassen Sie mich nur noch schnell schauen, ob ich jemanden vergessen hab … Sabine Oberhauser, die neue Gesundheitsministerin. Na ja, Sie sind halt leider noch nicht lang im Amt, da weiß ich jetzt nicht wirklich, wie ich Sie verarzten soll. Bei der Kdolsky war das damals leichter, das muss ich schon sagen. Aber immerhin haben Sie, Frau Oberhauser, jedenfalls schon einmal dafür gesorgt, dass sich jetzt nicht mehr im Gesundheitsministerium, sondern im Infrastrukturministerium tagtäglich die ganze Belegschaft fragt, wer zur Hölle eigentlich Alois Stöger ist.

Und sonst aus der Politik, ist noch jemand da …? Ah, Gernot Blümel, Generalsekretär der ÖVP. Puuh. Da stoß ich jetzt auch an meine Grenzen. Ein Königreich für einen Gernot Blümel-Witz … Sie sehen, ich hab’s auch nicht immer leicht.

Wissen Sie was? Essen Sie einfach einmal alle in Ruhe weiter, ich geh einstweilen ein bissl nachdenken und komm vielleicht nach dem Dessert noch einmal. Nur noch eine Bitte, Herr Strolz: Hätten Sie vielleicht noch so eine Zigarette für mich?

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Rainer   Nikowitz

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