#wienwahl2020

Rainer Nikowitz: Übermorgen

profil weiß natürlich nicht nur, wie die Wiener Wahl morgen ausgeht, sondern selbstverständlich auch fast ganz genau, was danach passiert.

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Prognosen sind ja, wie ein gern zitiertes, wahlweise Karl Valentin, Didi Kühbauer oder Christa Kummer zugeschriebenes Bonmot besagt, vor allem dann schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen. Dies gilt aber selbstverständlich nicht, wenn sie von absoluten Experten für eh alles getätigt werden - also von Vertretern unserer Zunft. Wir Journalisten wissen ja glücklicherweise praktisch alle alles, besonders dann, wenn wir uns auf der sympathischen Selbstbeweihräucherungsplattform Twitter bewegen, die ja eigentlich nur für Donald Trump und uns erfunden wurde. Aber bei Weitem nicht nur dort. Ich zum Beispiel erachte es als meine absolute Berufspflicht, Sie auch in einem Totholzmedium schon einen Tag vor dem Wahlergebnis mit quasi gesichertem Wissen über das Danach zu versorgen. Weil irgendwer muss es Ihnen ja schließlich sagen.

So wird es Sie sicherlich überraschen, von der in unseren verschlafenen Konkurrenzmedien noch nirgendwo ventilierten Möglichkeit zu lesen, dass HC Strache bei seinem gefühlt vierzehnten Anlauf nunmehr tatsächlich endlich Wiener Bürgermeister werden könnte. Verdient hätte er es ja fraglos schon längst, aber erst jetzt erscheint es so richtig realistisch, braucht es dazu doch nur ein Fünf-Parteien-Bündnis, das sich auf den kleinsten gemeinsamen Penner einigt.

Als lästiges Hindernis auf dem Weg dorthin muss man allenfalls die doch undemokratisch hohe Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Gemeinderat im Hinterkopf behalten, doch hier wird unter Umständen sogar die SPÖ mit ein paar Stiegen des Sandleitenhofs oder so aushelfen, hat doch Michael Ludwig erst jüngst wieder nachdrücklich bekräftigt, er "kämpfe um jeden Arbeitsplatz". Und wenn HC Strache nicht den bekommt, um den er sich gerade bewirbt, scheint der Weg in die Schwerstvermittelbarkeit und die damit verbundene Langzeitarbeitslosigkeit ja leider einigermaßen vorgezeichnet. Und dann hat Sebastian Kurz wieder eine Statistik, mit der er den Status von Wien als Dritte-Welt-Enklave auf seinem ansonsten so strahlend prosperierenden Staatsgebiet untermauern kann. Zugegebenermaßen besteht hier noch eine kleine Restunsicherheit. Es könnte nämlich möglicherweise auch sein, dass die SPÖ einen Koalitionspartner findet, mit dem sie zwar nicht kann, aber trotzdem tut. Also quasi so weitermacht wie bisher. Unter Umständen könnte das sogar wieder mit den Grünen passieren-auch wenn es ja ursprünglich Michael Häupl war, dem das eingefallen ist. Und auch, wenn dem Vernehmen nach das erste Programm, das Michael Ludwig auf seinem neuen Dienst-Laptop installieren hat lassen, ein zu hundert Prozent zuverlässiger Pop-up-Blocker war. Aber nachdem der Bürgermeister jetzt so viele TV-Diskussionen mit Birgit Hebein gesehen hat, tut sie ihm irgendwie auch wieder leid.

Eine Möglichkeit zur Mehrheitsbeschaffung wären aber auch die NEOS, auch wenn der Bürgermeister offensichtlich erst im Wahlkampf von deren Existenz erfahren hat, wie zum Beispiel in der Elefantenrunde auf Puls 4 zu bemerken war. Er habe, so Ludwig dort, den Spitzenkandidaten Christoph Wiederkehr zwar schon irgendwie gekannt, aber dass dieser "inhaltlich so kompetent ist, habe ich nicht gewusst". So etwas hat man Ludwig über Peter Hacker noch nie sagen hören. Das kann bei schnellem Hindenken eigentlich nur zwei Gründe haben Wir entscheiden uns jetzt einfach einmal für den schöneren.

Es könnte aber sogar zu einer Koalition mit der ÖVP kommen, es hat Sachen wie Ibiza gegeben und dann eine Pandemie, die sich vor ein paar Monaten auch keiner vorstellen konnte-also warum sollte einen dann das noch wundern? Hier bestünde allerdings neben allen ideologischen Differenzen vor allem ein zeitliches Problem, da auf dem Platz, auf dem eben noch Gernot Blümel stand, sofort nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses nur mehr eine Staubwolke und allenfalls ein paar Spritzer Haargel vorzufinden sein werden.

Nicht infrage kommt hingegen Dominik Nepp, er wird die Stadtpolitik leider mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verlassen und sein fast triumphal einstelliges Ergebnis als Sprungbrett für eine Karriere in der Privatwirtschaft nützen. Man wird von ihm noch viel hören-als stiller Teilhaber einer Firma, die Ofenrohre zum Ins-Gebirge-Schauen vertreibt. Mangels eines sich heftig aufdrängenden Nachfolgers übernimmt dann interimistisch ein voller Aschenbecher aus der Wiener Zentrale die Partei. Dieser würde dann möglicherweise in Bezug auf Strache doch wieder das Gemeinsame über das Trennende stellen-mit unabsehbaren Folgen, auch und sogar für uns.

Und das will echt was heißen.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort