Ursula Stenzel umreißt im nie geführten Interview ihre Pläne als demnächst „wilde“ Chefin der Wiener City

Rainer Nikowitz: Ursula Stenzel: Goldenes Wienerherz

Ursula Stenzel: Goldenes Wienerherz

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profil: Frau Bezirksvorsteherin, gestatten Sie mir zu Beginn eine persönliche Anmerkung: Ich bin entsetzt!
Stenzel: Mit Recht! Aber zum Glück geht es bei Weitem nicht nur Ihnen so. Aber das wird meine ehemalige Partei schon noch zu spüren bekommen.

profil: Ach so, das war jetzt ein Missverständnis. Ich bin eigentlich mehr deshalb entsetzt, weil ich Sie gerade zum ersten Mal ohne Perlenkette sehe. Also quasi … nackt!
Stenzel: Ich muss doch sehr bitten! Schweinigeln können Sie von mir aus in jedem anderen Bezirk – aber sicher nicht in meinem.

profil: Was, das ist in der City auch schon verboten?
Stenzel: Nun, noch nicht so richtig … Sagen wir, es ist zumindest einmal sozial unerwünscht. Aber wenn ich mich für die nächste Periode von allem liberalen Rest-Ballast befreit habe, kommt das selbstverständlich mit auf die Liste.

profil: Die ÖVP wird Sie aber nächstes Jahr nicht mehr aufstellen, Ihr Nachfolger als Spitzenkandidat im ersten Bezirk wurde mit 100 Prozent gekürt – kann es sein, dass Sie nicht viele Freunde in der Partei haben?
Stenzel: Das ist leicht erklärt: Ich bin ein Mal bei der Europawahl angetreten und zwei Mal bei der Bezirksvertretung. Und ich habe immer gewonnen. Das sind sie in der ÖVP nicht gewöhnt. Und da kommt man auch schnell in den Verdacht, dass man eigentlich gar keine richtige Schwarze ist.

profil: Da mag etwas dran sein. Aber Sie haben ja auch keine Gelegenheit ausgelassen, der Partei auszurichten, was Ihnen nicht passt. Nach der vorigen Nationalratswahl haben Sie über den Wiener VP-Chef Manfred Juraczka gesagt: „Der bringt in einem TV-Interview keinen geraden Satz heraus.“
Stenzel: Ja. Und? Stimmt das vielleicht nicht?

profil: In solchen Angelegenheiten wird nur leider der Wahrheitsbeweis innerparteilich eher selten zugelassen. Und generell haben Sie sich immer wieder beklagt, dass die ÖVP zu liberal sei. Dieser Eindruck hat sich Ihnen aber irgendwie ziemlich exklusiv aufgedrängt.
Stenzel: Das finde ich nicht.

profil: Also gut, selbst, wenn es so sein sollte: Gerade in einer Stadt wie Wien gibt es doch viele aufgeklärte Bürgerliche, die genau das von der ÖVP erwarten.
Stenzel: Hören Sie, ich bin schon mein Lebtag in Wien, und ich kenne praktisch nur Bürgerliche. Von denen ist aber bitte kein Einziger aufgeklärt. Ich sag Ihnen eins: Die ÖVP wird schon noch draufkommen, dass sie mich mehr braucht als ich sie.

profil: Also treten Sie mit einer eigenen Liste an?
Stenzel: Ich werde bestürmt, das zu tun! So viele empört zitternde Hermès-Tücher, Goldbroschen und Nerz-Stolas hab ich nicht mehr gesehen, seit sie bei den Philharmonikern Frauen zugelassen haben.

profil: Nun sind ja die Eckpunkte Ihrer Politik bekannt. Sie sind gegen den Silvesterpfad, gegen Punschhütten, gegen Straßenmusikanten, gegen laute Jugendliche – eigentlich gegen alles, was ein bisschen nach Spaß riecht und allzu viel Pöbel anziehen könnte.
Stenzel: Jetzt sagen S’ nicht „Pöbel“, das g’hört sich nicht! Das sind halt einfache Leute. Ich hab durchaus ein Herz für die einfachen Leute – sofern sie dort bleiben, wo sie hingehören. Und wenn ich unbedingt welche sehen will, dann kann ich ja einmal einen Sonntagsausflug nach Favoriten machen statt in den Tiergarten Schönbrunn.

profil: Aber man kann die Leute halt schwer von der City fernhalten, oder?
Stenzel: No, warten Sie einmal ab! Es wär schon viel gewonnen, wenn die Brücken über den Donaukanal nur mehr Zugbrücken wären. Ins Wasser schmeiß ma ein paar Minen, wegen der Boat People aus der Leopoldstadt. Dann noch einen hohen Zaun beim Ring mit ein bissl Stacheldraht und Selbstschussanlagen …

profil: Und am Schottentor gibt es dann die einzige Möglichkeit, wie man reinkommt: den Checkpoint Uschi!
Stenzel: Woher kennen Sie mein Konzept?

profil: Das … war jetzt mehr ein Schuss ins Blaue.
Stenzel: Natürlich ist die U-Bahn noch ein großes Problem. Dass man da in den ärgsten Slums einsteigt und nach zehn Minuten einfach so vor dem Stephansdom steht – das ist kein Verkehrskonzept, das ist eine rot-grüne Kriegserklärung!

profil: Aber die Konkurrenz ist groß – Sie müssen nicht nur Ihren schwarzen Nachfolger besiegen, sondern auch noch die NEOS.
Stenzel: Die Haschbrüder sollen eine Konkurrenz sein? Ja, simma in Jamaica oder was?

profil: Ich muss eines zugeben: Sollten Sie wirklich nicht mehr Bezirksvorsteherin werden – Sie würden mir irgendwie fehlen.
Stenzel: Ich mir auch.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort