profil-Kolumnist Rainer Nikowitz
Satire von Rainer Nikowitz

Beklagenswert

Herbert Kickl kämpft für die Wahrheit. Ein Satz, der klingt wie: Der Himmel ist grün.

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Es ist zu hoffen, dass Herbert Kickl – wie ja eigentlich immer – auch diesmal zum Trendsetter wird. Einer muss schließlich jetzt endlich einmal damit anfangen, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen. Denn noch nie war es moderner, einfach so, ohne den geringsten Beweis haarsträubendste Lügen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Aber endlich stellt sich dem jemand in den Weg. Herbert. Also ein Mann, der jeden Tag die Wahrheit sagt. Manchmal sogar mehrmals.


PR-Altmeister Wolfgang Rosam hatte die völlig unhaltbare These aufgestellt, Kickl könnte entgegen den von ihm verbreiteten, unumstößlichen wissenschaftlichen Überzeugungen möglicherweise sogar selbst gegen Corona geimpft sein. Diese linkslinke Ehrabschneidung kann ein Mann aus Kruppstahl natürlich nicht unangefochten auf sich sitzen lassen – und das völlig zu Recht. Zum einen wird bei dieser Behauptung böswillig außer Acht gelassen, dass jede Injektionsnadel selbstverständlich an Herberts mit Bitterstoffen, also dem Drachenblut der Neuzeit, imprägnierter Haut zerschellen würde – eine Impfung also schon aus Gründen seines außerordentlich starken Immunsystems gar nicht möglich sein würde. Aber nicht genug damit, dass Herbert hier als nahezu unautochthoner Schwächling hingestellt wird, der mRNA für sein BDSM braucht, wird ja natürlich darüber hinaus auch noch mehr oder minder unverblümt angedacht, dass der Herbert eventuell kein völlig grader Michl sein könnte. Eine Idee, die einem ja bisher eigentlich noch bei keinem FPÖ-Politiker der letzten 30 Jahre gekommen ist.  

Jede Injektionsnadel würde an Herberts wenn schon nicht mit Drachenblut, so doch  mit Bitterstoffen imprägnierter Haut zerschellen.

Von Kickls mutigem Auftreten gegen übelste Nachrede dieser Art inspiriert, werden hoffentlich bald weitere, ebenso aufrechte wie sympathische Personen des öffentlichen Lebens aufstehen und sich ihrerseits gegen infame Behauptungen wehren, die ihnen in der schlimmsten Ausformung vielleicht sogar irgendeine Art von Vernunft oder Intelligenz unterstellen. Oder noch schlimmer: ein Verhalten, das geeignet wäre, als verantwortlich oder gar sympathisch missverstanden zu werden. 


So ist es zum Beispiel, um beim Pandemie-Thema zu bleiben, hoch an der Zeit, dass Didi Mateschitz endlich gegen die Behauptung einschreitet, Red Bull helfe gar nicht gegen Corona. Da geht es nämlich nicht nur um die Wahrheit, sondern bitte schön auch ums Geschäft. Denn selbstverständlich war alles, was man bisher auf Servus TV über die Pandemie zu sehen bekam, wie immer nur Teil einer groß angelegten Werbekampagne, an deren Ende herauskommt, dass Red Bull nicht nur Flügel verleiht, sondern auch mehr Antikörper als jedes klinisch erprobte Pferdeentwurmungsmittel. Irgendeinen Sinn muss das alles doch schließlich haben. 


Donald Trump, um zum nächsten Corona-Experten zu kommen, hat tatsächlich auch gerade Klagen eingereicht: gegen die „New York Times“ und seine Nichte Mary Trump, die ein Enthüllungsbuch über den lieben Onkel geschrieben hat. Es geht um die seiner Meinung nach unrechtmäßige Veröffentlichung seiner Steuerakten. Also ein klassischer Fall von alternativen Fakten, er hätte diese Akten ja sicher anders geschrieben. Das ist gut und richtig, Donald sollte aber hier nicht innehalten und sich auch bei den Instandhaltungsarbeiten an seinem tadellosen Ruf an Herbert ein Beispiel nehmen. Bevor hier noch mehr Leute anfangen, zu behaupten, Donald habe die Erstürmung des Kapitols durch seine Südstaatenarmee gar nicht befeuert, sondern sei in Wirklichkeit friedlich vor seinen Hausfrauen-Talkshows gesessen, muss es heißen: Wehret den Anfängen! Wenn man deswegen gewählt wurde, weil man ein faschistoider Rassist ist – und nicht etwa: trotzdem –, muss man auf diesen Ruf achten wie der sprichwörtliche Haftelmacher. Auch und vor allem, wenn man sich Joe Bidens bisherige Performance mit dem Höhepunkt Afghanistan vor Augen hält. Die nächste Wahl ist in drei Jahren. 


Recep Tayyip Erdoğan wiederum, auch so ein leider immer bewusst Missinterpretierter, sollte jetzt zum Beispiel langsam dringend vor der Behauptung geschützt werden, er beziehe sein persönliches Trinkwasser gar nicht aus einer Entsalzungsanlage im Marmarameer. Ob er das tatsächlich tun wird, ist allerdings noch zweifelhaft. Man kennt ihn ja, er bemüht quasi nie die Justiz, dafür ist er viel zu feinsinnig. 


Ebenso wie Wladimir Putin, dem es ja dem Vernehmen nach gar nicht recht ist, dass diese unabhängige Justiz Alexej Nawalny einfach nach Sibirien geschickt hat. Obwohl man natürlich sagen muss, dass vor allem die Enthüllungen Nawalnys über Putins Protzpalast am Schwarzen Meer, die ja nicht ganz unbeteiligt an seiner derzeitigen Situation sein dürften, leider auch sehr fehlerhaft waren. Denn wahr ist vielmehr: Im Ostflügel gibt es nur fünf Badezimmer. Nicht sechs. 

 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort